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Bill Callahan

Der charmante Weirdo, der seine Platten früher unter dem Namen Smog veröffentlichte, gastiert zur Präsentation seines neuen Solo-Albums im Mojo Club.

Aus verschiedenen amerikanischen Songwriting-Traditionen von Country über Folk zu Soul und Rock ’n’ Roll schöpft Bill Callahan Inspiration. Die Songs des US-Musikers, dessen eindringlich-geistesabwesender Bariton schon Faszinosum genug ist, sind auch auf seinem aktuellen Album Dream River wunder- und sonderbare Erzählskizzen. Mit tollen inszenatorischen Einfällen – wie wenn Callahan mehr summt als singt „The only words I’ve said today are ‘beer’ and ‘thank you’“, und das dann über ein paar weitere Takte dem Hörer vorführt. Dazu spielt Callahan einen um die E-Gitarre gebauten leisen Verweigerungsrock, aufs Nötigste reduziert, mit ein paar kleinen Arabesken (etwa eine traurige Fiddel als Luxusgut). Dennoch ist das weit entfernt von dem Lo-Fi-Folk, den er zu Beginn seiner Karriere unter dem Namen Smog aufnahm. Ein charmanter Weirdo ist er geblieben.

Text: Michael Weiland

 

Halskestraße 1980

Rassistische Morde in Hamburg: Vom Erinnern und Vergessen. Diskussionsveranstaltung mit Frank Keil, Ünal Zeran und Kien Nghi Ha.

Längst verdrängt, vergessen, verschwiegen: In der Nacht zum 22. August 1980 verübte ein Trio der neonazistischen „Deutschen Aktionsgruppen“ einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Hamburg-Billwerder. Zwei der 240 dort untergebrachten Menschen fanden dabei den Tod: der 22-jährige Ngoc Nguyên und der 18-jährige Anh Lân Dô. Bis heute erinnert nichts vor Ort (und auch sonst nirgends in Hamburg) an den rassistischen Doppelmord vor 34 Jahren, das Gebäude ist heute ein Hotel. Um die damaligen Ereignisse in Erinnerung zu rufen und dem Mythos entgegenzuwirken, der NSU-Mord an Süleyman Taşköprü sei der erste und einzige rassistisch motivierte Mord in Hamburg gewesen, ist am 12. August der Journalist Frank Keil zu Gast im Centro Sociale, der über seine Recherchen zum damaligen Brandanschlag in der Halskestraße berichten wird. Weitere Teilnehmer: der Rechtsanwalt Ünal Zeran und der Politik- und Kulturwissenschaftler Kien Nghi Ha.

 

Conor Oberst

Der ehemalige Kopf der Band Bright Eyes gastiert in der Fabrik. Im Vorprogramm und als Backing-Band: Dawes aus Los Angeles.

Vielleicht wird sich Conor Oberst ein Leben lang an Alben wie Fevers and Mirrors oder Lifted messen lassen müssen, die er mit Bright Eyes aufnahm. Obwohl tief im spätjugendlichen Jammertal beheimatet, sind die frühen Alben des einstigen Folk-Wunderkinds bereits jetzt Klassiker. Vielleicht mit ein Grund, die Band (vorerst) zu begraben: Unter dem eigenen Namen ist die Fallhöhe geringer. Jedenfalls war das vor der aktuellen Songsammlung Upside Down Mountain so, die zwei Soloalben davor mit der Mystic Valley Band waren bloß solide Americana-Platten. Mithilfe des befreundeten Musikers Jonathan Wilson spielte Oberst ein ganz hervorragendes Countryfolk-Album ein, sein inspiriertestes seit Jahren: beschwingt, besorgt, besonders. Geht doch. Als Support und Backing-Band dabei: Dawes, für die man ruhig pünktlich eintrudeln sollte.

Text: Michael Weiland

 

Mammute …

…und Steinzeitjäger: Das Archäologischen Museum Hamburg lädt Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren zu einer Reise in die Vergangenheit.

Ferienzeit ist Entdeckerzeit – das haben sich zumindest die Menschen des Archäologischen Museum Hamburg gedacht und ein unterhaltsames wie informatives Programm für Kinder zusammengestellt. Am 11. August startet der Ferienspaß für Zeitdetektive mit dem Programm Mammute und Steinzeitjäger, das Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren in die Welt unserer Vorfahren entführt, inklusive Spiele, Rätsel und Mitmachaktionen. Die nächsten Tage stehen unter den Motti Ackerbauer und Bronzegießer (12.8.), Römer und Germanen (13.8.), Wikinger und Rittersleute (14.8.) und Napoleon und Schatzsuche (15.8.). Die Teilnahme ist wahlweise an einzelnen oder allen Tagen möglich. Wichtige Infos: Bitte Kleidung anziehen, die schmutzig werden darf; ausreichend Essen und Trinken mitbringen; Anmeldung über den Museumsdienst Hamburg, Tel. 040 / 428 13 10.

 

Ja, Panik

Um sie die Welt, in ihnen Galaxy. Ja, Panik spielen auf Kampnagel und bringen „Libertatia“ mit, für sich „und all die anderen sisters & brothers“.

“Dieses Video ist möglicherweise für einige Nutzer unangemessen“ warnt YouTube, bevor man sich Ja, Panik im Video zu Libertatia, den Titeltrack vom aktuellen Album, anschauen darf. Diese Warnung, verbunden mit dem, was einen erwartet – nämlich eine WG-Badewannen-Szenerie, innerhalb derer die drei nur mit Schaum bedeckt und bedeutungsschwanger blickend eine Choreografie zum besten geben – dürfte ganz dem Geschmack der aus dem Burgenland stammenden Wahlberliner sein. Wenn es sich nicht gar um gekonnte Methodik handelt. Ja, Panik brechen gerne mit Erwartungen, schüren eine Außenwahrnehmung, die sie dann schmunzelnd wieder zerwerfen. Wer mit ihnen über ihr Manifest diskutieren möchte, ihren Stammplatz in der Diskurs-Pop-Loge untermauern möchte, dem erklären sie, dass Sie sich doch gar nicht so viel bei allem gedacht hätten. Das fünfte Album der Band, das vor politischer Eindeutigkeit, vor Systemkritik fast überläuft, haben sie zuckersüß musikalisch ausgemalt, voller Harmoniegesänge und fröhlichen Mitsingmomenten. Und natürlich macht genau das alles Ja, Panik wieder – ob sie wollen oder nicht – zu einer der hörenswertesten Bands, die momentan hierzulande Platten veröffentlicht.

Text: Miriam Mentz

 

Central Park

Das Metropolis-Kino zeigt Frederick Wisemans Dokumentation über Manhattans “grüne Lunge“ im Original mit Untertiteln.

Ein wichtiges Vorbild für die europäischen Volks- und Stadtparks war der zwischen 1859 und 1873 geschaffene Central Park in New York City. 1986 hat ihn der Regisseur Frederick Wiseman mit der Kamera durchstreift. „Eine poetische Liebeserklärung an die ‚grüne Lunge‘ New Yorks und ihre Besucher“ sei dabei entstanden, urteilte das Arsenal – Institut für Film und Videokunst. Wisemans dreistündige Exkursion ist aber mehr als nur eine liebevolle Beobachtung seiner Besucher, die er dort beim Picknick, Joggen, Malen, Musizieren, Diskutieren, Faulenzen und sogar Heiraten zeigt. Sein Central Park liefert auch Statements zu Sinn und Zweck urbaner Grünanlagen und zur Bedeutung ihrer Bewahrung – angesichts wachsender Gentrifikation, die in New York bereits damals ein Thema war und mittlerweile auch so manch europäische Großstadt betrifft.

 

Molière, wach auf!

Im Römischen Garten am Blankeneser Elbhang zeigt das Theater N. N. zum letzten Mal die Konfrontation eines berühmten Dichters mit dem Tod.

Steigt man die Stufen der historischen Würzburger Treppe hinab, erreicht man das idyllische Amphitheater im Römischen Garten. Hier, am 1924 angelegten Heckentheater am Blankeneser Elbhang, liefert sich ein im Sterben liegender bekannter Dichter aus dem 17. Jahrhundert Wortgefechte mit dem Tod. Das Eimsbütteler Theater N. N. zeigt – am 10. August übrigens zum letzten Mal – das Stück Molière, wach auf!. Besonders charmante und überraschende Nebendarsteller sind immer wieder aufs Neue die Schiffe, die man durch die Hecken hindurch wunderbar sehen und hören kann. Der eigentliche Star ist aber der Ort selbst. In sattem Grün breiten die Besucher ihre Picknickdecken aus und frönen ihrer kulturellen Vesper zwischen kunstvoll geschnittenen Bäumchen. Sollte das Wetter mitspielen, steht einem vergnügten Theaterabend im Grünen nichts im Weg.

Text: Katharina Manzke

 

Perfect Pussy

Das Hardcore-Quintett aus Syracuse, New York, rockt auf Kampnagel. Im Vorprogramm spielt das Hamburger Duo St. Michael Front seine Lieder für den Untergang.

Ganz schön oller Hardcore-Shit, aber trotzdem (oder gerade deswegen?) ganz nett: Perfect Pussy sind derzeit ziemlich angesagt, obwohl sie im Grunde wie eine Band der Mittachtziger klingen: melodische Breitband-Riffs á la Hüsker Dü, konsequentes Up-Tempo-Drumming, Screamo-Vocals. Was das US-Quintett dennoch besonders erscheinen lässt? Zum einen die Tatsache, dass es sich einen festen Keyboarder leistet, der den Brachialsound der Band um Soundflächen und Quietsche-Sounds ergänzt. Und dann ist da noch Sängerin Meredith Graves. Ihr Organ scheint zwar nicht gerade viele Tonlagen zu kennen, aber wir sind ja hier auch nicht beim Prog-Rock. Vorsicht: explicit lyrics! Aber das versteht sich ja bei dem Bandnamen sowieso fast schon von selbst. Den Support für Perfect Pussy besorgen St. Michael Front, deren sarkastischer Folk dem Sound der Hauptgruppe diametral gegenüber steht. Kurzweilige Paarung.

 

Zur Sache, Schätzchen!

Die Insel-Lichtspiele in Wilhelmsburg zeigen May Spils‘ Erfolgskomödie als letzte Vorstellung der Open-Air-Saison unter dem Motto „Scheitern“.

Altes, kulturell verknöchertes Deutschland auf dem Weg zur geistigen Modernisierung: In München-Schwabing Ende der 1960er beobachtet der vom Leben gelangweilte Schlagertexter Martin (gespielt von Werner Enke) einen Einbruch, den er – nach einigem Widerwillen – der Polizei meldet. Weil er an der Aufklärung der Tat nicht interessiert zu sein scheint und zudem noch eine Abneigung gegenüber Autoritäten jeder Art an den Tag legt, zieht er den Verdacht der Beamten auf sich. Als dann Barbara (Uschi Glas) auftaucht, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Der 1968 fertiggestellte Streifen von May Spils gehörte zu den kommerziellen Erfolgen des „Jungen Deutschen Films“ und brachte der Erwachsenenwelt Begriffe wie „fummeln“ und „Dumpfbacke“ bei. Ebenfalls interessant: Da kurz nach Beginn der Dreharbeiten der Student Benno Ohnesorg in Berlin erschossen wurde, änderte man das Ende des Films: Aus Totschlag wurde ein Streifschuss.

 

 

Dries Verhoeven

Der niederländische Künstler präsentiert sein Projekt „Ceci n’est pas – 10 Ausnahmen von der Regel“ in der Spitaler Straße.

Der niederländische Künstler Dries Verhoeven bewegt sich mit seinen Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Theater und Installation. Die Begegnung mit unerwartet radikalen Aussagen und unbequemen Wirklichkeiten ist integraler Bestandteil seiner Kunst. Im Rahmen des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel präsentiert Verhoeven das Projekt Ceci n’est pas – 10 Ausnahmen von der Regel: Über zehn Tage lang konfrontiert er Passanten in der Hamburger Innenstadt mit unterschiedlichen Tableaux Vivants, lebendigen Bildern von gesellschaftlichen Randbereichen, die in einer vermeintlich heilen Konsumwelt als störend empfunden werden müssen. In Anlehnung an sogenannte Freakshows und Menschenausstellungen der letzten Jahrhunderte rückt er Ikonen von Schwäche, Unvollkommenheit und Ängsten ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Die Performance-Vitrine in der Fußgängerzone wird täglich für fünf Stunden zwischen 15 und 20 Uhr im 15 Minuten-Takt bespielt.