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„Hugs and Kisses“

Tender to all gender: Das Hamburger Queer-Magazin geht an Bord von Frau Claudia und lässt auf der Elbe die Korken knallen.

Zum Auftakt der diesjährigen Frühjahrs-Feier-Saison lässt es Hamburgs ultimativer Queer-Guide Hugs and Kisses ordentlich krachen. Gays’n’Gabys, Lederkerle, Leichtmatrosen, Queers und Nicht-Queers, kurz: alles, was bei Drinks und Beats und seichtem Wellengang die Füße nicht stillhalten kann, geht an Bord von Frau Hedis kleiner Schwester Claudia, wenn das Partyboot unter dem Motto Tender to all gender in See sticht. Als Bordkapelle wurden Pretty Hunter, Esshar, Elana und Ungifted verpflichtet, ein achtarmiges DJ-Ungeheuer, das Plattenteller und Bassregler zum Glühen bringt. Sonnenuntergang, Hafenromantik und natürlich jede Menge Hugs & Kisses sind im Preis inbegriffen. Wer nicht genug kriegen kann, muss nur ein paar Tage warten und kann dann am 9. Mai gleich bei der Hugs and Kisses-Frühjahrsparty im Fundbureau weiterzappeln.

Text: Nik Antoniadis

 

 

BassBotanik

Lebwohl für Minusgrade: Das DJ-Kollektiv lädt ins Hafenklang, um die kalte Jahreszeit mit fetten Bässen nach Hause zu schicken.

Die Groove-Gärtner, die Bass-Dompteure, die Klangweltkünstler von BassBotanik übernehmen eine Nacht lang das Hafenklang, um die Welt wieder ein bisschen besser zu machen und das Ende des Winters einzuläuten, indem sie noch einmal so richtig aufdrehen. Das soll nicht heißen, dass sie bis Oktober nur noch Open Air-Sets spielen, aber um die kalte Jahreszeit endgültig vergessen zu machen, holt BassBotanik wie üblich den Garten in den Club. In diesem Fall den Hafenklang-Dschungel, wo Paradiesvögel, Tanzmäuse und anderes Urwaldgetier aus dem Unterholz gelockt werden, um den Minusgraden Lebwohl zu sagen und gemeinsam abzufeiern. Bei BassBotanik heißt das Gesetz des Dschungels: One love. Die einzigen, die richtig austeilen, sind die Jungs an den Reglern, darunter Federweiss & LennArt, Mü, Günni & Stef und Fischplatte, außerdem Doe & Fils Rauscht und die Botaniker Hari & Spielplatz, Electrobüro und Schense. Also dann, auf ins Grüne!

Text: Nik Antoniadis

 

„Tortur mit Glitza“

Kein Scheinriese, sondern Partymonster: Das Turtur in Wilhelmsburg feiert sein sechsmonatiges Bestehen und das Ende der Clubsaison.

Für Clubs ist der Winter ja eigentlich eine gute Zeit. Die Betreiber haben wenig Grund zur Freude, wenn das Partyvolk im Sommer lieber an der Elbe feiert, anstatt in fensterlosen Clubs zu dehydrieren. Mona Michels steht der Sinn trotzdem nach Feiern. Warum auch nicht? Als sie das Turtur vor einem halben Jahr aufmachte, hatte man die Schließung des Vorgängerladens Tonne schon als Zeichen des Niedergangs des Reiherstiegviertels gewertet. Ihr neuer Laden, ein Club für Techno, Electro und Liveacts, ist aber ein Erfolg geworden, nicht nur für sie, auch für das Viertel. Als Mona Moore ist Michels selbst Techno-Musikerin, im richtigen Leben Erzieherin und Mutter – die ihrem Sohn gerne aus Jim Knopf und die Wilde 13 vorgelesen hat. Schon vergessen? Der Scheinriese Tur-Tur muss ein trauriges Dasein allein in der Wüste fristen, weil alle Angst vor ihm haben, obwohl er eigentlich ganz nett ist. Der Reiherstieg ist zwar nicht das neue Schulterblatt, aber auch nicht die Wüste. Und dass das Turtur wirklich freundlich ist, dürfte inzwischen zahlreichen Partygästen und Veranstaltern klar sein. Um das gebührend zu würdigen, schmeißt Michels die große Glitza-Party. Ab Mai verwandelt sich das Turtur dann in eine Pizzeria mit Bar und Terrasse – bis im Oktober wieder Clubzeit ist.

Text: Nik Antoniadis

 

„Ghetto Brother“

Krypto-Jude, Gangleader, Hip-Hop-Pionier: Strips & Stories präsentiert die Graphic Novel „Ghetto Brother“ über Benjamin Melendez.

„Mein Vater zog die Vorhänge zu und las aus den heiligen Schriften“, erzählt Benjamin Melendez rückblickend. „Anschließend schickte er uns am Samstag zum Spielen auf die Straße, damit niemand den Eindruck bekam, wir seien Juden.“ Melendez ist ein Marrano, ein Nachfahre jener Krypto-Juden, die in Spanien und Lateinamerika lange ihre Religion im Verborgenen ausübten. Aufgewachsen in der South Bronx, war er gleichzeitig Anführer der puerto-ricanischen Ghetto Brothers, der berühmt wurde, als er 1971 einen legendären Frieden zwischen den Straßengangs der Bronx durchsetzte. Im selben Jahr nahm er mit seiner Band Ghetto Brothers seine einzige Platte auf, Power Fuerza, die kaum mehr als lokale Verbreitung fand – und jetzt, 40 Jahre später, wiederentdeckt und neu verlegt wurde. Die Geschichte von Melendez, dessen Freitagabend-Street-Jams bedeutenden Einfluss auf den frühen Hip-Hop hatten, wird von der vielbeachteten Graphic Novel Ghetto Brother von Julian Voloj (Text) und Claudia Ahlering (Zeichnungen) aufgegriffen. Zur Präsentation des Buchs kommt Ahlering zu Strips & Stories, während Mune_Ra für den passenden musikalischen Hintergrund sorgt. Nicht verpassen!

Text: Nik Antoniadis

 

„Das Tierreich“

Ein Zoo losgelassener Hormonjunkies: In der Thalia-Garage präsentieren Studenten der Theaterakademie ihre Abschlussinszenierung.

Es lohnt sich, Abschlussinszenierungen von Schauspielstudenten zu besuchen: ungeschliffene, experimentelle Spielfreude mit professionellem Anspruch, und dazu – in diesem speziellen Fall – ein besonderes Maß an Realität in der Bühnenfiktion. Die Schauspiel-Eleven warten auf mit einem Stück, das sich mit der Übergangsphase von jugendlichem Experimentierdrang zu Erwachsenenzwang befasst, sie spielen also gewissermaßen sich selbst – und das mit richtig viel Spaß. In Das Tierreich von Nolte Decar entfalten acht junge Frauen und Männer eine Art repräsentativen Querschnitt deutscher Provinzjugend, szenische Bilder über den jugendlichen Hinterwäldler-Alltag während der Sommerferien: Seriöse Trinkspiele, Partykatastrophen, ein Panzer fällt vom Himmel, eine basisdemokratische Schulumbenennungs-AG scheitert, amouröse Egoshooter-Spielchen; Amor ist eine sich drehende Flasche und jeder darf mal Schicksal spielen. Unter der einfallsreichen Regie von Christina Rast verwandeln die Jungschauspieler die Thalia-Garage an der Gaußstraße in einen eindringlichen, existenzialistisch angehauchten Zoo losgelassener Hormonjunkies. Dies ist wilder Jugendwahn par excellence, kurzweilig ohne Ende.

Text: Reimar Biedermann
 

 

„Kommt Zusammen“

Party-Export aus Rostock: Der Hamburger Ableger des Electro-Festivals fährt im Uebel & Gefährlich ein fettes Programm auf.

Wie üblich hat man in Hamburg die Qual der Wahl, wenn es um die Frage geht, auf welcher Party sich am besten in den Mai feiern lässt. Eine Option: im Bunker. Nach zehn Jahren kam 2014 das Kommt Zusammen Festival aus Rostock mit einem Ableger nach Hamburg und auch in diesem Jahr wird die Kombination aus elektronischer Musik und subkulturellem Programm im Uebel & Gefährlich für Laune sorgen. Bereits am Freitag (29.4.) geht es los mit Tino Hanekamp, der über Drogen, Sauflieder und die Sehnsucht nach Erlösung „lesen & labern“ wird. Die eigentliche Hauptveranstaltung startet dann aber am Samstag mit zahlreichen Workshops und der Festivalnacht, bei der sich unter anderem The Glitz, David Dorad oder Jake the Rapper musikalisch verantwortlich zeigen. Und wer am Sonntag immer noch stehen kann, dem empfehlen die Veranstalter den Halli-Galli-Frühclub im Waagenbau. Da kommt was zusammen!

Die Workshops beginnen nachmittags, wer teilnehmen will, muss sich anmelden. Die Klubnacht beginnt dann um Mitternacht.

Text: Ole Masch

 

Trümmer’s Euphorie

Zum Tour-Abschluss der Hamburger Band gibt’s im Molotow nicht bloß ein Konzert, sondern ein ganzes Festival des jungen Labels Euphorie.

Für Freunde des gitarrenlastigen Untergrunds gibt es seit einiger Zeit einen neuen, alten Hotspot: den guten alten Pudel. Wenn das immer noch sehr junge Hamburger Indielabel Euphorie zum monatlichen Konzert lädt, spielen in beängstigender Regelmäßigkeit die Bands, die ein paar Monate später durch die Feuilletons der deutschen Wochenpresse gejagt werden. Ein leuchtendes Beispiel: die Gruppe Trümmer. Als sie im letzten Jahr ihr Debüt auf dem Label veröffentlichten und damit die Kritiker landauf landab verzückten, waren sie für den Anhängerkreis von Euphorie fast schon wieder ein alter Hut. Sie stehen ihrer Plattenfirma auch persönlich nahe, was spätestens dann klar war, als sie sich auf ausgedehnte Euphorie-Tour begaben. Diese findet nun ihr Ende – und zwar mit einem dicken Abschlusskonzert – oder besser: Festival – im Molotow. Zu den Feiergästen zählt unter anderem Carsten „Erobique“ Meyer, der im letzten Jahr einen gemeinsamen Song mit Trümmer auf dem Sampler Keine Bewegung veröffentlicht hat. Ebenfalls live dabei sind Lafote, Der Ringer, U3000, Lovesongs, Sophia Kennedy und Kids N Cats – auf der Bühne und bei sicherlich bei der Aftershowparty.

Text: Benedikt Ernst

 

Tanz in den Mai

Im Hafenbahnhof wird der Wonnemonat ganz zünftig mit Bockwurst, Bowle und ordentlich Beats vom Plattenteller begrüßt. 

Wer in der Hansestadt in den Mai feiern möchte, hat dafür zahlreiche Möglichkeiten. Etwas abseits vom Trubel geht das am besten im Hafenbahnhof. Wie in den vergangen Jahren wird dort mit Maibowle und Selbstbedienungsgrillen unter dem Motto „Bring Your Own T-Bone“ der Wonnemonat begrüßt. Grill, Kohle und Kartoffelsalat halten die Bahnhofsvorsteher bereit, fürs Grillfleisch muss jeder selbst sorgen. Und weil der Mensch nicht vom Fleisch allein lebt, gibt’s auch was für die Ohren. Für die musikalische Unterhaltung sorgen die DJs Fringsteen, Jakob Strohschuh und Mighty Mike. Und weil das alles super zusammenpasst, wird an diesem Abend der 9. Geburtstag des gemütlichen Ladens gleich mitgefeiert.

Text: Ole Masch

 

„The Politics of Boredom“

Punk-Agenda ohne No Future: Die Galerie Speckstraße im Gängeviertel wagt eine dreiste Kombination aus Punk und Kunst.

I’m living in this movie, but it doesn’t move me. Boredom, Boredoooom.“ Keiner hat es schöner auf den Punkt gebracht als die Buzzcocks in ihrem Song Boredom. Die Ausstellung in der Galerie Speckstraße, die Politik der Langeweile, will aber nicht alte Punkzeiten hochleben lassen, schon gar nicht Bierduschen und Iro kultivieren, sondern eher – wie die Veranstalter es nennen – die Vorstellungen der Punk-Agenda „beleihen und sie in neuer Form transplantieren“. Heißt: Die Attitüde, den Startpunkt übernehmen. Kunst von unten, aber das Gegenteil von No Future: „Wir möchten die Besucher von der Langeweile heilen.“ Mit einem Konzept, das ein breites Spektrum künstlerischer Ansätze auffährt, von Musik und Performance bis Theater, Film und bildender Kunst. Die acht Künstler, die die Ausstellung bilden, verstehen sich als Leugner und Verweigerer, konventionelle Auslegungen ihrer Positionen sind ihnen zuwider. Sie sehen sich als „Kritiker und Gaukler, als Abfall und Spiegel“. Langweilig? Wohl kaum.

Text: Nik Antoniadis

 

„Striche ziehen“

Zwischen Subkultur und Diktatur: Gerd Kroske kommt persönlich ins Metropolis, um seine äußerst kurzweilige Doku vorzustellen.

Eine Gruppe von Punks aus Weimar macht nach ihrer Ausreise aus der DDR mit einer aufsehenerregenden Aktion auf sich aufmerksam: 1986 malen sie auf der Westseite der Berliner Mauer einen kilometerlangen weißen Strich, der sagen soll: Wir machen euch einen Strich durch die Rechnung. Diese Aktion im Westen hat bittere Konsequenzen, nämlich eine Verhaftung im Osten. Wie es dazu kommen konnte, blieb 25 Jahre lang im Dunkeln, bis die Mitglieder der Gruppe 2010 aus alten Stasi-Akten die unerfreuliche Wahrheit erfahren: Einer von ihnen hat sie verpfiffen. Der lange Schatten der Vergangenheit und sein Fortwirken in die Gegenwart, das steht im Zentrum von Gerd Kroskes Dokumentarfilm Striche ziehen, der im Metropolis seine Hamburg-Premiere feiert. Sein Film erzählt von der Spannung zwischen Subkultur und Diktatur, allerdings keineswegs in düsteren Farben: Er ist schrill, bunt, laut und außerordentlich kurzweilig. DDR-Punk, Verrat und Versöhnung, Verhaftung und Ausreise. Eine sehr deutsche und sehr punkige Geschichte.

Text: Nik Antoniadis