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Zum Hass erzogen

 

Antisemitische Ressentiments breiten sich wieder aus und gefährden unsere Demokratie. Auch Flüchtlinge bringen Vorurteile mit. Wir müssen Aufklärung leisten!

© Maja Hitij/dpa
© Maja Hitij/dpa

Nicht, dass ich das Schmock oft besucht hätte. Es war cool, auf diese sterile Weise. Man sagt minimalistisch dazu, aber das Wort erzählt nichts von einer möglichen Kälte. Die Preise waren münchnerisch, und das Hummus war trotzdem nicht weich genug. Aber darum soll es hier nicht gehen, das hier ist keine Restaurant-Kritik. Das Schmock als Restaurant wird man in Zukunft eh nicht kritisieren können: Es schließt nämlich dieser Tage. Das vielleicht bekannteste, auf jeden Fall aber hipste israelische Lokal Münchens schließt. Aufgrund von gestiegenem Antisemitismus.

Als das Schmock vor 16 Jahren eröffnete – in Schwabing, Münchens großem Ausgehviertel, mit diesem Namen – war die Aufregung groß. Der Lokalbesitzer, ein arabischer Jude oder ein jüdischer Deutscher, oder wie auch immer und in welcher Reihenfolge man das benennen muss, stilisierte sich selbst und seinen schnell kultigen Laden zur Überwindung aller deutsch-jüdischer Befindlichkeiten im Umgang miteinander. Er warb mit Sprüchen wie „Deutsche, trinkt bei Juden“ und einer „Klagemauer“, in die Gäste Zettel mit ihren Wünschen stecken konnten. Nun schließt er, weil er genug hat, genug von antisemitischen Anrufen, klischeegetränkten Fragen wie der, ob Juden eigentlich auch Steuern zahlen müssten, Verschwörungstheorien und der offenbar alles entschuldigenden Einleitung „Man kann doch mal fragen“. Der Gastronom, der einst in den Kampf für die viel beschworene Normalität zwischen Juden und Deutschen zog, mit einer wunderbaren Waffe, dem, was er als Humor verstand, glaubt nicht mehr an diese.

Das ist in Zeiten, in denen Einleitungen wie „Man wird doch mal fragen dürfen“ und „Man wird doch mal sagen dürfen“ Menschen zu Massendemonstrationen versammeln und neuen, rechtsorientierten Parteien Aufwind geben, eine Nachricht wert. Das ist in Zeiten, in denen eine neue Art von Antisemitismus möglicherweise in dieses Land fließt, deshalb gefährlich, weil sie zeigt, dass unsere Gesellschaft nicht auf einem stabilen Demokratieverständnis fußt, das als Festung gegen neue Vorurteile und aus dem Nahen Osten importierte Glaubens- und Denkkriege dient. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat bereits im Juni 2016 vor einem neuen Antisemitismus gewarnt, weil die Geflüchteten, die derzeit in unserem Land ankommen, überwiegend aus Staaten stammen, die mit Israel verfeindet sind.

Wie gehen wir damit um?

Nun ist es leider die selbst gewählte Aufgabe des Zentralrats der Juden, vor Antisemitismus zu warnen, und nicht jede dieser Warnungen muss ernst genommen werden. Mit seinem Argument hat Josef Schuster diesmal aber Recht: Viele der Geflüchteten kommen aus Ländern, in denen Israel das Feindbild per se ist, und die Gleichheit der Menschenwürde nicht auf alle gleichermaßen übertragen wird. Das hat nichts mit Bildung zu tun, das ist eine Erziehung, die den Kindern eingeimpft wird.

Diese mitgebrachte Hasspropaganda ist – ähnlich wie übrigens die nach den Silvester-Ereignissen von Köln diskutierte Frage nach dem Frauenbild, das die hierher eingewanderten muslimischen Männer mitbringen – kein Grund zur Panik. Ich wiederhole das, weil ich glaube, dass es an dieser Stelle einer Wiederholung bedarf: Es ist kein Grund zur Panik. Aber dieser Antisemitismus, den viele Geflüchtete als Gefühl, mehr sogar denn als Überzeugung, mitbringen, ist etwas, das diskutiert werden muss. Es muss diskutiert werden, wie man in Schulen mit Kindern und Jugendlichen umgeht, denen der Hass auf Juden als Grundgefühl eingepflanzt wurde. Diskutiert werden darf es selbstverständlich nicht als Frage, ob das in irgendeiner Weise Grund für eine Aufnahmebegrenzung sein könnte – das darf es nicht; es geht darum, Menschenleben zu retten. Sondern als ruhig gestellte und mit dieser Ruhe auch diskutierten Frage: Wie gehen wir damit um?

Wie zum Beispiel passen wir unseren Lehrplan an, wie unterrichten wir die Themen Holocaust oder Geschichte des Antisemitismus? Müssen wir in den Übergangsklassen vielleicht mehr Wert auf multikulturelle Erziehung als auf die Fotosynthese legen? Was passiert – aus psychologischer Sicht – mit Kindern und Jugendlichen, die in der Schule möglicherweise einem anderen Menschen-/Religions-/Frauenbild begegnen als zu Hause. Wie helfen wir ihnen über ein mögliches Gefühl der Zerrissenheit hinweg? Wie beziehen wir ihre Eltern ein ­– über ein obligatorisches, multikulturelles, vom Elternbeirat organisiertes Frühstück hinweg, bei dem Hände so vorsichtig geschüttelt werden, dass die Vorurteile auf beiden Seiten noch mehr bestätigt werden, und Kinder ihre Augen beschämt zu Boden richten?

Wir müssen die großen Fragen diskutieren, und wir müssen sie in die Realität bringen, aus den theoretischen Texten und wohl gemeinten Podiumsdiskussionen ins Leben. Wie können wir zum Beispiel als Gesellschaft festgefahrenen Denkweisen begegnen? Das ist eine Frage, mit der man sozusagen auf beiden Seiten Fliegen fängt – das schiefe Bild sei mir verziehen –, weil sie, unabhängig von Herkunft, Religion und Kultur, ins Grundsein des Menschen eindringt.

Mit anderen Worten: Wie begegnen wir als Gesellschaft festgefahrenen Denkweisen? Denen, beispielsweise, dass Juden die Wurzel aller Übel seien, und denen, dass muslimischen Flüchtlinge alle Juden für die Wurzel aller Übel halten. Und wenn wir schon dabei sind, können wir vielleicht auch folgende festgefahrene Denkweise in Frage stellen, nämlich die, ob Juden mehr Steuern zahlen müssen als Nicht-Juden. Denn Juden wie Nicht-Juden und insbesondere Muslime hätten, wären wir diese Diskussion anders und früher angegangen, nicht soeben einen der wenigen Orte verloren, an denen man echt gute Falafel essen konnte.

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