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Extrawelt

Melodie und Minimal-Sound: Das Hamburger Produzenten-Duo Arne Schaffhausen und Wayan Raabe beschallt am 14. März das Uebel & Gefährlich.

Die beiden Hamburger Arne Schaffhausen und Wayan Raabe sind schon unter so manchem Pseudonym musikalisch miteinander verschmolzen. Gemeinsam produzieren sie bereits seit 1997 elektronische Musik, als Spirallianz, The Delta, Der Interpret, G4, Downhill oder Midimiliz, aber vor allem eben unter dem Duo-Alias Extrawelt, als die sie sich seit Projektgründung vor zehn Jahren im besonderen Maße der wohlportionierten Melodie im Minimal-Sound verschrieben haben. Die zwei bis drei Dutzend Stücke und Remixe, die die beiden seitdem veröffentlicht haben, blicken gerne auf die 1990er zurück, allerdings ohne jede Verklärung und Nostalgie. Die stilistischen Referenzen wirken bei Schaffhausen und Raabe überhaupt nicht verkrampft, dafür gibt es in ihrer Musik viele, kleine, schöne und so viel bessere Extrawelten zu entdecken – Track für Track.

Text: Miriam Mentz

 

Hanni El Khatib

Der kalifornische Singer-Songwriter spielt seinen gefährlich groovenden Rock ’n’ Roll mit Knarzgitarre und sehnsüchtiger Stimme am 14. März live im Molotow.

Der Mann hat den Blues, das ist nicht zu überhören. Auf seinem ersten Album hat Hanni El Khatib seine Songs noch unter einer Truckladung Schmutz begraben, mit Dan Auerbach von den Black Keys als Produzent zog er danach den Karren aus dem Dreck. Und siehe da: Die harschen Gitarrenstücke des elektrifizierten Singer-Songwriters sind auch nach eingehender Politur noch genauso gut. Sein drittes Album, das soeben erschienene „Moonlight“, hat der Kalifornier schließlich selbst produziert: ein gefährlich groovendes Stück Rock ’n’ Roll mit Knarzgitarre und sehnsüchtiger Stimme, das auch ohne prominente Hilfe klarkommt. Hanni El Khatib kann sich gut verkaufen, kein Wunder: Der Typ kommt ursprünglich aus der Werbung. Die Liebe zur Musik erwies sich allerdings als stärker. Das lässt sich hören: In diesen Songs pulsiert das Herzblut.

Text: Michael Weiland

 

Die Arbeit von morgen

Der Kongress „Work in Progress“ widmet sich in diesem Jahr dem Thema „Wert der Arbeit“ – Abschlussveranstaltungen am 14. März.

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Sinn und Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz scheinen immer wichtiger zu werden. In Krisenzeiten sind jedoch viele froh, überhaupt einen Job zu haben. Soziale oder kulturelle Arbeit ist zudem meist unterbezahlt und nur durch Selbstausbeutung von Idealisten möglich. Echte Revolution erfährt die Arbeitswelt durch Digitalisierung. Das Internet ruiniert alte Geschäftsmodelle, lässt neue entstehen und bringt jede Menge Ungewissheit. Der Zukunft der Arbeit widmet sich der Kongress Work in Progress in Filmen, Vorträgen und Performances. Die Vorsitzende des DGB Hamburg, Katja Karger, wird am 14. März mit anderen Vertretern von Verbänden über den aktuellen Status von Gewerkschaften diskutieren – vor allem die Frage, warum Künstler und kreative Freiberufler fast ausnahmslos keine Vertretung haben. Weitere Veranstaltungstipps gibt es auf der Kongress-Website.

Text: Natalia Sadovnik

 

„Das Tierreich“

21 Adoleszenz-Monster unter dem Brennglas – Premiere ist am 14. März. Weitere Vorstellungen finden am 15., 16. und 30. März statt.

21 Pubertierende und der erste Ferientag im Sommer. Das junge Autorenduo Nolte-Decar schildert in szenischer Montage Lebensabsichten junger Menschen im chaotischen Dahin-Delirieren zwischen Alltäglichkeiten wie Jobben im Getränkemarkt und einem Leopard-II-Panzer, der vom Himmel fällt – heranwachsende Bewohner des fiktiven Kaffs Bad Mersdorf, die sich auf der Grenze zwischen Jugend und Erwachsensein zu artikulieren versuchen. Das Tierreich ist, wie das kürzlich ebenfalls am Thalia in der Gaußstraße gezeigte Stück Die lächerliche Finsternis, als Hörspiel entworfen. Jenes triumphierte als theatrale Tour de Force; dieses wurde anlässlich der Uraufführung in Leipzig von einem Kritiker als eine Art Mutanten-Stadl am Arsch der Heide (Die Deutsche Bühne) beschrieben. Das klingt nach mehr. Das Tierreich war das Siegerstück des Berliner Brüder-Grimm-Preises 2013 und ist als Abschlussinszenierung der Schauspiel-Studenten der Theaterakademie Hamburg entstanden. Seien die Tiere von der Kette gelassen!

Text: Reimar Biedermann

 

Elena

Ironie, Sinnlichkeit, Pop und kluge Texte: Eine 26-jährige Musikerin aus Hamburg beschallt den altehrwürdigen Birdland-Club mit modernen Sounds.

Seitdem die Betreiber der ehemals in Winterhude, mittlerweile in der Hamburger Straße angesiedelten Musik-Kneipe Freundlich + Kompetent an der Gestaltung des Birdland-Programms beteiligt sind, erklingen in der Eimsbütteler Jazz-Institution auch mal ausgesprochen poppige Sounds. Am 14. März steht dort eine Hamburger Musikerin namens Elena auf der Bühne, deren Texten ein kluger Wortwitz á la Judith Holofernes attestiert wird. Außerdem soll die studierte Sängerin und Pianistin „das Spiel zwischen Mädchen und selbstbewusster Lady“ beherrschen, weiß das Veranstalterinfo. Zu den genannten Referenzen zählen immerhin Lily Allen und Lana del Rey. Man darf gespannt sein, wie es Elena gelingen wird, dem altehrwürdigen Hamburger Jazz-Schuppen in der Gärtnerstraße einen Hauch von poppiger Modernität zu verleihen.

 

Stummfilme

Das Metropolis Kino zeigt vom 13. bis 20. März verschiedene Stummfilme mit musikalischer Live-Begleitung. Mit dabei: Tuten und Blasen sowie das Gitarrenorchester Gilbert Couché.

Der Österreicher Carl Mayer (1895–1944) hat in Deutschland das Drehbuchschreiben nachgerade erfunden. Im Stummfilm jedenfalls konnte ihm keiner den Griffel reichen, so ausgeklügelt waren seine Plots, so expressiv und poetisch selbst die Kamera-Einstellungen ausformuliert. Nur zur Musikbegleitung hat der Autor Mayer geschwiegen – sodass, anders als den Regisseuren seiner Filme, zeitgenössischen Musikern allerhand Freiheit bleibt. Den überlieferten Teil seines Gesamtwerks zeigt das Metropolis im Rahmen eines Stummfilmfestivals. Den Soundtrack dazu liefern live am Kinoklavier Werner Loll, Marie-Luise Bolte sowie Ulrich Kodjo-Wendt. Doch auch komplette Ensembles gastieren im Kino. So wird Mayers berühmtester Film, Das Cabinet des Dr. Caligari (13.3.), vom Quartett Swiss Kriss illustriert. Einen Kontrapunkt dazu setzen Tuten und Blasen. F. W. Murnaus Sozialdrama Der letzte Mann (14.3.) begleitet das 16-köpfige Ensemble streng nach Noten. Einen deutlich geerdeteren, von Blues- und Rockmusik geprägten Sound unterlegt das Gitarrenorchester Gilbert Couché Murnaus erstem in Amerika gedrehtem Film Sunrise – A Song of Two Humans (20.3.).

 

Fantômas Reloaded

Was geht’s dem Nachwuchs? Das MUT! Theater zeigt am 13. März, was aus der „Tochter des Fantômas“ geworden ist: tätowiert und im Opiumrausch.

Wird nicht jedes Elternherz warm und prall vor Stolz, wenn die Kinder das Lebenswerk fortsetzen möchten? Fantômas’ Herz wäre es sicher gewesen, wäre er nicht tot. Kaum haben Inspektor Juve und der junge Journalist Fandor den in Paris bekannten Serienkiller Fantômas überführt, kündigt die Tochter eine Fortsetzung an. Hélène ist tätowiert, raucht Opium und trägt Männerkleider – eine schöne Abwechslung zu dem konventionellen Frauenbild am Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Journalist Fandor beweist einen mutigen Geschmack für 1912, denn Hélène ist seine Verlobte. Die Ermittlungen fangen von vorne an und Lady Beltham, Fantômas’ untergetauchte Komplizin, ist vielleicht die Einzige, die den Ermittlern eine Hilfe sein könnte. Die Tochter des Fantomas in der Regie von Frauke Nordmeier ist der erste abendfüllende Thriller des Horrortheaters Das Kabinett des Doktor Tumblety. Anfang 2011 in Köln gegründet, zog das erste Horrortheater Deutschlands 2013 nach Hamburg und bringt seitdem Schauerdramen, gespenstische Lesungen und Unheimliches aller Art auf hiesige Bühnen. Gefüllt mit Zitaten der klassischen Literatur, surrealen Charakteren und unterlegt mit elektronischer Musik verwandelt sich das Stück zu einer Mischung aus klassischer und experimenteller Erzählung.

Text: Adriana Jodlowska

 

„Glückliche Tage“

Das absurde Endspiel von Samuel Beckett läuft vom 13. bis 15. März im Schauspielhaus – die Vorstellungen sind ausverkauft. Für den Mai gibt es aber noch Karten.

Ein einsamer Erdhügel in einer Wüstenlandschaft, sonst nichts. Unbarmherzig brennt die Sonne auf eine Frau um die Fünfzig, die in dem Hügel gefangen ist. Viel Gestaltungsraum hat der irische Dichter Samuel Beckett nicht gelassen. Umso erstaunlicher, wie Katie Mitchell in ihrer Inszenierung von Glückliche Tage mit den strikten Vorgaben für das Bühnenbild umgeht: Die britische Regisseurin hat ihre apokalyptische Landschaft in ein alltägliches Wohnhaus verlegt, das bis zur Hälfte überschwemmt ist. Trotz ihrer misslichen Situation schwelgt Winnie fröhlich plappernd in Erinnerungen und Belanglosigkeiten … Julia Wieninger kontrastiert ihre körperliche Eingeschränktheit durch ihre Mimik und ein gut choreografiertes „Fingerballett“, während sie Wortkaskaden auf Willie plätschern lässt und sich mit den Gebrauchsgegenständen aus ihrer Tasche beschäftigt. Das Pärchen wirkt erstaunlich jugendlich und repräsentiert ein zeitgemäßeres Bild der heutigen Fünfzigjährigen als in vielen Interpretationen des Stückes von 1961 üblich. Nach der Pause steht Winnie das Wasser wortwörtlich bis zum Hals … Wie wir unausweichlich und sehenden Auges in die Katastrophe gehen, führt uns Katie Mitchells bis zum Schluss erfrischend entstaubte Inszenierung vor – mit einem grandiosen Bühnenbild von Alex Eales und einer großartigen Julia Wieninger.

Text: Angela Kalenbach

 

„Infam I + II“

Theatralisch-philosophisches Labyrinth der Mächte: Die Regisseurin Isabelle McEwen auf den Spuren von Michel Foucault – am 13. und 14. März im Lichthof Theater.

Versalien und ein Hauch von Anarchie begleiten Isabelle McEwens Werdegang. 2006 gewann sie mit ihrer Theaterarbeit Hure den ersten Preis beim Pornofilmfestival Berlin. Doch Nacktheit ist für die Regisseurin kein voyeuristisches Schmuddel-Vergnügen, sondern ein Mittel zur Gesellschaftskritik. Außerdem ist McEwen ein Fan von Foucault. Gleich zwei Abende lang spürt sie ganz im Sinne des französischen Philosophen Diskurse der Macht auf. Infam I erzählt von den Mächtigen, die im Namen von Freiheit und Demokratie die Weltbühne beherrschen. Infam II dreht sich um Gewalt und Herstellung von Ordnung. Zwischen Theater und Philosophie geht McEwen der Frage nach, wie in der Öffentlichkeit über die Mächtigen und die Machtlosen gesprochen wird, und ob es wahre Nachrichten geben kann. Foucault hätte wohl entschieden mit „Nein“ geantwortet, bei McEwen dürfen die Zuschauer womöglich eine eigene Antwort finden.

Text: Natalia Sadovnik

 

Haehnel und Müller

Zwei Bärte für ein elektronisches Sommertanzgewitter – ein Kölner Duo erhellt die dunklen Gemäuer des Kiezclubs Villa Nova.

Fallen die Begriffe Köln und elektronische Tanzmusik in einem Satz, folgt meist unmittelbar darauf der Name Kompakt. Das Label, das mit Michael Mayer und Wolfgang Voigt an der Spitze so ziemlich alles signte, was die Stadt am Rhein technoid für die Welt bereithielt und -hält. Seit 2010 muss man dieser Regel jedoch eine fast ebenso hartnäckige Ausnahme hinzufügen: Andhim. Fast zeitgleich mit dem Zusammenschluss der beiden Kölner Simon Haehnel und Tobias Müller schien das Duo aus der elektronischen Szene schon nicht mehr wegzudenken. Die Groove und die Raveline wählten sie synchron in ihre Top Ten der beachtenswertesten Newcomer, den Geheimtippstatus übersprangen sie leichtfüßig und spielten sich spätestens 2012 gemeinsam mit Super Flu und dem Track Reeves ins allgemeine Raver-Bewusstsein. Und dort haben es sich die beiden bärtigen Rheinländer richtig gemütlich gemacht. Den Hip-Hop als musikalisches Sozialisationsfeld im Rücken, samplen und produzieren sie sich ihren Sound zusammen, der irgendwo zwischen Beats im Geradeaus-Modus und metaphorischen Sommersonnenaufgängen schwebt – selbst in dunklen Gemäuern wie der Villa Nova.

Text: Miriam Mentz