Lesezeichen
 

Boysetsfire

Aus dem Post-Hardcore-Ruhestand auf die Bühne zurückgekehrt, verbreitet die Band weiterhin munter Stinklaune und Lautstärke.

Zweiter Frühling für den Wutbrocken: 2007 hatte die Band aus Delaware die Gitarrenkabel eigentlich bereits aufgerollt und die Verstärker auf den Dachboden gewuchtet. Doch das Leben nach dem Post-Hardcore ließ offenbar doch zu viel vermissen: 2011 gingen Frontmann Nathan Gray und seine Mitstreiter wieder auf Tour, zwei Jahre später erschien das Comeback-Album While A Nation Sleeps. Viel verändert hat sich in der Zwischenzeit nicht: Im mittlerweile zwanzigsten Jahr ihres Bestehens pflegen Boysetsfire weiterhin Stinklaune und Lautstärke. Im besten Punksinne politisiert Gray brüllend gegen konservative Bigotterie, der auf den Zuhörer einprügelnde Gitarrensturm hält auch mal für Pathos und hymnische Singalongs inne. Boysetsfire sind nach wie vor eine gut geölte Krachmaschine, die sich noch ein wenig Zeit nehmen darf um erneut in der Versenkung zu verschwinden. In Hamburg spielt die Band gleich drei Konzerte im Gruenspan – inklusive eines kurzen Akustik-Gigs am 3. Oktober für Fans, die Tickets für alle drei Termine gekauft haben.

Text: Michael Weiland

 

Roger Cicero

Eine Big Band im Rücken präsentiert der Wahlhamburger Roger Cicero sein aktuelles Album „Was immer auch kommt“ im CCH.

Mit Männersachen fing alles an. Die Melone auf dem Kopf, besang Cicero im gut sitzenden Anzug all jene Themen, die das Zusammenleben von Mann und Frau doch immer wieder zu einem langen Weg voller Stolpersteine und Fettnäpfchen macht. Vier Alben später spielt das Beziehungsleben und das ausbleiben eben dessen immer noch eine tragende Rolle in Roger Ciceros Texten – doch fällt der Blick heute auch weiter. Zwischen Big-Band-Nummern und Schmunzel-Swing, haben sich auf dem neuen Album Was auch immer kommt auch grüblerische Passagen eingemischt, das Live-Programm wurde um soulige Elemente erweitert. Der Musiker schnippt immer noch mit dem Finger, das jugendliche Schulterzucken wird jedoch durch Achtsamkeit abgelöst. Ob das damit zu begründen ist, dass Cicero die Meditation für sich entdeckt hat? Was immer auch kommt – für so ein neues Motto braucht es schließlich eine Menge Gelassenheit.

 

Beats im Planetarium

Mit French-Chillout-Klängen und Lasereffekten malt Raphaël Marionneau im Planetarium einen abgefahrenen Hamburger Sternenhimmel.

Einen Mangel an Kreativität kann man Raphaël Marionneau beim besten Willen nicht vorwerfen. Als der gebürtige Franzose 1993 nach Hamburg kam, arbeitete er als Art Director eines Grafikstudios und kreierte unter anderem die Flyer und Plakate für den Mojo Club. Nebenbei schuf er als DJ aus Ambient, Trip-Hop und klassischer Musik einen so einzigartigen Sound, dass man früh die Notwendigkeit sah, diesem neuen Genre einen Namen zu geben: French-Chillout. Die regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen, bei denen er in entspannter Atmosphäre auflegte, sollten schnell zu angesagten Events werden. Sich der Technik des Planetariums bedienend, lädt Raphaël Marionneau im Rahmen von le voyage mit Visualisierungen, Laser und seinen Beats zu einem Trip durch den Kosmos ein.

Text: Jannis Hartmann

 

„Gemischtes Doppel“

Frischer Lesestoff: Annemarie Stoltenberg und Rainer Moritz stellen Neuerscheinungen im Literaturhaus vor.

Ein gutes, wirklich fesselndes Buch in der unvorstellbaren Menge neuer Titel zu finden, ist manchmal keine leichte Aufgabe. Während man sich bei Filmen einfach Trailer anschauen kann, gestaltet sich die Suche nach neuem Lesestoff oft etwas zeitaufwendiger. Vermutlich ist diesem Umstand der Erfolg der Lesereihe Gemischtes Doppel geschuldet. Die Moderatorin der Reihe, Annemarie Stoltenberg, ist dem interessierten Publikum seit Langem bekannt. Als Literaturexpertin auf NDR Kultur und mit zahlreichen Buchvorstellungen sorgt sie dafür, dass spannende Bücher ihre Leser finden. In diesem Jahr sitzt sie erneut in der Jury des Deutschen Buchpreises. Zusammen mit dem Leiter des Literaturhauses, Rainer Moritz, stellt Annemarie Stoltenberg am 29. September 16 literarische Neuerscheinungen (Belletristik und Sachbücher) vor, die man direkt bei der Lesung kaufen kann. Das ist ein nettes Montagabend-Programm.

Text: Natalia Sadovnik

 

Flip Grater

Die Neuseeländerin ist sesshaft geworden, zumindest fürs Erste. In Paris hat sie ihr neues Album „Pigalle“ aufgenommen, das sie nun im Nachtasyl präsentiert.

Das Viertel Pigalle ist weit über die Grenzen Paris‘ hinaus bekannt. Das Moulin Rouge ist hier beheimatet, einst ließen sich dort Pablo Picasso oder Vincent van Gogh nieder, heute lässt kaum eine Touristentour die Straßen zwischen dem 9. und dem 18. Arrondissement aus. Wirklich wunderlich ist es nicht, dass die Neuseeländische Songwriterin Flip Grater ihr neues Album ausgerechnet nach diesem Viertel benannt hat. Lange reiste sie von Ort zu Ort, nun hat sich Grater fürs Erste in Paris niedergelassen und schreibt hier ihre Songs, die noch immer zwischen Sehnsucht und Wehmut wechseln, die sie auf dem neuen Album jedoch auch häufiger dem ein oder anderen Experiment ausgesetzt hat. Wovon Grater auch musikalisch begleitet wird – ob Gitarre, Trompete oder Mandoline zum Einsatz kommen, bleibt es vor allem immer die warme, volle Stimme der Wahlpariserin, die einen in ihren Bann zieht und das Herz auf wundervolle Weise schwer macht – live ganz besonders.

Text: Miriam Mentz

 

„Babettes Fest“

Verlust, aber nicht verloren: Benefizlesung mit Martina Gedeck für den Verein Verwaiste Eltern und Geschwister in den Kammerspielen.

Was, wenn ein Kind stirbt? Für die Eltern und Geschwister bricht eine Welt zusammen. Jedes Jahr endet in Deutschland das Leben von 16.000 bis 20.000 Kindern und Jugendlichen. Der Verein Verwaiste Eltern und Geschwistern Hamburg e.V. hilft den Angehörigen beim Trauern, berät und begleitet behutsam. Zugunsten dieser Einrichtung liest die Schauspielerin Martina Gedeck (weibliche Hauptrolle in Das Leben der Anderen) am 28. September Tania Blixens’ Erzählung Babettes Fest. Es ist die Geschichte einer Starköchin, die ihren Job verliert, in einer kleinen norwegischen Stadt landet und hier unerkannt als Magd arbeitet. Im Haushalt von zwei pietistischen Schwestern lebt sie ein ruhiges und bescheidenes Leben – bis sich eines Tages die Gelegenheit bietet, ihre Kochkunst zu reaktivieren und ein meisterhaftes Dinner für Freunde zu zaubern. Den Soundtrack für dieses lukullische Märchen liefert die Band Little Lucille mit einer Mischung aus Rock-, Pop- und Jazz.

 

Rolando Villazón

Der weltberühmte Opernsänger präsentiert seinen Debüt-Roman namens „Kunststücke“ im Rahmen des Harbourfront-Literaturfestivals.

Eigentlich kennt man ihn ja von großen Opernbühnen. Und wenn er nicht gerade singt, versprüht er in TV-Shows seine offensiv gute Laune: Rolando Villazón ist überall ein gern gesehener Gast, immer mit Schalk im Nacken und einen Spruch auf den Lippen. Nun hat der weltbekannte Tenor und Kulturbotschafter Mexikos (der sich laut eigener Aussage schon als 10-jähriger Junge am Schreiben versuchen wollte) ein Buch herausgebracht, in dem es um einen armen, unglücklichen Clown geht, der ein Buch über einen anderen, allerdings erfolgreichen und glücklichen Clown schreibt. Kunststücke ist der Titel von Villazóns bei Rowohlt erschienenem Debüt-Roman, aus dem er am 1. Oktober im Rahmen des Harbourfront-Literaturfestivals in der ihm wohl bekannten Laeiszhalle lesen wird. Den Besucher erwarten laut Ankündigung „Poesie, Humor und philosophischer Witz, eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten voller Zauber und Magie“.

 

Literatur-Quickie

Kurz und bündig: Tobias Sommer, Simone Buchholz, Andreas Behm, Sabrina Schlauer und Karen Köhler laden zu ihren  15-minütigen Lesungen.

Prosa im Kurzformat: Bei den Literatur-Quickies, die der Hamburger Autor und Schriftsteller Gunter Gerlach seit vielen Jahren mit bewundernswertem Durchhaltevermögen veranstaltet, liegt in der Kürze die Würze. Mehrere Autoren treten an, um jeweils eine Viertelstunde zu lesen – keine Minute mehr. Das zwingt die Autoren zum sorgfältigen Editieren ihrer Texte und zu einem halbwegs unterhaltendem Vortrag. Am 28. September ist es mal wieder soweit: Den nächsten Literatur-Quickie bestreiten Tobias Sommer, Simone Buchholz, Andreas Behm, Sabrina Schlauer und Karen Köhler. Letztere hat kürzlich ihren neuen Roman namens  Wir haben Raketen geangelt veröffentlicht, aus dem sie an diesem Abend vorlesen wird. Vielversprechend ist auch der Titel des jüngsten Werks von Sabrina Schauer. Es heißt Löffelweise Alltagsscheiße und enthält unter anderem eine Bedienungsanleitung für sich selbst. Das klingt nach Spaß – wenn auch etwas bitterem.

 

FEM Live Sessions

Deutsch-brasilianisches Treffen der musikalischen Art: Sängerin Maria Gadú und Singer/Songwriter Ingo Pohlmann teilen sich die Bühne des Mojo Clubs.

Zum sechsten Mal findet dieses Jahr in Köln das Festival FEM statt, ein musikalisches Zusammentreffen von deutschen und brasilianischen Künstlern. Und weil die Idee zu schön ist, um lediglich der Domstadt vorbehalten zu bleiben, gehen die FEM Live Sessions zur selben Zeit auf Tour: In Hamburg werden sich der Singer-Songwriter Ingo Pohlmann und die brasilianische Sängerin Maria Gadú die Bühne des Mojo Clubs teilen. Die 27-Jährige ist eine der wichtigsten Vertreterinnen der Música Popular Brasileira, ihre Mischung aus Samba, Funk und afrikanischen Rhythmen hat sie in ihrer Heimat zum Star gemacht. Ingo Pohlmann trägt seine freundlichen Gitarrensongs mit leiser Melancholie zum Abend bei. Nachdem die letzte Begegnung der beiden Länder auf dem Fußballplatz eine eher unausgeglichene Nummer war, verspricht diese Live-Session nichts als Harmonie.

Text: Thorsten Moor

 

Freundlich + Kompetent

Das (vorläufige) Ende einer Szene-Bar mit Zukunft: Das Freundlich + Kompetent gibt seine Abschlussparty. Julian Jasper und Julius Horn erklären, wie es dazu kam.

SZENE HAMBURG: Am 30. September habt ihr zum letzten Mal geöffnet. Wie kommt’s?

Julian: Unser Mietvertrag ist ausgelaufen und wird leider nicht verlängert. Hier sollen jetzt Wohnungen entstehen.

Was waren eure Highlights in den letzten sieben Jahren?

Julius: Zum Beispiel das allererste Konzert der Hamburger Hip-Hop-Band Eljot Quent oder die spontanen Sessions mit den Jungs von Liedfett.

Was plant ihr für den letzten Abend?

Julian: Der Abschied soll mit wundervollen Live Acts, tollen DJs, lachenden Gesichtern und viel Schnaps gefeiert werden. Wir starten bereits um 12 Uhr und ziehen dann voll durch. Außerdem werden Bands spielen, die uns über Jahre begleitet haben. Mehr wird nicht verraten.

Und danach?

Julius: Wir befinden uns in finalen Mietvertragsverhandlungen für eine Location in Barmbek-Süd. Bei der Closing-Party in der Gertigstraße können wir hoffentlich den neuen Standort verkünden. Vor Dezember werden wir aber sicher nicht eröffnen.

Interview: Ole Masch