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„Der Bürger als Edelmann“

Kleider machen eben doch keine Leute – glaubt man zumindest der Molière-Komödie über Größenwahn und Eitelkeit im Ernst Deutsch Theater.

Monsieur Jourdain ist Geschäftsmann, der zu schnellem Reichtum gekommen ist. Er ist davon besessen, in die Adelskreise aufgenommen zu werden. Fechtmeister, Tanzlehrer, Musiklehrer und Philosophen sollen für die nötige Politur sorgen. Um die Adelsheirat seiner Geliebten zu verhindern, verkleidet er sich als Sohn eines türkischen Großwesirs.

1670 wollte Ludwig der XIV. dem türkischen Botschafter zeigen, dass er sich in Sachen Prunk und Reichtum locker mit dem Sultan messen konnte. Dazu verwandelte er das Schloss St. Germain in eine türkische Theaterkulisse. Der Botschafter erwies sich jedoch als einfacher Bote und war unbeeindruckt. Der eitle Sonnenkönig beauftragte darauf Molière, ein Stück zu schreiben, in dem türkische Gebräuche lächerlich gemacht werden. Der Komödienautor hat aber eine hinterlistige Satire auf Größenwahn und Statusdenken geschrieben. In seiner Eitelkeit verkleidet sich ein französischer Bürger mit türkischen Gewändern und steckt dafür Prügel ein. Der Überlieferung nach reagierte Ludwig auf die Aufführung sehr verhalten. Folke Braband hat Der Bürger als Edelmann im Ernst Deutsch Theater u. a. mit Dieter Hallervorden neu inszeniert. Bis Ende Juni ist es noch zu sehen.

Text: Natalia Sadovnik

 

„Das Strunk-Prinzip“

Es ist nicht leicht, ein Genre zu parodieren, das schon in sich zur Realsatire neigt. Heinz Strunk hat es gemacht und liest daraus vor.

Nach zahlreichen Romanen hat sich Heinz Strunk des Ratgeber-Genres angenommen und legte im letzten Jahr Das Strunk-Prinzip vor, eine Persiflage auf Lebenshilfe-Bestseller. Darin werden Tipps, die selbst schon an Realsatire grenzen, mit brachialem Humor noch parodiert. Der Entertainer, Autor, Schauspieler und Hamburger Spitzenkandidat der Partei Die Partei fügt dafür auch eigene Kolumnen aus der Satire-Zeitschrift Titanic hinzu.

In Alma Hoppes Lustspielhaus trägt er die besten Passagen vor, samt selbst komponierter Musik. Er singt, spielt Querflöte und Akkordeon und inszeniert sich als Meister des Scheiterns – wie immer amüsant, doch angesichts seines Erfolgs dürfte davon doch eigentlich keine Rede mehr sein.

Text: Natalia Sadovnik

 

Privattheatertage

Die besten Produktionen der Republik kommen nach Hamburg und wetteifern um den Monica-Bleibtreu-Preis – unter anderem im Altonaer Theater.

Als Axel Schneider im Jahr 2012 die Privattheatertage ins Leben rief, wollte der Hamburger Intendant mit einem Vorurteil aufräumen. Nämlich damit, dass den in Privattheatern gezeigten Stücken Kunst und Innovation fehle. Bei der aus Bundesmitteln finanzierten Schau beweisen die kommerziellen Bühnen seitdem jedes Jahr das Gegenteil. Eine Jury reiste durch Deutschland und wählte aus rund 80 Produktionen zwölf Inszenierungen aus, die im Juni in den Kategorien „Zeitgenössisches Drama“, „Komödie“ und „(Moderner) Klassiker“ um den Monica-Bleibtreu-Preis konkurrieren. Eröffnet wird das Theaterfestival am 16. Juni mit der Produktion Willkommen in deinem Leben vom Theater Ravensburg. Karsten Engelhardt inszeniert das rasante Roadmovie von Michael McKeever um einen Mann, der erst, als er erfährt, dass ihm nur noch wenig Zeit auf Erden bleibt, richtig in seinem Leben ankommt. Jeweils 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn haben die Zuschauer die Möglichkeit, das Ensemble der jeweiligen privaten Bühne kennenzulernen.

Text: Jakob Luy

 

Mark Knopfler

Der Ausnahmegitarrist und Gründer der Dire Straits kommt solo in die O2 World. Im Gepäck: das neue Album „Tracker“ und musikalische Weggefährten.

Mark Knopfler blickt auf eine erfolgreiche Musikerkarriere zurück: Der Brite gründete die Dire Straits zog aber auch solo sein Ding durch, die Grammys stapeln sich in seiner Wohnzimmer-Vitrine und Musikjournalisten sprechen von ihm als einem der besten E-Gitarristen der Geschichte. Aber warum eigentlich zurückblicken? Knopfler ist niemand, der eine Revival-Platte nach der nächsten herausbringt. Anfang 2015 erschien sein neuestes Werk, das Album Tracker. Es ist wieder ein perfektes Beispiel für seine Perfektionslust, in den elf Songs sitzt klanglich jedes Detail. Der Grundton ist ruhig und bluesig, countryesk mit funky Seitensprüngen. Inspiriert wurde er dazu während seiner 2012er-Tour mit Buddy Bob Dylan. Nach Hamburg kommt er mit reichlich instrumentaler Verstärkung, darunter sein alter Dire-Straits-Gefährte Guy Fletcher am Keyboard, Jim Cox am Piano, Glenn Worf am Bass und John McCusker an Geige und Zitter. Neben aktuellen Songs dürfen sich seine Fans auch auf ältere Solo-Stücke und einige Hits der Dire Straits freuen.

Text: Lena Frommeyer

Mark Knopfler – Tracker from Henrik Hansen on Vimeo.

 

Freud und Helfer

Das Künstlerduo Wermke/Leinkauf eignet sich zum Kurzfilmfestival das Kolbenhof-Gelände an und zeigt Installationen zu ihren riskanten Projekten.

Der größte Coup gelang dem Berliner Künstlerduo Wermke/Leinkauf im letzten Jahr: Da tauschte es die US-Flaggen auf der New Yorker Brooklyn Bridge gegen zwei schneeweiße aus und übergab die Originale, korrekt nach dem offiziellen US-Flaggengesetz gefaltet, der amerikanischen Botschaft in Berlin. Eine Aktion, die um die Welt ging und Rätsel aufgab. Bis Wermke/Leinkauf sich zu der Aktion bekannten, wurde fieberhaft spekuliert, wer dahintersteckt und vor allem auch, was die neue Beflaggung zu bedeuten hatte. Weiß als Friedensbotschaft? Als Zeichen, sich zu ergeben? Als Beweis mangelhafter Sicherheitsvorkehrungen? Vor allem war sie weiße Projektionsfläche, die alle Möglichkeiten offen lässt – und die die beiden Künstler erneut an einen Ort führte, wo eigentlich keine Menschen vorgesehen sind. Baulücken, Orte mit Historie.

Schon lange begleitet das Kurzfilmfestival die Aktionen der beiden, jetzt wurde ihnen das gesamte Festivalgelände des Kolbenhofs bis zum 15. Juni als Spielfeld zur Verfügung gestellt, dazu sprechen sie übrigens am Samstag im Festivalzelt über ihre Arbeit, zeigen Videokunst und Installationen.

Text: Sabine Danek

 

„Tallymann un Schutenschubser“

Dieser Theaterabend über das Leben im Hafen beginnt nicht etwa auf der Bühne, sondern in einer Barkasse – und erzählt spannende Anekdoten.

Der Hamburger Hafen schläft nicht. Rund um die Uhr wird gearbeitet, er befindet sich im ständigen Wandel. Die Ohnsorg-Produktion Tallymann un Schutenschubser widmet sich den Menschen, die Waren aus aller Welt verteilen. Genauer gesagt fünfzig ehemalige Hafenarbeiter, die heute ehrenamtlich im Hafenmuseum Hamburg arbeiten. Gemeinsam mit Regisseur Michael Uhl stellen sie einen Theaterabend über ihr Leben im Hafen auf die Beine. Sie erzählen über die Arbeit in der Schifffahrt, Schiffbau und Güterumschlag und lassen alte Geschichten wieder aufleben. Die Vorstellung, die am Samstag Premiere feiert, beginnt für die Zuschauer schon an der Überseebrücke: Mit der Barkasse und bei einem Prolog geht es über die Elbe und im Hafenmuseum treten dann die ehemaligen Hafenarbeiter auf.

Text: Natalia Sadovnik

 

Stil vor Talent Open Air

Raven in Rothenburgsort ist im Sommer unser allerliebstes Hobby – und am Sonntag hat sich dafür das Minimal-Label aus Berlin angemeldet.

Es muss ja nicht immer gleich die Fusion sein! Zu seinem hauseigenen Festival lädt das Berliner Minimal-Label Stil vor Talent seine feinsten Acts in den Elbpark Entenwerder: MÖWE (live), Murat Kilic und Michael Korb alias KlangKuenstler spielen die Halbinsel warm, ehe HVOB den Beweis antreten, dass ihr aktuelles crossdisziplinäres Kunst-Musik-Experiment Trialog auch Massen bewegen kann. Das Finale der Draußen-Tanzveranstaltung begeht schließlich Label-Chef Oliver Koletzki höchstpersönlich. Angesichts der Hitdichte seines letzten Longplayers I am O.K. der garantierte Höhepunkt. Finale? Höhepunkt? Nein, der Tag im Zeichen des Labels ist noch nicht vorbei: Alle, die noch können, können noch zur Aftershow Party ins Uebel und mit den Stil-vor-Talenties feiern.

Text: Friedrich Reip

 

Schanzenblicke

Linksaktiv, obdachlos, Follower-geil: Die Menschen in der Schanze sind so bunt wie ihre Altbaufassaden. Eine Portraitreihe von Andreas Muhme.

Achidi-John-Platz 1, 20357 Hamburg, benannt nach einem 19-Jährigen aus Nigeria, der bei einem Brechmitteleinsatz durch die Polizei starb. Hier – gleich am Schulterblatt – steht die linke Bastion Rote Flora. Während auf dieser Seite politisch Aktive in der Flora tanzen oder den Protest vorbereiten, Obdachlose unter dem Vorsprung schlafen und Drogen vertickt werden, isst Jungvolk auf der anderen Straßenseite leckere Tapas, schlürft Galão und bloggt ihr Outfit of the Day (#ootd). Willkommen im Spannungsfeld Schanze!

Früher ein von Punks, linken Aktivisten und Freigeistern bewohntes Viertel mit dem Ruf, runtergekommen zu sein, reiht sich heute eher ein Fashionstore an die nächste Cocktailbar. Wer sind also die Menschen, die heute in der Schanze leben? Was machen die Gegensätze mit ihnen? Und wie wirkt der Stadtteil auf Touris? Der Hamburger Fotograf Andreas Muhme stellte sich eines Sonntagnachmittags an die Straße mit den Gegensätzen. Heraus kamen Schanzenblicke, eine Portraitreihe mit Statements zur Entwicklung des Stadtteils. Am Sonntag von 15 bis 18 Uhr und am Donnerstagnachmittag kann man sich die im Kulturgold e.V. ansehen. Am Samstagabend schon gibt’s die Vernissage dazu. Ob es da wohl Crémant oder doch Astra gibt?

Text: Andra Wöllert

 

Yasodhara und Buddha

Bevor Buddha zum erleuchteten Prediger wurde, hatte er eine Frau. Und die erzählt in diesem Stück ihre Version der Entstehung des Buddhismus.

Wir Menschen sind unerleuchtete Wesen, die einem endlosen und leidvollen Kreislauf des Lebens unterworfen sind. Zumindest aus der Sicht von Buddha. Bevor er zum erleuchteten Prediger wurde, hieß Buddha Prinz Siddhartha und war ein von Selbstzweifeln und Schuld geplagtes Wesen. Bis er die Erfahrung des Bodhi, also des Aufwachens, machte – die fundamentale und befreiende Einsicht in die Grundtatsachen allen Lebens. Von da an beschließt er, die Ursache des menschlichen Leidens zu erforschen und verlässt seine Familie, um sich selbst zu finden und den Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu verstehen. Wer bei dieser Reise auf der Strecke bleibt, ist seine Frau. Yasodhara bleibt zurück in einem Chaos aus Machtkämpfen und Intrigen. Abgelehnt vom Ehemann, gründet sie den ersten weiblichen buddhistischen Novizenorden. Das Stück von Harald-Alexander Korp, in Maria von Bismarcks Regie, zeigt die Entstehung des Buddhismus aus der Sicht einer Frau. An diesem Samstag und Sonntag wird es im Hamburger Sprechwerk gezeigt.

Text: Adriana Jodlowska

 

Julia Engelmann

An dieser Poetin mögen sich Geister scheiden und doch erreichen ihre Alltags- und Lebensgeschichten unzählige Zuhörer – auch live im Gruenspan.

Voll kitschig, sagen die einen. Voll ermutigend, die anderen. Julia Engelmann ist vor zwei Jahren in einem Bielefelder Hörsaal mit ihrem Poetry-Slam-Text Eines Tages, Baby bekannt geworden und später über YouTube berühmt. Ihr Video ging viral, wurde millionenfach geklickt. Alle Mainstream-Medien haben es besprochen. Mittlerweile hat die Ex-Soap-Darstellerin-jetzt-Psychologiestudentin ein Buch mit dem bestsellergarantierenden Titel Eines Tages, Baby veröffentlicht und ein eigenes Bühnenprogramm, mit dem sie tourt. Am Samstag macht sie Station im Gruenspan. Sie liest und slamt und singt über alles, was im Kopf einer 23-Jährigen so passiert. Und das schwankt nun mal zwischen lockerer Lebensbejahung und dann und wann ins Klebrige abrutschender Romantik.

Text: Erik Brandt-Höge