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Unicorn Ball

Echte Einhörner, und solche, die es werden wollen, treffen sich zur „Voguing Party“ auf Kampnagel. Musikalische Beschallung gibt’s von DJ Daniel Wang.

Auf Kampnagel findet heute der erste Hamburger Vogue Ball statt. Voguing, der Tanz der Ausgestoßenen aus Harlem, der seit Jahrzehnten beweist, dass jeder Mensch unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe und Sexualität eine eigene magische Kraft besitzt, bringt nun auch die Nachtschwärmer der Hansestadt zum Tanzen! Irgendwo zwischen Coolness, Glitzer und Lidschatten kann bei The Unicorn Ball Hamburg jeder genauso weird, glamourös oder sexy sein, wie er eben ist oder immer sein wollte. Musikalische Begleitung zwischen House und Disco kommt vom amerikanischen DJ-Weltstar Daniel Wang, der mittlerweile in Berlin lebt. Also rein in den bezauberndsten Zwirn und ab nach Kampnagel. Es ist Zeit, sich mal gehörig selbst feiern. Und wer einfach nur zugucken und staunen möchte, ist ebenfalls herzlich willkommen.

Text: Ole Masch

 

3000 Grad im Docks

Mit erfreulicher Regelmäßigkeit beehrt das Label 3000 Grad den Club an der Reeperbahn. Diesmal startet der Abend entgegen alter Gewohnheiten dokumentarisch.

Wenn das Label 3000 Grad seine besten Pferde in den Club schickt, ist ein amüsanter Verlauf des Abends schon so gut wie gesichert. Das wird auch am 4. Oktober, wenn Mollono.Bass & Friends, Cascandy, Be Svendsen, The Micronaut und andere einmal mehr die Tanzfläche im Docks ins Kreiseln bringen, nicht anders sein. Obacht: Es lohnt sich, dieses Mal nicht die eigene Ankunft in gängiger Feiermanier bis zum Höhepunkt des Abends hinauszuzögern, denn der Samstagabend beginnt bereits um 22 Uhr jenseits des musikalischen Rahmenprogramms in der Prinzenbar. Dort wird der Label-eigene Dokumentarfilm gezeigt, der von den Anfängen und Entwicklungen der Leidenschaft für elektronische Musik erzählt und den Titel Von Wustrow nach Paris trägt. Er feiert hier, im ehemaligen Lichtspielhaus, Premiere. Herrliche Kombination: Tanz-Kultur-Bildung, gemütliche Theorie und gelebte Praxis in einer Nacht!

Text: Miriam Mentz

3000GRAD – VON WUSTROW NACH PARIS from 2blenden on Vimeo.

 

Olympia im Fokus

Zufall? In der Galerie Robert Morat und im Centro Sociale setzt man sich auf kritische Art und Weise mit den Olympischen Spielen auseinander.

Der niederländische Fotograf Rob Hornstra studierte gemeinsam mit dem Schriftsteller und Filmemacher Arnold van Bruggen in einem Langzeitprojekt die Geschichte der Stadt Sotschi und ihrer Bewohner. Sie dokumentierten „die massiven Veränderungen und Eingriffe in die Landschaft und den Alltag der Stadt, im Zuge der Vorbereitungen auf die Olympischen Winterspiele und darüber hinaus. Sotchi wurde zu einem Symbol für das Russland des Wladimir Putin“, heißt es in der Ankündigung der Galerie Robert Morat. Die ausgestellte Bilderserie Ballets Russes zeigt die Schüler einer Ballettklasse, „10-jährige Ballerinas mit hoffnungsvollen großen Augen, die symptomatisch für das gesamte Projekt stehen, für den Gegensatz von Verheißung und Realität“.

Im Centro Sociale stellt man sich währenddessen die Frage: „Olympia in Hamburg. Muss das wirklich sein?“ Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Brot & Spiele der Bundeskoordination Internationalismus setzt man sich kritisch mit großen Sportevents auseinandersetzen – wer profitiert und wer leidet, wenn die Spiele nach Hamburg kommen, wird hier diskutiert.

Text: Lena Frommeyer

 

Drawing Room

In die kleine Galerie zieht die Fotokunst von Sabine Hornig. Sie fotografiert Glasscheiben im öffentlichen Raum, in denen sich die Umgebung spiegelt.

Small is Beautiful sagen die Kunsthistoriker Alexander Sairally und Esther Schulte und konzentrieren sich in ihrem Drawing Room auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit interessanten Positionen. Wie der von Sabine Hornig, die sich in ihren Fotoarbeiten mit Schaufenstern beschäftigt, mit den Räumen, die durch Spiegelungen entstehen, dem Innen und Außen, das neu zusammengesetzt wird. Das kann ein öffentlicher Platz sein, der sich in den vielen Glasscheiben eines Gebäudes mit moderner Architektur spiegelt. Oder ein zerstörter Raum, ein abgerissenes Haus, Betonbrocken und Metallstreben, die durch Licht, Schatten und Spieglungen im Nachbargebäude wie ausgestellt wirken. Manchmal entdeckt man auch die Fotografin selbst in den Reflexionen, wie sie auf den Abzug drückend Teil des eigenen Kunstwerkes wird. Sabine Hornig spielt mit Wahrnehmung und Realität – das gefällt.

Text: Sabine Danek

 

Fanfare Ciocărlia

Schweißtreibende Blasmusik, die glücklich macht: Die 12-köpfige rumänische Kapelle macht auf ihrer Tour mal wieder Halt in der Fabrik.

Seitdem sie Mitte der Neunziger zum ersten Mal durch Europa tourten und damit auch die ersten umjubelten Auftritte in Hamburg absolvierten, will man sie nicht mehr missen: Fanfare Ciocărlia sind eine bis zu 12-köpfige Blaskapelle, jawohl: Blaskapelle. Aus Rumänien. Doch ihre Musik ist alles andere als oktoberfestkompatibel oder für Märsche geeignet (obwohl man gern mal eine Kompanie dazu exerzieren sehen würde). Die Musik von Fanfare Ciocărlia ist flott und strotzt vor Temperament. Ab und zu ist tatsächlich mal eine Art Trauermarsch dabei. Doch wenn die Herren mit ihren Tanznummern loslegen, steht garantiert kein Bein mehr still. Geschwindigkeiten von 160 Bpm sind dabei keine Seltenheit. Und sicher haben sie diesmal auch wieder die eine oder andere Coverversion im Repertoire. Auf unserer Wunschliste stehen Steppenwolfs Born To Be Wild und Duke Ellingtons Caravan.

 

„Die große Reise des Akkordeons“

Nachdem Manuel Vega auch beim 17. Versuch scheitert, das größte Akkordeonfestival der Welt in Kolumbien zu gewinnen, fliegt er nach Deutschland.

Wie Leningrad Cowboys Go America – bloß mit besserer Musik. Die Reise eines kolumbianischen Akkordeonvirtuosen und seiner Band ins baden-württembergische Trossingen hat Regisseur Rey Sagbini, Absolvent der Hochschule für bildende Künste (HfbK), im Film Die große Reise des Akkordeons festgehalten. Hauptfigur ist dabei der kolumbische Musiker Manuel Vega, der 17 Mal am größten Akkordeonfestival der Welt in Valledupar teilnahm und dabei nie die Siegeskrone aufsetzen durfte. Als er plötzlich eine Einladung aus Deutschland in den Händen hält, beschließt er, so sein Glück zu finden. Vallenato heißt der populäre Musikstil, den das Trio hier erfolgreich mit den Klängen des einheimischen Akkordeonorchesters kombiniert. Der Film erzählt von bewegenden Begegnungen im Rahmen einer außerordentlichen Fusion musikalischer Kulturen. Der Regisseur ist bei der Hamburg-Premiere zu Gast.

 

Future Islands

Nicht gerade eigenständig, aber unterhaltsam: Die Band aus Baltimore stellt ihr aktuelles Album live in der Markthalle vor.

Ein wenig hat man ja das Gefühl, Samuel Herring sei auf dem Weg zum Proberaum falsch abgebogen: Statt bei seiner Schweiß-und-Herzblut-Rockband ist er eines Tages im Keller einer unterkühlten Elektropop-Gruppe gelandet. Live könnte man sogar denken, da sei noch mehr schiefgelaufen: Seit einem denkwürdigen, grandiosen Auftritt in David Lettermans Late-Night-Show (wer das Video da unten nicht anklickt, ist selber schuld) kennt so ziemlich die ganze Welt Herrings Ausdruckstanz auf der Bühne. Dieses Jahr erschien Future Islands’ drittes Album Singles, das der Frontmann erneut inbrünstig vollgesungen hat; der Wave-Pop, der ihm dafür als Grundlage dient, gibt sich allerdings deutlich zurückhaltender. Die Band aus Baltimore ist weniger eigenständig als immerhin wiedererkennbar. Unterhaltsamkeit darf man ihr allerdings uneingeschränkt bescheinigen.

Text: Thorsten Mohr

 

Rhonda

Das Hamburger Quintett um Sängerin Milo Milone spielt seinen 60s-Soul mit Dosenbier- und Punkrock-Charme live im Hafenklang.

Da haben wir nicht schlecht geguckt, als wir das Konzert von Rhonda am 27.9. im Hafenklang ankündigen wollten; war der Termin doch auf einmal wie vom Erdboden verschluckt. Es wird gemunkelt: Businesskram. Kurz nach dem Reeperbahn Festival ploppte dann nämlich dieser Termin am 4. Oktober auf, der uns die neuen Vintage-Soul-Lieblinge aus Hamburg nun doch noch im Hafenklang beschert. Schon lange bevor das Quintett um Sängerin Milo Milone das Debütalbum Raw Love veröffentlichte, haben Rhonda live überall begeisterte Massen hinterlassen. Doch wer ihre Geschichte kennt, wundert sich darüber nicht. Mit der einschlägigen Erfahrung aus Bands wie den Trashmonkeys oder auch Bernd Begemann & die Befreiung bringen Rhonda genau die richtige Dosis Punkrock mit, um ihren Soul nicht zu glatt zu spielen. Regelmäßig blitzt in ihren Songs der raue Charme von Dosenbier auf, der den 60s-Vintage-Soul des Fünfers vor allem live – aber auch auf Konserve – so energetisch und großartig klingen lässt. Raw Love halt.

Text: Jan Kahl

 

„Die Neger“

Das vieldiskutierte Stück von Jean Genet in einer Inszenierung von Johan Simons feiert seine Premiere im Schauspielhaus.

Sobald sich Schauspieler mit heller Haut das Gesicht schwarz bemalen, um Menschen mit dunkler Haut zu spielen, berührt das ein sensibles Thema: In den amerikanischen minstrel shows des 19. Jahrhunderts war blackfacing eine rassistische Theater- und Unterhaltungsmaskerade. So versetzte das Stück Die Neger antirassistische Initiativen bereits in Aufruhr, noch bevor Johan Simons es im Juni bei den Wiener Festspielen erstmals auf die Bühne brachte. Der berühmte Regisseur verwendet dafür reichlich schwarze Schminke (und weiße), allerdings für ein Stück, das als Groteske die Absurdität von Stereotypen anklagt. Jean Genet, offener Sympathisant der Black Panthers, fächert in seinem Maskenspiel aus dem Jahr 1958 Rassismen aus verschiedenen Perspektiven auf. Es ist somit nur konsequent, wenn Johan Simons diesem Rassismus auf der Bühne direkt den Spiegel vorhält, indem er seine Fratzen zeigt. Ursprünglich sollte Die Neger bereits im Juni gezeigt werden. Nicht aufgrund der heiklen Bildsprache, sondern wegen eines Unfalls im Schauspielhaus-Ensemble wurde es damals abgesagt. Am 4. Oktober kommt es nun endlich auf die Bühne.

Text: Katharina Manzke

 

Neue, alte Bühne

Sandra Kiefer, Jan Holtappels und Lars Ceglecki eröffnen am 3. Oktober das neue „Theater das Zimmer“ in der Washingtonallee.

Helmuth Gmelin war durch und durch ein Mann des Theaters, für den sich Kunst und Leben vollkommen vermischten. Vor 65 Jahren machte er seinen Wohnbereich im vierten Stock eines Hauses in der Alsterchaussee zu einer Bühne, ohne trennende Rampe, in unmittelbarer Nähe zum Publikum. Jahrzehntelang war das Theater im Zimmer in Hamburg sehr beliebt, auch nachdem es 1952 in größere Räume umgezogen war und nach Helmuth Gmelins Tod, von seiner Tochter Gerda geleitet wurde. 1999 musste es geschlossen werden, weil es nicht weiter subventioniert wurde. Mit dem Theater in der Washingtonallee gab es noch eine vergleichbare Spielstätte im Miniaturformat. Auch dort wurde der Betrieb eingestellt, im Juli dieses Jahres. Sandra Kiefer, Jan Holtappels und Lars Ceglecki lassen Helmuth Gmelins Tradition in dem winzigen Bühnenraum in der Washingtonallee mit 40 Publikumsplätzen nun wieder aufleben. Ihr Theater das Zimmer eröffnet ab dem 3. Oktober mit einem vielseitigen Programm für alle Altersgruppen. Los geht es mit Tagträumer, einer poetischen Großstadtballade von William Mastrosimone.

Text: Katharina Manzke