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New Hamburg

Das dreiwöchige Festival auf der Elbinsel nimmt die Realität unserer Einwanderungsgesellschaft unter die Lupe – unter der Regie des Schauspielhauses.

Ein ganzer Stadtteil – angeleitet vom Deutschen Schauspielhaus, eingeladen von Pastor Ulfert Sterz – okkupiert die Immanuelkirche und macht aus ihm ein Theater. New Hamburg heißt das Projekt, das ganz bewusst auf der Veddel stattfindet – einem Stadtteil, der wie kein anderer die Einwanderungsgesellschaft abbildet. Insgesamt leben 60 Nationen auf der Veddel. Das dreiwöchige Festival startet mit dem Eröffnungswochenende am 3. Oktober. Das Programm spiegelt das Leben auf der Elbinsel wider. Einwanderung lautet das übergeordnete Thema, zu dem alle Programmpunkte führen. Es wurden ein Intercommunal Orchestra und eine New Hamburg Akademie gegründet. In den Festivalwochen findet ein Hearing zu unzumutbaren Wohnverhältnissen auf der Veddel statt, in dessen Rahmen Mieter bei Wissenschaftlern und Politikern Rat suchen und Dampf ablassen können.

Im Mittelpunkt stehen aber die theatralen Projekte. Die Installation Heimatmuseum (3., 10., 12., 19.10.) des Künstlers Adnan Softi basiert auf den Erlebnissen von 70- bis 80-jährigen Menschen, die sich regelmäßig im Erzählcafé über ihre Jugend auf der Veddel austauschen. Aus Interviews mit Bewohnern inszenierte Björn Bicker das Stück Die Insel (4., 5., 8., 11., 15., 24.10.), das die Veddel als Zukunftsmodell für eine multinationale Gesellschaft zelebriert. In der School Of Normal (18., 19., 22., 24.10.) werden Schüler zu Lehrern und berichten, wie ihre „normale Welt“ aussieht. Musiker von der Veddel und Gäste spielen Songs Of Gastarbeiter (7.10.), deren Geschichten in einer Performance erzählt werden.

Text: Lena Frommeyer

 

 

Fatih Akin

Der Hamburger Regisseur präsentiert seinen neuen Film „The Cut“, der ein Schicksal während des Völkermordes an den Armeniern im Osmanischen Reich zeigt.

Ein gut gelaunter Fatih Akin nahm am 27. September den Douglas-Sirk-Preis beim Filmfest Hamburg entgegen. Nicht für sein Lebenswerk – wie von allen Seiten betont wurde, dafür sei er mit 41 Jahren nun wirklich noch zu jung. Im Anschluss feierte sein neuestes Werk The Cut Premiere, das erneut am 3. Oktober um 16 Uhr im Passage Kino zu sehen ist. Akin komplettiert so seine Trilogie Liebe, Tod und Teufel.

The Cut zeigt ein Schicksal während des Völkermordes an den Armeniern im Osmanischen Reich. Ein junger Vater wird durch die türkische Armee aus seiner Familie gerissen. Er ist Armenier unter vielen, die alles verlieren – einer, der verhungernde Freunde in den Armen wiegt, im Blut seiner gelynchten Kameraden liegt, bespuckt, gequält, beschimpft wird, weil er ein tätowiertes Kreuz auf dem Handgelenk trägt. Und dennoch übersteht dieser junge Schmied namens Nazaret Manoogian das Martyrium. Er erfährt, dass seine Zwillingstöchter leben und folgt ihren Spuren durch die Wüsten Mesopotamiens nach Havanna bis in die kargen Prärien North Dakotas. Fatih Akins neuer Film The Cut ist gnadenlos und märchenhaft zugleich – Blut spritzt in schön konzipierten Bildern.

Text: Lena Frommeyer

 

Kunst im Gängeviertel

Die Ausstellungen „Ingest“ und „Lost Found And Stolen“ machen das Gängeviertel im Oktober erneut zum Place to be für Kunst.

Spannende Körperarbeit: In der Schau Ingest lässt Cordula Ditz ab dem 3. Oktober ihre Protagonistinnen auf Videostills, deren Hintergrund sie schwärzt, durch Raum, Zeit und einen Strudel an Verweisen stürzen, während Jürgen von Dückerhoff mit dem menschlichen Makel spielt und Isabell Kamp (Foto) den Körper in Keramiken in die Bestandteile zerlegt. Bei Henning Kles und Magda Krawcewicz lösen die Körper sich auf, verschwinden in Dunkelheit und werden fragmentiert, während Carsten Rabe ihre Abwesenheit brutal spürbar macht. In der Ausstellung Lost Found And Stolen von den Installations- und Aktionskünstlern We Are Visual, denen Hamburg die Um-Etikettierung des Apple Stores am Jungfernstieg in einen Microsoft-Laden zu verdanken hat, arbeiten Marc Einsiedel und Felix Jung im Raum linksrechts erstmals getrennt und schauen, was am Eröffnungstag (18. Oktober, 19 Uhr) passiert, während sich im Speckhaus sechs Kunstkollegen den Menschen auf ganz unterschiedliche Art einverleiben.

Text: Sabine Danek

 

Peter Brötzmann

Brötzen im Rohschnitt: Peter Sempels Film über den Ausnahme-Saxofonisten Peter Brötzmann feiert am 3. Oktober seine Premiere im Metropolis-Kino.

Dass der „Godfather of Free Jazz“ acht Stunden am Tag probt, will natürlich kein Laie glauben. Aber was Peter Brötzmann an irren Tönen und Geräuschen aus Saxofon, Klarinette und Tárogató so alles herausholt, hat sich der mittlerweile 73-jährige Remscheider mit Wohnsitz in Wuppertal seit den 1960ern schwer erarbeitet. Hamburgs „one and only“ Musikfilmpoet Peter Sempel (Dandy, Just Visiting This Planet, Nina Hagen – Punk & Glory, Lemmy, Die Ameise der Kunst) stellt den immer noch hoch energetischen Fluxus-Künstler, ehemaligen Assistenten von Nam June Paik und Pionier des europäischen Free Jazz in seinem jüngsten Filmwerk Rohschnitt Peter Brötzmann mit Aufnahmen unter anderem aus dem Hamburger Westwerk (wo Brötzmann schon zu einer Art Stammgast geworden ist) nun einem breiten Publikum vor.

 

Villa Nova

Aus dem alten Ego wird eine technoide Villa Nova. Am ersten Abend steht Gastgeber H.O.S.H zusammen mit Steve Bug an den Plattentellern.

Fünf Jahre lang betrieben die Macher des Diynamic Labels den Club Ego in der Talstraße. Mit der Schließung bot sich für zwei neue Veranstalter die Möglichkeit, ihren Traum des eigenen Ladens zu verwirklichen: Jörg Hill und Holger Behn eröffnen hier am 2. Oktober die Villa Nova, einen zeitlosen Techno- und House-Club. Beide sind in der Hamburger Szene keine Unbekannten. Seit zehn Jahren veranstalten sie das Grünanlage Open Air in Entenwerder. Behn ist zudem als DJ H.O.S.H. erfolgreich. Es wurde fleißig renoviert: das DJ-Pult nach hinten verlegt, Wand und Decke dunkelgrün gestrichen. Musikalisch setzen Hill und Behn hauptsächlich auf eigenes Booking und Programm. Neben nationalen und internationalen Acts sollen Hamburger Kreative durch einen Stamm von festen Residents unterstützt werden. Für Oktober haben bereits Nick Curly, My Favorite Robot, Ripperton oder Kollektiv Turmstrasse zugesagt. Am Eröffnungsabend wird Gastgeber H.O.S.H zusammen mit Steve Bug an den Plattentellern stehen. Zwei Tage später geht es mit neuen Residents und einem Überraschungsgast weiter.

Text: Gaby Olofson

 

„Knotenpunkt“

50 Künstler und eine Handvoll DJs: Die Galerie Affenfaust lädt vom 2. bis zum 5. Oktober zum Street- und Urban-Art-Festival in den Kolbenhof.

Leute, die an Arachnophobie leiden, sollten derzeit einen Riesenbogen um das Gängeviertel machen. Denn dort ist eine Riesenspinne eingezogen: Mit ihren glutroten Augen starrt sie hoch oben von der Hauswand in der Speckstraße. Gut, sie sieht ein wenig lädiert aus: Ihr Körper ist zweigeteilt und man kann ihre Innereien sehen – was sie nicht weniger gruselig macht. Der österreichische Graffiti-Künstler Nychos ist Schöpfer dieses eindrucksvollen Insekts, das Teil des Mural Kick Off des Knotenpunkt-Festivals ist: Mehrere Urban-Art-Künstler haben dafür im September Hamburger Hausfassaden mit Wandgemälden versehen. Das eigentliche Festival, das die Galerie Affenfaust nun zum zweiten Mal initiiert, findet Anfang Oktober im Kolbenhof statt:

Auf den 850 Quadratmetern der ehemaligen Fabrikhallen werden neben den großformatigen Werken von Nychos unter anderem auch die Illusionsarbeiten des Hamburger Künstlers 1010 (Foto) zu sehen sein, Pappkarton-Skulpturen der Kanadierin Laurence Vallières, Ballon-Installationen von Alexander Zissou und die Werbeplakat-Modifikationen des spanischen Künstlers Vermibus. Insgesamt mehr als 50 Akteure werden den Kolbenhof für vier Tage in einen Knotenpunkt der Street- und Urban-Art-Szene verwandeln. Passend musikalisch begleitet wird das Festival Freitag- und Samstagabend von DJ Dynamite, Deo&Z-Man, Steve David und DJ Phono.

Text: Julia Braune

 

Comicfestival Hamburg

Geld, Ruhm und Groupies: Das Fest der gezeichneten Geschichten zeigt einen Querschnitt der zeitgenössischen europäischen Independent-Szene.

Comic ist weniger ein Genre als eine Art, Geschichten zu erzählen. Und zwar in unendlicher Variation: Was Comics tun, können eben nur Comics. Mal sind sie hochverdichtet, mal ätherisch, sie sind gegenständlich, abstrakt oder karikierend, geradlinig oder zerschossen, zum Schreien komisch und zum Heulen traurig. Das Comicfestival Hamburg hat sich der anspruchsvollen, geradezu unlösbaren Aufgabe angenommen, einen repräsentativen Querschnitt zeitgenössischer europäischer Independent-Comics zu zeigen. Und schlägt sich gut.

Zu den Highlights des Festivals gehört die Ausstellung Comic Atlas Finnland (Foto: Auszug von Anna Sailamaa), wo experimentierfreudige Werke aus Europas Norden gezeigt werden, zudem wird der britische Shootingstar Luke Pearson mit einer Einzelausstellung bedacht: Seine Abenteuer-Reihe um das blauhaarige Mädchen Hilda wird international gefeiert, mit Was du nicht siehst erscheint nun seine erste Graphic-Novel auf deutsch. Mit zwei Gruppenausstellungen, Mummy! und Geld, Ruhm und Groupies!, sind auch Hamburger Künstler beim Festival vertreten.

Der Berliner Zeichner Mawil bittet am letzten Festivaltag an die Tischtennisplatten (5.10., 13 Uhr). Die stehen in der Sporthalle am Fischmarkt, nachgestellt wird eine Situation aus seiner Graphic-Novel Kinderland. Darin wird der Fünftklässer Mirco Watzke von den politischen Entwicklungen des Jahres 1989 vollkommen überrumpelt: Dabei hatte er doch ein Rundlauf-Turnier organisiert! Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls findet es dann eben auf St. Pauli statt.

Text: Michael Weiland

 

Kulturflut

Livemusik, Theater, Kleinkunst, Gastronomie und Kinderprogramm: Der Verein Stacksignale lädt zur großen Sause nach Finkenwerder.

Stacksignale e.V. möchte das kulturelle Angebot im Stadtteil Finkenwerder bereichern. Erstmals veranstaltet er deshalb das Festival Kulturflut. An drei Tagen wird dann die ehemalige Elbinsel sozusagen mit einem reichhaltigen Kulturprogramm überschwemmt: Das Spektrum reicht von Lesungen, etwa des Hamburger Autors Frank Schulz, über Improvisationstheater bis hin zu Comedy. Musik gibt’s unter anderem von der Hamburger Gruppe Der Fall Böse, aber auch von der britischen Oysterband. Zusätzlich werden die ganz jungen Besucher mit kindgerechtem Programm versorgt. Alle Veranstaltungen finden in einem großen Zirkuszelt statt; ein Kaffee- und Kuchenzelt versorgt zusätzlich mit Kulinarik – das Team der Kneipe Freundlich + Kompetent sorgt für Drinks, Dieter Sanchez für Burger und Philly Cheesesteak.

Text: Jannis Hartmann

 

Tanzen im Bunker

Feiern bis zum Morgengrauen (und darüber hinaus): Zwei Dutzend DJs beschallen die Schutzräume an der Feldstraße mit Club-Sounds.

Ob groß im Ballsaal, etwas intimer im Turmzimmer oder über den Dächern der Stadt im Terrace Hill: Gefeiert wird in der ObenUntenAlles-Nacht ganz nach Lust und Laune sowie auf allen Ebenen. Mit nur einem Ticket kann im gesamten Bunker an der Feldstraße vertikales Club-Hopping bis zum Sonnenaufgang (und darüber hinaus) betrieben werden. Mit insgesamt 24 DJs wird auch musikalisch Abwechslung geboten – unter anderem stehen Kotelett&Zadak (Foto), Sahne & Seife, Antoine Baiser, Pete Pellerito, Clark Davis, Rich vom Dorf, Chris Kistenmacher, StereoSphere, Bodega und Viktor Czyzewski an den Turntables. Für die Dekoration der Räumlichkeiten sind Die Dekologen zuständig. Um die „Gesichtsdeko“ der Besucherinnen und Besucher kümmern sich die Irisierenden Nachteulen. Kneifen gilt nicht – da müsst ihr durch.

Text: Jannis Hartmann

 

Nachtflohmarkt

Doppelevent unter der Sternbrücke: Überall Flohmarkt – in der Astra-Stube spielen Silly Walks Movement ihren Dub und Reggae.

Schallplatten, Kleidung und Raritäten kaufen und wummernde Dancehall-Beats hören? Geht! Während nämlich der Nachtflohmarkt ab 20 Uhr zahlreiche Freunde des Stöberns und Feilschens unter die Sternbrücke und in die anliegenden Nachtclubs lockt, wird die Astra-Stube ab 24 Uhr zur guten Adresse für Reggae-Fans. Silly Walks Movement gelten, seit sie Dub und Reggae nach Hamburg und Deutschland brachten, als Pioniere der Soundsystem-Szene in Europa. Dass das mittlerweile schon 23 Jahre her ist und ehemalige Wegbegleiter wie beispielsweise Tillmann Otto a.k.a. Gentleman ihr eigenes Ding machen, tut der Party keinen Abbruch. Es lohnt sich dementsprechend den nächtlichen Schnäppchen-Streifzug zu unterbrechen, um karibischen Klängen in der Astra-Stube zu lauschen.