Lesezeichen
 

Offshore-Wind: auf der Suche nach dem besten Lärmschutz

Es ist wohl das klassische Dilemma: Da baut Deutschland mit einem riesigen Aufwand Windanlagen auf hoher See, um seine Energieversorgung langfristig auf Ökostrom umzustellen. Auf der anderen Seite bedeutet das  Eingriffe ins Ökosystem Meer – bei denen allerdings die Fachwelt noch unsicher ist, wie gravierend sie sind. Klimaschutz versus Naturschutz: kein einfaches Unterfangen.

Der Schweinswal treibt da zurzeit heftig die Offshore-Branche um. Wie bekommt man es hin, dass er nicht langfristig vertrieben wird von den lauten Rammarbeiten am Meeresboden und auch nicht gleich taub wird. Am heutigen Donnerstag hat die Branche eine erste Bilanz der verschiedenen Schallschutzmethoden vorgestellt. Das Projekt kostete rund vier Millionen Euro.

Das Positive vorweg: Vom „Großen Blasenschleier“, bei dem ein Mantel aus Luftblasen die Schallwellen abfängt, bis zu Dämmschalen und Schlauchvorhängen: Alle Methoden sind wirksam und mindern den Lärm um im Schnitt neun Dezibel.

Das Problem ist nur, dass das nicht ausreicht, um den gesetzlichen Grenzwert von 160 Dezibel zu garantieren. Die Unternehmen und Institute formulieren es diplomatisch:

„Damit konnte eine deutliche Annäherung an den Schall-Emissionsgrenzwert von 160 Dezibel in 750 Meter Entfernung um die Schallquelle herum erreicht werden.“

Für die Offshore-Firmen ist das Thema nicht nur, salopp gesagt: pille palle. Wenn sie die Schallschutzgrenzen nicht einhalten, kann das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie im Ernstfall sogar den Bau des Windparks untersagen. Zudem bedeuten die Schallschutzmaßnahmen enorme Kosten für sie. Denn für jeden Pfahl, den sie in den Meeresboden rammen, müssen sie zurzeit mit gewaltigem Aufwand auch ein Schallkonzept entwickeln – und das ja parallel zu den normalen Bauarbeiten. Kein einfaches Unterfangen.

Noch ist unklar, welche Technologie sich langfristig durchsetzen wird. Zurzeit setzen die Firmen vor allem auf den Luftblasenschleier, er ist „state of the art“. Doch er hat ein Problem – und das liegt in der Natur der Sache: Die Luftblasen verwirbeln und verändern sich, je nach Windstärke und Wellengang. Das bedeutet also, dass weitere Forschung nötig ist.

Wissenschafler kritisieren da wohl zu recht, dass sie gerade bei der Offshore-Windenergie aktuell nicht ausreichend Zeit haben, die ökologischen Folgen zu analysieren und zu bewerten. Was passiert mit dem Meeresboden, wenn sich langfristig mehr als 5.000 Windanlagen zukünftig in der Nordsee drehen sollen? Welche Folgen hat das auf die Biodiversität, nimmt sie zu, nimmt sie ab? Und eben: Wie wird´s dem Schweinswal mit den Windrädern gehen? Die Energiewende, sie ist zumindest in Teilen wohl gerade eine Operation am offenen Herzen. Aber anders lässt sie sich wohl auch nicht realisieren.

 

Heilsamer Busch

Eine Pfückerin schneidet Jaborandi-Blätter ab.
Eine Pfückerin in Piauí schneidet Jaborandi-Blätter ab

In der Sprache der Indianer heißt Jaborandi, „was uns Sabbern macht“. Der Busch, der im Schatten der Wälder ausschließlich dreier brasilianischer Bundesstaaten wächst, hat kleine, dunkelgrüne, sehr feste Blättchen. Sie enthalten den Wirkstoff Pilocarpin, der zu Augentropfen gegen den Grünen Star verarbeitet wird. In Piauí wird der Busch höchstens hüfthoch, in Pará kann er bis zu zehn Meter hoch werden. In diesen beiden Bundesstaaten und in Maranhao organisiert die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Rahmen eines zweijährigen Projektes Jaborandi-Sammler zu Kooperativen. Diese Kooperativen verkaufen die Blätter an Centroflora, ein brasilianisches Unternehmen, das rund 400 verschiedene Pflanzenextrakte für die pharmazeutische und die Kosmetikindustrie herstellt. Centroflora verkauft das Pilocarbin dann an Boehringer-Ingelheim, das daraus ein Medikament herstellt.

Centroflora hat vor zehn Jahren die Pilocarpin-Fabrik gekauft, die das deutsche Pharmaunternehmen Merck 1972 in Parnáiba gebaut hatte. Merck produzierte die Jaborandi-Büsche auf einer Planatage selbst. Nach fünf Jahren endete die Lieferpflicht für die Fabrik, und Merck verlangte einen Einkaufspreis, der „zur Schließung der Fabrik geführt hätte“, sagt Werksleiter Michael Anderson. Also sah er sich nach neuen Bezugsquellen um. Dabei gab es zwei Probleme: Jaborandi wird auch noch von anderen Pharmaunternehmen in Brasilien für die Pilocarpin-Produktion genutzt. Es gab also eine relativ hohe Nachfrage. Deshalb wurden die Büsche immer stärker geplündert und oft mit Stumpf und Stiel ausgerissen. Jaborandi landete auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzenarten. Centroflora musste eine eigene Farm aufbauen. Es gibt sie inzwischen auch, und bei einem Ertrag von 3000 Kilogramm pro Jahr und Hektar ist sie auch erfolgreich. Aber die Firma hat einen Jahresbedarf von 250 Tonnen getrockneter Blätter, das sind 500 Tonnen frisch gepflückte. Michael Anderson sagt zudem: „In der Landwirtschaft beschäftigen wir nur wenige Leute.“ Inzwischen sammeln 1700 Sammlerfamilien die Blätter für das Unternehmen.

Centroflora ist mit seinen Produkten täglich mit der strengen aber nach Einschätzung selbst der Regierung wenig praktikablen Gesetzgebung zur Nutzung der genetischen Vielfalt und des traditionellen Wissens konfrontiert. Dabei geht es darum, die Vereinbarungen zum Zugang und gerechten  Vorteilsausgleich (ABS, Access and Benefit Sharing) unter der UN-Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt umzusetzen. Für Jaborandi hat Centroflora mit der Regierung eine Vereinbarung über die Nutzung der genetischen Ressourcen geschlossen. Und weil Jaborandi zwar seit Jahrhunderten als Heilpflanze bekannt war, die Anwendung gegen den Grünen Star aber von einem brasilianischen Arzt in Paris 1870 erst entdeckt worden ist, muss Centroflora keine Kompensation für die Nutzung traditionellen Wissens leisten. Doch weil diese Genehmigungen so schwer zu bekommen sind, ist es für Centroflora von Vorteil, die anderen politschen Ziele der brasilianischen Regierung zu beherzigen und zu versuchen, möglichst viele Menschen zu beschäftigen. Auch deshalb wollte Centroflora mit den Sammlergemeinschaften zusammenarbeiten.

Weil die Pflanze aber auf der Roten Liste steht, ist das Wildsammeln der Blätter verboten. Die  brasilianische Umweltbehörde muss jede Ernte genehmigen. Durch Vermittliung der GIZ hat sie das nun getan und damit die Sammler legalisiert. Die haben nun eine Schnitttechnik gelernt, die eine rasche Erholung der Pflanze ermöglicht. Zuvor war das Sammeln nicht nur deshalb illegal, weil die Pflanze unter Schutz steht. Eine Sammlergemeinde in Piauí hat dies auch auf Land getan, das ihr nicht gehörte. Das Dorf Cutias in der Region Territorio dos Cocais hatten die Landlosen irgendwann besetzt. Durch die Registrierung als nun offizielle Sammler ist seit zwei Jahren aus dem illegalen ein legales Dorf geworden, in das die Agrarreformbehörde INCRA, die damals 18 Familien nun offiziell angesiedelt hat.

Die Gesamtkosten des Projekts liegen bei rund 700 000 Euro, von denen das deutsche  Entwicklungsministerium 25 Prozent trägt. Den Rest der Kosten bringen die Unternehmen auf. Boehringer-Ingelheim zahlt 100 000 Euro, Centroflora trägt 450 000 Euro. Wenn die Kooperation mit der GIZ endet, müssen die Sammlerkooperativen auch weiterhin jedes Jahr Managementpläne für die  Bestandserhaltung von Jaborandi vorlegen, damit die Umweltbehörde ihre Ernte genehmigt. Dabei wird sie wohl auch in Zukunft eine Nichtregierungsorganisation unterstützen, die zu 40 Prozent von  Centroflora finanziert wird.

Michael Anderson strahlt, als er die selbstbewussten Frauen von der Sammlergemeinde über ihre Erfolge reden hört. Und auch Adrian von Treuenfels von Boehringer-Ingelheim ist sichtlich gerührt. Margarida Silva Oliveira, die Generalsekretärin der Sammlergemeinschaft, sagt: „Wir haben keine Angst. Wir sind mutig.“ Sie hätten erkannt, dass die Pflanze für sie weit wertvoller ist, als sie erwartet hätten, und „dass wir besser auf unsere Natur aufpassen müssen“. Denn die Zwischenhändler der Vergangenheit haben ihnen nicht nur verschwiegen, wofür die Pflanze gebraucht wird, sondern auch noch einen hohen Illegalitätszuschlag verlangt. Wenn die Sammler 3,50 Reais pro Kilo Jaborandi bekamen, blieben ihnen am Ende 60 Cent, der Zwischenhändler kassierte den Rest. Seit sie direkt an Centroflora verkaufen, verdient der zertifizierte Aufkäufer einen Reais und 3,50 Reais bleiben bei den Sammlern. Centroflora muss zehn Reais pro Kilogramm aufbringen, um die Ware der Sammler einzulagern. Von der Farm kostet die Ware nur zwei Reais.

Da die Pflanze nur drei Monate im Jahr geerntet werden darf, um ihren Bestand nicht zu gefährden, sammeln die Leute von Cutias in der restlichen Zeit Babassu-Nüsse. Diese Frucht einer Palmenart enthält einen ölreichen Kern, der sich zur Ölerzeugung nutzen und verkaufen lässt. Die Schicht direkt darüber wird zu einem Mehl verarbeitet, aus dem Babynahrung, Kuchen oder sogar Eiscreme werden kann. (Sie schmeckt süß aber nicht zu süß und hat eine sahnig-sämige Konsistenz.) Die Schalen wiederum haben einen hohen Brennwert und werden bisher zu Holzkohle gebrannt. Michael Anderson hat aber schon das nächste Projekt im Kopf: Er will in der Nähe von Cutias eine Fabrik aufbauen, die die Schalen zerkleinert und sie dann zu Bricketts verpresst. Denn noch muss dort täglich für drei Stunden ein Dieselgenerator angeworfen werden, um wichtige Produktionsprozesse am Laufen zu halten, wenn die Fabrik von fünf Uhr nachmittags bis zehn Uhr Abends abgeschaltet wird. Der Generator schluckt 30 Liter Diesel pro Stunde. Anderson würde den Diesel gerne durch die Babassu-Brickets ersetzen. Die Boiler für die Trocknungsanlage werden bereits mit Ölabfällen aus der Paranuss-Produktion betrieben.

Anderson weiß, dass das größte Risiko für seine Firma und die Sammlerfamilien „der Markt ist“. Er befürchtet einen Kostenwettbewerb um die Blätter und denkt ernsthaft darüber nach, mehr Blätter aus Sammlergemeinschaften aufzukaufen, als die Firma braucht, um die Ware dann als zertifizierte und legale Ware an die eigene Konkurrenz weiterzuverkaufen. Dabei erhofft sich Centroflora noch einmal Hilfe von der GIZ und der deutschen Regierung. Außerdem forscht das Unternehmen gemeinsam mit der Universität Piauí an neuen Einsatzfeldern für Pilocarpin. Und gegen zwei hässliche Tropenkrankheiten scheint der Wirkstoff auch zu helfen: gegen Leishmania (Elefantenfuß) und gegen Schistosomiasis. Beide Krankheiten werden durch Parasiten ausgelöst. Wenn die Tests gut verlaufen, will Centroflora sich um eine Medikamentenzulassung bemühen. Und warum der ganze Aufwand? Michael Anderson sagt: „Wir leben von der Natur – seit 50 Jahren.“ Reich wird man mit einer solchen Wirtschaftsweise übrigens nicht. „Das ist keine Cash-cow“, stellt Anderson klar. Aber wirtschaftlich betreiben, lässt sich eine Fabrik so schon. Ein grünes Geschäft eben.

 

Der Sieg der Kettensäge

Das neue Waldgesetz in Brasilien enthält eine Amnestie für die Zerstörung von Regenwald bis 2008. Foto: dpa

Das Timing ist geradezu unübertroffen. Im vergangenen Dezember hat der brasilianische Senat dem umstrittenen neuen Waldgesetz zugestimmt. Und in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hat das brasilianische Unterhaus das Waldgesetz, das ihn nun viel weniger schützen soll, nach einer hitzigen achtstündigen Debatte mit 274 zu 184 Stimmen gebilligt. Und das knapp zwei Monate vor dem UN-Gipfel Rio plus 20, bei dem es in Rio eigentlich darum gehen soll, wie das Weltwirtschaftssystem „grün“ werden und wie Entwicklung nachhaltig werden kann. Es ist der dritte Weltgipfel zu Umwelt und Entwicklung (20.-22. Juni 2012) – und Brasilien steht als Gastgeberland gerade besonders unter Beobachtung.

Mit ein paar Tricks kann Präsidentin Dilma Roussef das Inkrafttreten des Gesetzes noch über den Gipfel hinwegretten. Und am Freitag deutete sich auch schon an, dass sie diese Chancen nutzen wird. Mit einem Veto kann Roussef das Gesetz zumindest noch etwas aufhalten. Sie wird es aber vermutlich nur gegen die umstrittensten Teile des Gesetzes einlegen. Das gibt ihr aber die Chance, vor den rund 100 Staats- und Regierungschefs, die sich für den Rio-Gipfel angemeldet haben, vor allem die Erfolge der brasilianischen Klimapolitik zu preisen, die tatsächlich beachtlich sind. Wenn sie wieder abgereist sind, könnte der Kongress die Präsidentin dann in Sachen Waldgesetz überstimmen und der durchlöcherte Waldschutz danach Recht werden.

Schon im Dezember kündigte Roussef an, sie werde kein Gesetz unterzeichnen, das eine Amnestie für das illegale Abholzen von Regenwald enthalte. Die hat die Agrarlobby im Kongress aber durchgesetzt. Für Wälder, die bis Ende 2008 abgeholzt wurden, soll es keine Strafen mehr geben, die Waldzerstörung also nachträglich legalisiert werden. Der grüne Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe schreibt in einer Bewertung der Abstimmung, dass nach Angaben des brasilianischen Instituts für Weltraumforschung (Inpe) in allein 2012 eine Fläche von 388 Quadratkilometern Wald vernichtet wurde. Und weiter zitiert Hoppe die brasilianische Umweltministerin Izabella Teixeira: „Noch haben wir keine Erklärung für die Zunahme der Abholzung. Aber wir wissen, dass es Leute gibt, die glauben, dass sie am Ende amnestiert werden.“

Auf die Frage, ob er denn die Amnestie richtig fände, hat Eduardo Riedel, stellvertretender Vorsitzender des brasilianischen Landwirtschafts- und Viehzuchtverbands, bei einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung vor ein paar Wochen in Berlin, denn auch eher ausweichend geantwortet. Aber warum es die Parlamentarier in Brasilien womöglich gar nicht besonders kümmert, was die Welt von ihnen denkt, das konnte Riedel, der grundsolide und sympatisch ist, mit Zahlen gut erklären. Schließlich stehe knapp die Hälfte der gesamten Fläche Brasiliens unter Naturschutz. Allein die auf landwirtschaftlich genutzten Flächen vorgeschriebenen Schutzzonen nehmen nach Riedels Angaben elf Prozent der Landesfläche ein. Lediglich 27,7 Prozent der Landfläche werde für Ackerbau und Viehzucht genutzt. Gleichzeitig trägt die Landwirtschaft mit 20,2 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt Brasiliens bei. Das sind 2011 nach Riedels Angaben immerhin 481,8 Milliarden US-Dollar gewesen. Das ist eine Größe, an der Roussef kaum vorbeikommt. Auf die Kritik des Waldgesetzes lächelt Riedel freundlich und fragt: „Wie groß ist denn die deutsche Landfläche, die unter Naturschutz steht?“

Gute Frage. Und sie ist tatsächlich gar nicht so leicht zu beantworten. Denn in Deutschland gibt es wegen der langen Tradition des Naturschutzes sechs verschiedene Schutzniveaus. Eine Antwort auf Riedels Frage lautet also: 29,9 Prozent der Landesfläche in Deutschland sind Landschaftsschutzgebiete, die sich allerdings dadurch von brasilianischen Schutzgebieten unterscheiden, als in diesen Gebieten teilweise eine landwirtschaftliche Nutzung möglich ist. Streng geschützte Naturschutzgebiete bedecken in Deutschland nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz 3,3 Prozent der Landesfläche. Einen relativ strengen Schutz genießen die Flora-Fauna-Habitat-Gebiete und Vogelschutzgebiete, die immerhin rund 14 Prozent der Landesfläche einnehmen – darin sind die Naturschutzgebiete in weiten Teilen enthalten, und für diese Flächen gilt ein „Verschlechterungsverbot“. Aber es gibt auch noch eine andere Zahl, die Riedels Frage beantworten kann: 30 Prozent der deutschen Landesfläche sind mit Wald bedeckt. Darin gilt das deutsche Waldgesetz, das Kahlschläge verbietet.

Brasilien steht dann immer noch besser da. Aber mit dem neuen Waldgesetz könnte Brasilien in nicht allzu ferner Zukunft bei deutschenVerhältnissen ankommen. Und der brasilianische Regenwald ist wegen seiner Bedeutung für das Weltklima und seine Artenvielfalt dann doch nur schwer mit dem deutschen Forst vergleichbar. In Sachen Artenvielfalt ist Deutschland selbst bei bestem Naturschutz im Vergleich zum tropischen Regenwald eine Art Wüste. Die Artenvielfalt ist relativ gering. Umso wichtiger, dass nicht nur der grüne Thilo Hoppe sondern auch sein Kollege von der CSU, Christian Ruck, die brasilianische Präsidentin dringend zu einem Veto gegen das Waldgesetz aufgefordert haben. Denn sonst ist die Debatte darüber, wie die Erhaltung der Wälder im Vergleich zu deren Abholzung lukrativer gemacht werden kann – im UN-Jargon heißt das REDD (Reducing Emissions  from Deforestation and Degradation), schon bald relativ sinnlos.

 

Neuer Ölhafen in Russland stößt auf Widerstand

Ein Prestigeprojekt der russischen Regierung  in der Nähe von St. Petersburg zieht die Kritik deutscher Umweltschützer auf sich. Der neue Ölhafen Ust-Luga, der eigentlich Anfang April eröffnen soll, ist offenbar eine marode Baustelle: 17 Meter tiefe Löcher sollen seit vergangenem Sommer in dem Dock klaffen, berichtet das russische Magazin Kommersant Money. Reuters meldete im November gleich drei schwere Landrutsche am Kai. Auch eilig installierte Metallplatten, die das Dock stabilisieren sollen, entpuppen sich als schlechtes Provisorium. Das Terminal soll eine Kapazität von rund 20 Millionen Tonnen Öl haben (das entspricht etwa dem Jahresumschlag an der NWO-Löschbrücke in Wilhelmshaven).

Der Naturschutzbund und die Grünen warnen inzwischen davor, den Ölhafen in Betrieb zu nehmen, und fordern die Bundesregierung zum Handeln auf. „Es droht eine Ölkatastrophe großen Ausmaßes“, sagt die Grünen-Abgeordnete Valerie Wilms. Der neue Ölhafen sei eine Gefahr für die Ostsee und alle Anrainerstaaten. Wilms kritisiert, dass es keine Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben habe, obwohl das Umweltsekretariat der Ostsee-Anrainerstaaten (Helcom), dem auch Russland angehört, diese vorsieht. Bei einem Ölunfall an der russischen Ostseeküste seien schnell auch andere Länder betroffen. Deutschland habe eine besondere Verantwortung, schließlich habe man das Terminal mitfinanziert.

Auch wenn die Reparaturarbeiten laut Kommersant mindestens 30 Millionen US-Dollar plus zusätzlich 100 Millionen für Bohrungen kosten könnten: Der staatliche Betreiber und Besitzer, u.a. Rosneftbunker, meint es offenbar ernst. Für Russland ist das neue Terminal geopolitisch wichtig, schließlich ist es der Endpunkt der Baltic-Pipeline-2. Das Terminal ermöglicht es Russland, Öl nach Europa zu liefern, ohne es durch weißrussische Pipelines pumpen zu müssen.  Reuters meldet, dass Anfang April die ersten Öltanker anlegen sollen. Das Magazin Kommersant vermutet allerdings auch, dass dies nur Show sein könnte – zu groß seien die Probleme, zu sehr drängten die Reparaturarbeiten.

 

Regenwald: Brasilien plant Amnestie für illegalen Einschlag

Illegal brandgerodete Waldfläche in Brasilien (2009), Copyright: Antonio Scorza/AFP/Getty Images
Illegal brandgerodete Waldfläche in Brasilien (2009), Copyright: Antonio Scorza/AFP/Getty Images

Brasilien will den Schutz des Regenwalds dramatisch lockern. Zurzeit plant die Regierung ein Waldgesetz, das den illegalen Einschlag von Waldflächen, der bis zum Jahr 2008 getätigt wurde, legalisiert. Nach Schätzungen des WWF würde das bedeuten, dass die Agrarindustrie – und insbesondere die Viehwirtschaft – von der Pflicht befreit würde, 44 Millionen Hektar illegal eingeschlagenen Wald wieder aufzuforsten. Schaut man sich die gesamten Pläne an, dann steht nach WWF-Angaben eine Regenwald-Fläche so groß wie Deutschland, Österreich und Italien auf dem Spiel. Würde sie abgeholzt, würden die dadurch entstehenden Kohlendioxid-Emissionen das Weltklima mit 28 Milliarden Tonnen belasten. Zum Vergleich: Deutschland emittierte laut Umweltbundesamt im Jahr 2010 rund 830 Millionen Tonnen CO2.

Zurzeit hängt das Gesetz (Codigo Florestal) im Unterhaus. Der Senat hat eine Fassung verabschiedet, das Unterhaus hat seine Entscheidung darüber bereits zwei Mal verschoben. Die Hängepartie hat schon jetzt Folgen, Dokumentationen zeigten, dass der illegale Einschlag bereits wieder zunehme, so die Frankfurter Rundschau. Bei einer Veranstaltung in Berlin vergangenen Freitag sagte Cicero Lucena, erster Sekretär im brasilianischen Senat, er ginge davon aus, dass das Gesetz bis Juni verabschiedet sei.

Es ist ein wirklich pikantes, wenn nicht skandalöses Timing. Denn Mitte Juni wird sich die Welt in Brasilien zur großen „Rio+20“ Konferenz treffen. Auch wenn der Titel verdammt sperrig ist: Es wird der Weltgipfel zum Schutz von Klima und Umwelt sein. Nicht weniger als ein „Ergrünen“ der Volkswirtschaften ist geplant, sie sollen sich zu nachhaltigem Wachstum bekennen. Vor genau 20 Jahren trafen sich schon einmal die Regierungschefs in Rio de Janeiro. Damals legten sie die Fundamente für die Klimarahmenkonvention, zur Konvention zur Biologischen Vielfalt und zur Wüstenbekämpfung.

Und Brasilien hat in den vergangenen Jahren zum Teil mächtige Fortschritte gemacht. Das bisherige Waldgesetz ist in Abschnitten hochgelobt. Wer etwa Privatland im Amazonas besitzt, darf nur 20 Prozent nutzen, der Rest bleibt unberührt (die Novelle sieht nun eine Erhöhung der Nutzfläche auf 50 Prozent vor). Brasilien hat sogar ambitioniertere Klimaschutzziele als manch anderer Staat, auf dem Gipfel in Kopenhagen sagte das Land eine CO2-Reduktion um 40 Prozent bis 2020 zu.

Und nun ein solches Gesetz – gerade wenn die Weltgemeinschaft sich in Rio versammelt, um über umweltverträgliches Wirtschaften zu streiten. „Dieses Gesetz ist unwürdig für ein Land, das vom Status eines Schwellenlands aufsteigen und international Verantwortung übernehmen will“, sagt Roberto Maldonado vom WWF.

 

Rohstoffhunger: Land Grabbing nimmt weltweit zu

Kohlemine in Jharia/Indien, Februar 2012. Copyright: Daniel Berehulak /Getty Images
Kohlemine in Jharia/Indien, Februar 2012. Mehr als 2300 Familien wurde für die Mine umgesiedelt. Ihnen seien Schulen und Krankenhäusern zugesagt worden, bislang sei aber nichts passiert, sagen die Anwohner. Copyright: Daniel Berehulak /Getty Images

Wenn ich das Thema Land Grabbing höre (was sich wohl am besten mit unerlaubter Landnahme übersetzen lässt), denke ich ja erst einmal an südamerikanische Bauern, die für riesige Sojaplantagen weichen mussten. Oder an Afrika, wo Menschen für neue Kohleminen vertrieben werden. Im kolumbianischen Amazonasgebiet wird nach Gold geschürft, in Indien nach Kohle und Bauxit. Alles weit weg. Heute morgen kam mir nun ein Report von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen unter: Opening Pandoras Box – The New Wave of Land Grabbing by the Extractive Industries and the Devasting Impact on Earth.

Die Gaia Foundation, eine NGO aus London, die unter anderem von der indischen Menschenrechtlerin Vandana Shiva unterstützt wird, macht darin deutlich, dass Land Grabbing schon lange nicht mehr ein Phänomen nur in ärmeren Staaten ist. Ob Mountain Top Removal in den USA, die riesigen Mondlandschaften des Teersand-Abbaus in Kanada, das Fracking in Europa: Die Suche nach Rohstoffen findet inzwischen direkt vor unserer Haustür statt – mit dramatischen Folgen für die betroffenen Menschen, für Umwelt, Wasser und Klima.

„We are no longer talking about isolated pockets of destruction and pollution. Nowadays, chances are that, no matter where you live on Earth, land acquisitions for mining, oil and gas might soon be at your door. This trend is now a major driver of land grabbing globally, and poses a significant threat to the world’s indigenous communities, farmers and local food production systems, as well as to precious water, forests, biodiversity, critical ecosystems and climate change.“

Es sind vor allem die steigenden Rohstoffpreise, die diese Entwicklung befeuern. Dahinter steckt einfach die steigende Nachfrage nach entsprechenden Produkten. Das zeigen vor allem auch die zahlreichen, auch deutschen Initiativen zur Sicherung von Rohstoffen, die Regierungen weltweit auflegen. Erst gestern stellte die Bundesregierung ja auch ein Ressourceneffizienzprogramm vor, um effizienter mit Rohstoffen umzugehen.

Der weltweite Trend allerdings geht zurzeit noch in eine andere Richtung. Die weltweite Eisenerz-Produktion wurde, so die Studie, in den vergangenen zehn Jahren um 180 Prozent gesteigert. Gerade die Nachfrage nach den Seltenen Erden –  die ja auch für die grünen Technologien wie Solarzellen und Windräder so wichtig sind – hat zugenommen (spannend das Kapitel Green Energy dazu in der Studie ab Seite 45).

Ganz einmal abgesehen von den Menschenrechtsverletzungen, die durch den Rohstoffabbau stattfinden: Die weltweite Branche hat ein riesiges Abfallproblem. Jährlich würden, so das Mining Journal, rund 50 Milliarden Tonnen Erde beim Abbau von Eisenerz, Kohle, Industriemetallen und anderen Rohstoffen bewegt (Seite 34). 21 Milliarden Tonnen, also knapp die Hälfte, fallen einfach als Abraum an – ungenutzt.

Was also tun? Die Studienmacher fordern ein Globales Moratorium für neue Abbauprojekte. Minen, die bereits in Betrieb sind, sollten auf ihre Umweltauswirkungen untersucht werden. Es sollte No-Go-Areas geben, wo der Rohstoffabbau tabu ist, darunter etwa alle UNESCO-Schutzgebiete. Und es sollte ein Veto-Recht für die lokale Bevölkerung bei Abbauplänen geben.

 

Kinderbücher lassen die Natur außen vor

Copyright: Alexandra Beier/Getty Images
Copyright: Alexandra Beier/Getty Images

Das aktuelle Lieblingsbuch meiner jüngsten Tochter heißt gerade „Wilde Tiere“ und erzählt alles über Löwen, Affen, Eletanten (und gefährlichen Wellensichttichen, huhuhu). Nun gut, es ist vor allem angesagt, weil sie auf jeder Seite ein Knöpfchen drücken kann und dann der große Löwe brüllt – im kinderkompatiblen, zärtlichen Tonfall.

Glaubt man einer neuen Studie aus den USA, dann sind solche Kinderbücher allerdings immer seltener. Der Umweltsoziologe J. Allen Williams von der Universität Nebraska hat rund 300 Kinderbilderbücher aus den Jahren 1938 bis 2008 ausgewertet, die jedes Jahr den wichtigsten Kinderbücherpreis, die Caldecott Medal, gewonnen haben – also auch in den Buchläden Bestseller sind. Mehr als 8000 Zeichnungen haben die Wissenschaftler analysiert.

Ergebnis: Natur und die natürliche Umgebung sind in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr in den Hintergrund gerückt – und das entspricht wohl dem allgemeinen Trend, weniger Kontakt zur Natur zu haben.

Williams unterscheidet drei Umgebungen: Wilde Natur, also Dschungel oder Wald. Dann von Menschen errichtete Umgebung (Städte, Häuser, Innenräume) und eine Mischform: das Maisfeld oder der gemähte Rasen – ist ja schließlich auch Natur, nur eben vom Menschen verändert.

Während sich bis in die 60er Jahre Natur und Stadt ungefähr fifty-fifty verteilten, klafft seitdem eine Lücke auf: Der Anteil von Geschichten, die in der Natur spielen, nimmt ab, stattdessen spielen die Geschichten nun in Häusern, in der Stadt.

„What we find in these books, however, is not a consistent proportional balance of built and natural environments, but a significant and steady increase of built environments, both by mere presence and as the major environment. Natural environments have all but disappeared.“

Was sagt das aus? Natürlich spiegelt es erst einmal nur eine allgemeine Entwicklung wieder, der Großteil der Amerikaner lebt eben inzwischen in Städten. Aber Wiliams warnt. Der Umweltgedanke und eine Wertschätzung der Natur würden so schon im Kindesalter an Bedeutung verlieren:

„(…) it does suggest that the current generation of young children listening to the stories and looking at the images in children’s books are not being socialized, at least through this source, toward greater understanding and appreciation of the natural world and the place of humans within it.“ (…)

„I am concerned that this lack of contact may result in caring less about the natural world, less empathy for what is happening to other species and less understanding of many significant environmental problems.“

 

 

Fracking in zwei Jahren ohne Gift – na, mal schauen…

Der Vorstandsvorsitzende von ExxonMobil Central Europe, Gernot Kalkoffen, hat am Dienstag der Neuen Osnabrücker Zeitung ein bemerkenswertes Interview gegeben. Dabei geht es um das die Förderung von Schiefergas per Fracking. Fracking ist ja eine umstrittenen Fördermethode, bei der unter hohem Druck Wasser, Sand und Chemikalien ins Erdreich gepresst werden, um Erdgas zu fördern. Gerade in Niedersachsen und NRW wird dieses Verfahren unter heftigen Bürgerprotesten angewandt. Die Menschen vor Ort fürchten vor allem um ihr sauberes Trinkwasser.

Kalkoffen sagt nun in dem Interview Folgendes:

„Wir haben in den letzten zwei Jahren trotzdem die giftigen Komponenten, die wir gegebenenfalls einsetzen, von sieben auf vier reduziert. Unser Ziel ist, in spätestens zwei Jahren auf alle giftigen Chemikalien zu verzichten. Dafür prüfen wir zum Beispiel den Einsatz von UV-Licht. Schon jetzt versuchen wir, die einzelnen Mengen so gering wie möglich zu halten.

Erstaunlich, dass gerade ein Vorstand so frei von „giftigen Chemikalien“ spricht, die da im Einsatz sind, oder? Die Grünen sind natürlich prompt darauf eingestiegen und fordern entsprechend ein zweijähriges Fracking-Moratorium für Deutschland, bis eine giftfreie Förderung möglich sei. Das wird Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, der ja für die (un)konventionellen Energien zuständig ist,  sicherlich begeistern: noch ein wunderbares Konfliktthema mit seinem Kabinettskollegen, Bundesumweltminister Norbert Röttgen.

Einmal ganz davon abgesehen, wie viele Bürgerinitiativen sich inzwischen in Deutschland gegen Fracking aussprechen: Auch international sorgt das Thema bei Umweltschützern für Proteste. In den USA machte ja 2010 der für den Oskar nominierte Film Gasland das Thema publik. Filmemacher Josh Fox zeigt darin die Umweltfolgen des Fracking-Hypes in den USA. Höhepunkt ist die Szene, in der ein Mann seinen Wasserhahn in der Küche aufdreht, ein Feuerzeug daran hält und eine riesige Flamme sich entzündet.

Die jüngsten Entwicklungen in den USA zeigen, wie viel Konfliktpotenzial in dem Thema Fracking noch steckt. Am Mittwoch wurde Filmregisseur Fox  verhaftet, als er im Kongress eine Anhörung  filmen wollte. Dort präsentierte die Umweltbehörde EPA den Entwurf eines Reports, der ausführlich die Gefahren des Fracking für das Trinkwasser analysiert.

Mal schauen, wie es in Deutschland weitergeht. Was aus der Ankündigung von Herrn Kalkoffen wird – ich lege mir das einmal auf Wiedervorlage in 2014. Auf jeden Fall bedarf es, wie schon bei der Energiewende, einer besseren Beteiligung und Aufklärung der Bürger. Das stellt sogar eine Studie fest, welche die  EU-Kommission vergangenen Freitag in  Brüssel präsentierte:

„An important aspect is public participation, since the exploration of shale gas raises significant concerns, especially in the field of environment. Our main finding is that public participation is rather limited.“ (S. 98, Final Report on Unconventional Gas in Europe)

 

UN-Umweltorganisation empfiehlt tatsächlich Tiefsee-Bohrungen

Ich muss gestehen: Ich ahnte nichts Böses. Die Pressemitteilung der Umweltschutzorganisation der Vereinten Nationen (Unep) klingt ja wirklich ganz passend für mein Blog: „Green Investments in the Marine Sector Can Bring a Tide of Economic and Social Benefits„, oder?

40 Prozent der Weltbevölkerung leben demnach maximal 100 Kilometer vom Meer entfernt. Die Ozeane bilden für sie, gerade in ärmeren Ländern und den kleinen Inselstaaten, die Lebensgrundlage.

Doch immer öfter ist diese in Gefahr. Jetzt geht es nicht nur um die Klassiker, um Überfischung und Übersäuerung der Weltmeere. Sondern auch um zerstörte Mangrovenwälder und Korallenriffe. Die Studie Green Economy in a Blue World will daher zeigen, wie sich beides verbinden lässt: Meeresschutz und grünes Wachstum.

„Oceans are a key pillar for many countries in their development and fight to tackle poverty, but the wide range of ecosystem services, including food security and climate regulation, provided by marine and coastal environments are today under unprecedented pressure“, said UN Under-Secretary-General and UNEP Executive Director Achim Steiner. „Stepping up green investments in marine and coastal resources and enhancing international co-operation in managing these trans-boundary ecosystems are essential if a transition to low-carbon, resource efficient Green Economy is to be realized.“

Sechs Wirtschaftssektoren schlagen die Autoren vor, um grünes Wachstum anzukurbeln, darunter ökologische Aquakulturen (naa, schon ein bisschen pikant), der Ausbau erneuerbarer Energien und grüner Tourismus an der Küste.

Stutzig machte mich allerdings der letzte Punkt: „Deep See Minerals“. Die Unep empfiehlt die Ausbeutung der Tiefsee, um gerade Entwicklungsländern die Chance zu geben, ihre Wachstumsziele zu erreichen. In der Pressemitteilung wird Peter Prokosch zitiert, der ehemalige WWF-Geschäftsführer in Deutschland und heutige Leiter der Umweltdatenbank des Unep:

„Mining of minerals in the deep-sea provides a unique opportunity for developing countries towards reaching their development goals. Operating in a largely unknown natural environment, it may put additional pressure on already stressed marine ecosystems. However, it can relieve some of the burdens of mining in the terrestrial environment. Careful and responsible planning of deep-sea minerals mining needs to apply the Precautionary Principle, and consider the other sectors and in particular future generations.“

Nun muss man dem UNEP bzw. Herrn Prokosch zugutehalten: Er warnt vor den Eingriffen in die Tiefsee und fordert ein Vorgehen nach einem umfassenden Vorsorgeprinzip. Trotzdem war ich heute Abend erst einmal baff. Was soll diese Forderung? Gibt es nicht in den anderen fünf Sektoren erst einmal ausreichend Entwicklungspotenzial? Eine solch unbekannte Region wie die Tiefsee sollte meiner Meinung nach erst einmal der Wissenschaft exklusiv vorbehalten sein. Erst einmal sollten wir doch Erkenntnisse gewinnen, was dort unten los ist, bevor wir das Terrain gleich zur Plünderung frei geben. Zumal die Folgen dieser Eingriffe ja vollkommen unbekannt sind. Und welche Konsequenzen missglückte Eingriffe haben, hat das BP/Deep Water Horizon-Unglück im Golf von Mexiko ausreichend gezeigt.

 

Offshore-Windräder noch keine Todesmühlen für Vögel

Gestern hat ja das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (das ist die Genehmigungsbehörde für Offshore-Windparks) seine Jahresbilanz 2011 vorgelegt. Spannend waren da nicht nur die Zahlen, wie schnell der Offshore-Ausbau vorankommt. Sondern auch die Zahlen zu den Umweltauswirkungen der Windanlagen auf hoher See.

In der Nordsee drehen sich ja zurzeit 27 Windräder. Wie reagieren die Tiere auf diese neue Fremdkörper? Das BSH schreibt:

In den Untersuchungen zeigt sich die Tendenz einer starken Ansiedlung von Bodenlebewesen wie Schnecken, Krebse, Würmer, Muscheln und Seesternen im Bereich der Anlagenfundamente und – in Folge – vieler Fische. Die Zahl der Todfunde von Zugvögeln ist sehr gering. Vogelschlag kann gehäuft nur eintreten, wenn für die Vögel während des Zugs überraschend Sturm oder Nebel auftreten.“

Konkret heißt das: Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren 100 tote Vögel registriert. Im Offshore-Windpark Bard Offshore 1 waren es seit Mitte 2010 fünf tote Vögel.

Nun könnte man sagen: Na, klar: Die meisten toten Vögel sind einfach ins Wasser gefallen und wurden nie gefunden. Das mag sein. Aber das trifft auch für die Vögel zu, die an anderen Hindernissen wie Ölplattformen und  Containerschiffen verenden.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace wertet die Zahlen auf jeden Fall positiv: „Wir sehen uns bestätigt, dass Offshore-Wind sehr wohl umweltverträglich gemacht werden kann“, sagt Energieexperte Sven Teske.

Natürlich muss man aber abwarten, wie die Bilanz sein wird, wenn sich tausende Windräder in der Nordsee drehen werden, so, wie es die Bundesregierung vorsieht.

Eine der heiklen Phasen für die Tierwelt ist die Rammphase, wenn die riesigen Türme in den Meeresboden gerammt werden müssen. Die Sorge gilt hier vor allem den Schweinswalen, die von dem Lärm vertrieben werden. Allerdings zeigt die BSH-Bilanz, dass Schweinswale nach Abschluss der Arbeiten wieder ins Revier zurückkehren:

„Die Ergebnisse der Schweinswalforschung weisen darauf hin, dass das alpha ventus- Gebiet nach wie vor von Schweinswalen aufgesucht wird. 2011 ist es bei der Errichtung von Borkum West II erstmals gelungen, bei Rammarbeiten deutlich unter der Schallgrenze von 160 Dezibel in einer Entfernung von 750 Metern zu bleiben. Dazu werden beispielsweise große Blasenschleier verwendet. Das BSH hat diese Schallgrenze zum Schutz von Meeressäugern verbindlich in seinen Genehmigungen festgelegt.“

Allerdings muss man sagen, dass den Tieren da einiges zugemutet wird. Ich habe eine Runde recherchiert und 160 Dezibel entspricht laut Umweltbundesamt dem Lärm eines Düsenjägers in sieben Metern Entfernung. Hoppla. Noch ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, dass die Konstrukteure der Windparks die leiseste Rammart, die verfügbar ist, anwenden müssen. Es gibt nur diese 160 Dezibel-Obergrenze – und diese wurde auch überschritten, wie Spiegel Online bereits schrieb.  

Die Lärmbelastung lässt sich mindern, etwa mit so genannten Luftblasenschleiern unter Wasser. Das ist natürlich technisch aufwändig und teuer – darf aber keine Ausrede sein, den Tierschutz zu unterlassen.