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54Stories

Mit 54 Stories gründeten der Literaturblogger Tilman Winterling und die Autorin Saskia Trebing (Foto) im Dezember 2014 eine Literaturplattform, auf der Autoren Prosa und Lyrik publizieren können. Autoren wie Nora Bossong, Benjamin Maack oder Karen Köhler sind darauf zu finden. Ab Dezember gibt es auf der Webseite zudem noch einen literarischen Adventskalender: Jeden Tag wird eine neue Geschichte freigeschaltet. Moderiert von Tilman Winterling lesen im Nochtspeicher fünf der 54 namensgebenden Autoren, nämlich Stefan Beuse, Jonis Hartmann, Benjamin Maack, Marcella Melien und Charlotte Silbermann, aus ihren Werken vor. Gemütliche Vorweihnachtsstimmung inklusive.

Text: Natalia Sadovnik

 

Ibeyi

Die Erste setzt ein – mit gefühlvoller Stimme, bei der man sich direkt geborgen fühlt. Dann setzt die zweite Stimme ein und jetzt kann sich unsereins kaum entscheiden, welche die schönere, echtere ist. Muss man auch nicht, die naturschönen Zwillinge Lisa-Kaindé und Naomi Díaz aka Ibeyi sind ziemlich sicher unzertrennlich. Die halbkubanischen Schwestern aus Frankreich sind zwar erst Anfang zwanzig, singen aber mit so spiritueller alter Seele, dass sich jede 50-Jährige noch etwas von der weiblichen, gütigen Ausstrahlung abgucken könnte. Ihre Musik ist beeinflusst von Jazz und Soul, Synthies, rituellen Gesängen und der Kultur der Yoruba, die mit dem Sklavenhandel auch nach Kuba kam. Ibeyi kommt aus der Sprache des westafrikanischen Volkes und bedeutet Zwilling. Ihr Album trägt den gleichen Namen und das stellen sie am Mittwoch, supportet von Gwilym Gold, live im Mojo vor.

Text: Andra Wöllert

 

Embassy of Hope

Der Alltag in so einer Erstaufnahmestelle für Geflohene ist dröge, viele Bewohner sind unterfordert. Das Essen wird nur zu einer bestimmten Zeit gereicht, genauso wie Hygieneartikel oder Kleidungsstücke. Sonst passiert wenig, man teilt das Leben auf kleinstem Raum, Privatsphäre ist eine Seltenheit. Jede Beschäftigung ist da eine Abwechslung und wenn es sich dabei noch um Kunst und Musik handelt, dann sicherlich eine mehr als willkommene.

Die Embassy of Hope zeigt jetzt im Thalia in der Gaußstraße, was dabei Wundervolles herauskommen kann: In einer Einrichtung in der Schnackenburgallee entstanden bei zwei Kunstprojekten, eines davon nur mit Kindern, Collagen und andere Kunstwerke, die am Abend ausgestellt werden. Die Gruppe United Friends Hamburg initiierte hingegen ein Musikprogramm, gestaltet von Musikern aus verschiedenen Unterkünften. Eine Band aus Eritrea, je ein Sänger aus Syrien, Afghanistan und dem Iran und eine syrische Tanzgruppe werden live im Ballsaal auftreten.

Kulinarisches gibt’s auch – und eine Party im Anschluss mit DJ Mune_Ra & Mr. Tschu, die Hip-Hop, Jazz, Native Tongue, Boom-Bap, Afrobeat und Worldmusic spielen. Die Hälfte der Gäste sind übrigens selbst Flüchtlinge, die Tickets zu dem Event geschenkt bekommen haben.

Text: Andra Wöllert

 

Suzanne von Borzody liest Elke Heidenreich

Die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte arbeitet seit fast drei Jahrzehnten daran, Menschen zu helfen, die von ihrer eigenen Regierung wegen ihres Einsatzes für Freiheit und Menschenrechte unter Druck gesetzt werden und deshalb oft sogar in Lebensgefahr sind. Sihem Bensedrine ist so ein Fall. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern der tunesischen Menschenrechtsliga und damit zum Quartett des nationalen Dialogs. Die Stiftung konnte sie vor 13 Jahren rechtzeitig vor den Häschern des Diktators Ben Ali retten und mit Familie nach Hamburg holen. Ihr Leben nahm eine gute Wendung.

Das Quartett wurde vor Kurzem mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet und Bensedrine wurde vor einem Jahr vom Parlament in Tunis zur Präsidentin der Wahrheitskommission gewählt. Spätestens solche Fälle sind es, die uns die Wichtigkeit der Arbeit der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte deutlich machen. Zur Weihnachtszeit bittet sie uns nun um eine kleine Spende, die Gegenleistung aber kann sich sehen lassen: Schauspielerin Suzanne von Borzody liest Elke Heidenreichs weihnachtliche Geschichte Erika oder Der verborgende Sinn des Lebens. Bei reger Teilnahme ergeben die Einnahmen ein halbes Jahresstipendium eines politisch Verfolgten. Kommt also zahlreich.

Text: Andra Wöllert

 

Katzenjammer

Das Quartett Katzenjammer ist das wichtigste Aushängeschild des kleinen, über einem innerstädtischen Wasserfall des Flusses Akerselva in Oslo thronenden Labels Propeller Records. Mit Rockland, dem Anfang des Jahres erschienenen dritten Album der norwegischen Band, feilen die vier Multiinstrumentalistinnen weiter an ihrer für alle Beteiligten unerwarteten Erfolgsgeschichte – und zeigen sich obendrein wandlungsfähiger denn je. Für einige Songs zog es Anne Marit Bergheim gar ins ferne Nashville: Skandinavischer Folk trifft sonnengereiften Country-Rock. So geht Girl Group 2.0! Der Katzenjammer-Sound ist genauso reich an süßen Melodien wie an starken Gitarren und guten Geschichten. Live in der Alsterdorfer Sporthalle eine besonders schmissige Angelegenheit!

Text: Friedrich Reip

 

Yachtclub Märchenstunde

„Am Beispiel des Essens können Sie die ganze Welt erzählen“, sagt Stevan Paul. „Ein wunderbarer Spiegel unserer Gesellschaft ist die Art und Weise, wie gegessen und gekocht wird. Damit können Sie so ziemlich alles erzählen.“ In seinem aktuellen Buch Heute koch ich, morgen brat ich erzählt er Märchen, eine modernisierte Fassung von Grimms Märchen, um es genau zu sagen. Die hat er umgeschrieben, weil die Originale – wie er sagt – nicht nur furztrocken geschrieben sind, sondern auch außer Brot und Brei nicht viel Kulinarisches zu bieten haben. Deshalb hat Paul die Geschichten ein bisschen weitergesponnen und um ein paar Tafelszenen und Rezepte ergänzt, zum Beispiel Räubereintopf, Kesselgulasch oder Rotweinküchlein. Bei seiner Lesung im Nochtspeicher wird er sicherlich einiges davon zum Besten geben.

 

„Da ist ein Riss in der Welt“

In ihrem neuen Buch erzählt die Hamburger Autorin Ina Bruchlos 18 Geschichten aus dem Bruchlos-Universum. Erzählungen, die sich um Alltägliches drehen, um die Familie, um Freunde und Arbeitskollegen, um die Heimat – nur dass sie sich nicht heimisch fühlt, nicht wirklich zu Hause ist, denn sie nimmt die Perspektive einer Besucherin ein, einer Fremden, die alles infrage stellt, weil sie nichts von den unausgesprochenen Regeln und ungeschriebenen Gesetzen weiß, die das Leben der anderen bestimmen. Auf diese Weise werde, so schreibt Minimal Trash Art treffend in einer Rezension, „das Übliche zum Absurden, das von allen Erwartete zur Überraschung, das Selbstverständliche zur Irritation“. Im Literaturzentrum im Literaturhaus Hamburg liest Ina Bruchlos mit dem bekannten humorigen Unterton, diesmal ergänzt um eine melancholische Note.

 

Förderpreis Literatur

Die Hamburger Kulturbehörde verteilt gerade Stipendien, was das Zeug hält. Neben bildenden Künstlern, die zeitgleich ab Montag auch im Kunsthaus ausgestellt werden, zeichnet die Stadt auch AutorInnen sowie ÜbersetzerInnen aus. Und der Plan geht auf, schreibt zumindest das Literaturhaus, wo die Verleihung am Montagabend stattfindet. „Nicht zuletzt die seit über einem Vierteljahrhundert gleichsam ehern festgelegten Abläufe sowie die strengen Juryverfahren haben dafür gesorgt, dass die Förderpreise zu einer Erfolgsgeschichte wurden. Mehrere Förderpreisträger und noch mehr: Förderpreisträgerinnen allein aus den vergangenen Jahrgängen haben begeisterte Kritiken erhalten und große Publikumserfolge erzielt. Das war nicht immer so in Hamburg. Wir freuen uns sehr über die Entwicklung der Hamburger literarischen Landschaft“, heißt es auf dessen Webseite. Jetzt wird also der neue Schwung Talente mit Stipendien geehrt. Drei Übersetzerinnen und sechs Autoren erhalten je einen Förderpreis. Ehrt ihr sie auch, indem ihr sie vor Ort bejubelt!

Text: Andra Wöllert

 

Top 20

Wer allein von seiner Kunst lebt, ist doch eher eine Ausnahme in der Branche und wird von vielen als Glückspilz angesehen. Die meisten Künstler brauchen Nebenjobs oder nutzen alle Angebote der Förderung durch Stiftungen und Co. Alljährlich vergibt auch die Hamburger Kulturbehörde zehn Arbeitsstipendien an bildende Künstler. Die Arbeiten der 20 Bewerber, die in die aktuelle Endauswahl gekommen sind, werden ab Montagabend im Kunsthaus gezeigt. Suse Bauer mit ihren konstruktivistisch anmutenden Arbeiten ist dabei, Simon Hehemanns Materialexperimente sind zu sehen, die somnambulen Menschenbilder von Malgorzata Neubart und auch die beziehungsreichen Installationen von Antje Feger und Benjamin F. Stumpf. Bis zum 3. Januar werden die Werke ausgestellt.

Text: Sabine Danek

 

Si-o-se Pol – Die letzten Tage des Parvis K.

Was hat jemand, der nichts besitzt außer den schäbigen Klamotten, die er am Leib trägt, schon zu geben? Viel. Sehr viel. Unbezahlbares: Mitgefühl, Kraft, ein offenes Ohr. Hoffnung. So auch Parvis Karimpour. Der todkranke Mann reist mit Schleppern vom Iran nach Spanien, um dort seine Tochter zu suchen und sich mit ihr auszusöhnen. Auch sie ist geflohen, ihr letztes Lebenszeichen ist eine vor zehn Jahren in Madrid abgeschickte Postkarte.

Parvis erreicht die spanische Hauptstadt – ohne Papiere, erschöpft und völlig mittellos. Er trifft auf andere Exilanten. Sie unterstützen Parvis bei der Suche nach seiner Tochter – und bekommen ihre Hilfe reichlich belohnt: Parvis gibt ihnen neuen Lebensmut. Dem Hamburger Regisseur Henrik Peschel ist mit Si-o-se Pol – Die letzten Tage des Parvis K. ein eindringlicher, Hoffnung spendender und mittlerweile mehrfach preisgekrönter Film gelungen.

Nicht nur Peschel, auch die drei Hauptdarsteller leben in Hamburg: Pheline Roggan, bekannt aus Soul Kitchen, Christian Concilio (Rubbeldiekatz, Tatort) und der herausragende Ramin Yazdani, der tatsächlich im Iran geboren wurde. Und am Montag sind sie alle bei der Premiere im Abaton.

Text: Maike Schade