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Deafheaven

Das junge Quintett aus San Francisco vermittelt zwischen Post-Rock, Black Metal, Screamo und Shoegaze – live im Hafenklang.

Sunbather, Deafhavens Platte aus dem vergangenen Jahr, fand ihren Weg auch zu Leuten, die mit Metal sonst nicht so viel am Hut haben. War einigen auch nicht recht: auf einmal Black Metal abfeiern, aber nicht mal Slayer auf dem iPod haben. Grabenkämpfe zwischen Hipstern und Metalheads mal außen vor gelassen, ist Sunbather eine sehr versöhnliche Platte: Irgendwo zwischen Post-Rock-Melodien mit Shoegazer-Akkordwechseln, Double-Bass-Attacken und Geschrei, bis die Kehle blutet. Das ergibt einen epischen Wutbrocken, der gar nicht so weit weg von Instrumental-Apokalyptikern wie Godspeed You! Black Emperor im Berserker-Modus ist. Im Ansatz ist das ein bisschen experimentell und arty, in der Ausführung aber absolut bauchgesteuerte Musik. Den Kopf braucht es gar nicht, nur zum Moshen. Gibt im Hafenklang bestimmt ein paar aufopferungsvolle Mattenträger, die den Indie-Kids zeigen, wie das geht.

Text: Michael Weiland

 

 

The Last Things

Frau Hedi schippert für die Hasenschaukel – und eine Hamburger Garagenband bringt (nicht nur) das Hafenbecken zum Wippen.

Auch wenn es vorgekommen ist, dass Gäste der Hasenschaukel zu später Stunde den festen Stand vermissen ließen, geschaukelt hat in der Silbersackstraße nicht viel. Das wird auf der Hedi etwas anders, die für ein Konzert der Last Things zum Exil des befristet stillgelegten Clubs erkoren wurde. Auf der sich übers Elbwasser wiegenden Barkasse testet die Hamburger Garagenband ihre Seemannsbeine, live-erprobt ist sie zur Genüge: In den Lebensläufen der Bandmitglieder stehen die Rock’n’Roll-Combos Tigerbeat und Onetwothreefour, als The Last Things hat man für Toy und The Datsuns die Vorgruppe gemacht. Da wippt nicht nur das Hafenbecken. Und wenn die Verstärker langsam wieder auskühlen, gibt es Musik aus der Dose: Die Hasenschaukel-DJs Tan LeRacoon und Der Feine Herr Bergwerker legen bis zum Anlegen auf.

Text: Michael Weiland

 

„Moderne Zeiten“

Charlie Chaplins Meisterwerk über den Menschen in einer industrialisierten Welt läuft beim Frei Luft Kino am Rathausmarkt.

Eines der Hauptwerke des genialen Regisseurs, Schauspielers und Komikers Charlie Chaplin: In Moderne Zeiten gerät die von Chaplin verkörperte Figur des Tramp in die durch und durch industrialisierte Welt der modernen Massengesellschaft: “Am Fließband einer Fabrik, dann buchstäblich im Räderwerk der Maschine, später als Testperson eines ‚Frühstücksautomaten‘ und als unfreiwilliger Streikführer erlebt er die Absurdität eines reglementierten Lebens, das die Menschen zu Anhängseln der Apparatur degradiert” (Veranstalter-Info). Stempel-Uhr, Unterdrückung, Massenarbeitslosigkeit, Taylorismus, Weltwirtschaftskrise, Überforderung, Deformation – all das kommt in diesem Film vor, und obwohl der Tramp uns das ganze Grauen der kapitalistischen Arbeitswelt vorführt, ringt er uns dabei noch 1.000 Lacher ab. Immer wieder sehenswert! Im Vorprogramm läuft der Kurzfilm Démontable (2013) von Douwe Dijkstra.

 

Bill Callahan

Der charmante Weirdo, der seine Platten früher unter dem Namen Smog veröffentlichte, gastiert zur Präsentation seines neuen Solo-Albums im Mojo Club.

Aus verschiedenen amerikanischen Songwriting-Traditionen von Country über Folk zu Soul und Rock ’n’ Roll schöpft Bill Callahan Inspiration. Die Songs des US-Musikers, dessen eindringlich-geistesabwesender Bariton schon Faszinosum genug ist, sind auch auf seinem aktuellen Album Dream River wunder- und sonderbare Erzählskizzen. Mit tollen inszenatorischen Einfällen – wie wenn Callahan mehr summt als singt „The only words I’ve said today are ‘beer’ and ‘thank you’“, und das dann über ein paar weitere Takte dem Hörer vorführt. Dazu spielt Callahan einen um die E-Gitarre gebauten leisen Verweigerungsrock, aufs Nötigste reduziert, mit ein paar kleinen Arabesken (etwa eine traurige Fiddel als Luxusgut). Dennoch ist das weit entfernt von dem Lo-Fi-Folk, den er zu Beginn seiner Karriere unter dem Namen Smog aufnahm. Ein charmanter Weirdo ist er geblieben.

Text: Michael Weiland

 

Halskestraße 1980

Rassistische Morde in Hamburg: Vom Erinnern und Vergessen. Diskussionsveranstaltung mit Frank Keil, Ünal Zeran und Kien Nghi Ha.

Längst verdrängt, vergessen, verschwiegen: In der Nacht zum 22. August 1980 verübte ein Trio der neonazistischen „Deutschen Aktionsgruppen“ einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Hamburg-Billwerder. Zwei der 240 dort untergebrachten Menschen fanden dabei den Tod: der 22-jährige Ngoc Nguyên und der 18-jährige Anh Lân Dô. Bis heute erinnert nichts vor Ort (und auch sonst nirgends in Hamburg) an den rassistischen Doppelmord vor 34 Jahren, das Gebäude ist heute ein Hotel. Um die damaligen Ereignisse in Erinnerung zu rufen und dem Mythos entgegenzuwirken, der NSU-Mord an Süleyman Taşköprü sei der erste und einzige rassistisch motivierte Mord in Hamburg gewesen, ist am 12. August der Journalist Frank Keil zu Gast im Centro Sociale, der über seine Recherchen zum damaligen Brandanschlag in der Halskestraße berichten wird. Weitere Teilnehmer: der Rechtsanwalt Ünal Zeran und der Politik- und Kulturwissenschaftler Kien Nghi Ha.

 

Conor Oberst

Der ehemalige Kopf der Band Bright Eyes gastiert in der Fabrik. Im Vorprogramm und als Backing-Band: Dawes aus Los Angeles.

Vielleicht wird sich Conor Oberst ein Leben lang an Alben wie Fevers and Mirrors oder Lifted messen lassen müssen, die er mit Bright Eyes aufnahm. Obwohl tief im spätjugendlichen Jammertal beheimatet, sind die frühen Alben des einstigen Folk-Wunderkinds bereits jetzt Klassiker. Vielleicht mit ein Grund, die Band (vorerst) zu begraben: Unter dem eigenen Namen ist die Fallhöhe geringer. Jedenfalls war das vor der aktuellen Songsammlung Upside Down Mountain so, die zwei Soloalben davor mit der Mystic Valley Band waren bloß solide Americana-Platten. Mithilfe des befreundeten Musikers Jonathan Wilson spielte Oberst ein ganz hervorragendes Countryfolk-Album ein, sein inspiriertestes seit Jahren: beschwingt, besorgt, besonders. Geht doch. Als Support und Backing-Band dabei: Dawes, für die man ruhig pünktlich eintrudeln sollte.

Text: Michael Weiland

 

Mammute …

…und Steinzeitjäger: Das Archäologischen Museum Hamburg lädt Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren zu einer Reise in die Vergangenheit.

Ferienzeit ist Entdeckerzeit – das haben sich zumindest die Menschen des Archäologischen Museum Hamburg gedacht und ein unterhaltsames wie informatives Programm für Kinder zusammengestellt. Am 11. August startet der Ferienspaß für Zeitdetektive mit dem Programm Mammute und Steinzeitjäger, das Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren in die Welt unserer Vorfahren entführt, inklusive Spiele, Rätsel und Mitmachaktionen. Die nächsten Tage stehen unter den Motti Ackerbauer und Bronzegießer (12.8.), Römer und Germanen (13.8.), Wikinger und Rittersleute (14.8.) und Napoleon und Schatzsuche (15.8.). Die Teilnahme ist wahlweise an einzelnen oder allen Tagen möglich. Wichtige Infos: Bitte Kleidung anziehen, die schmutzig werden darf; ausreichend Essen und Trinken mitbringen; Anmeldung über den Museumsdienst Hamburg, Tel. 040 / 428 13 10.

 

Ja, Panik

Um sie die Welt, in ihnen Galaxy. Ja, Panik spielen auf Kampnagel und bringen „Libertatia“ mit, für sich „und all die anderen sisters & brothers“.

“Dieses Video ist möglicherweise für einige Nutzer unangemessen“ warnt YouTube, bevor man sich Ja, Panik im Video zu Libertatia, den Titeltrack vom aktuellen Album, anschauen darf. Diese Warnung, verbunden mit dem, was einen erwartet – nämlich eine WG-Badewannen-Szenerie, innerhalb derer die drei nur mit Schaum bedeckt und bedeutungsschwanger blickend eine Choreografie zum besten geben – dürfte ganz dem Geschmack der aus dem Burgenland stammenden Wahlberliner sein. Wenn es sich nicht gar um gekonnte Methodik handelt. Ja, Panik brechen gerne mit Erwartungen, schüren eine Außenwahrnehmung, die sie dann schmunzelnd wieder zerwerfen. Wer mit ihnen über ihr Manifest diskutieren möchte, ihren Stammplatz in der Diskurs-Pop-Loge untermauern möchte, dem erklären sie, dass Sie sich doch gar nicht so viel bei allem gedacht hätten. Das fünfte Album der Band, das vor politischer Eindeutigkeit, vor Systemkritik fast überläuft, haben sie zuckersüß musikalisch ausgemalt, voller Harmoniegesänge und fröhlichen Mitsingmomenten. Und natürlich macht genau das alles Ja, Panik wieder – ob sie wollen oder nicht – zu einer der hörenswertesten Bands, die momentan hierzulande Platten veröffentlicht.

Text: Miriam Mentz

 

Central Park

Das Metropolis-Kino zeigt Frederick Wisemans Dokumentation über Manhattans “grüne Lunge“ im Original mit Untertiteln.

Ein wichtiges Vorbild für die europäischen Volks- und Stadtparks war der zwischen 1859 und 1873 geschaffene Central Park in New York City. 1986 hat ihn der Regisseur Frederick Wiseman mit der Kamera durchstreift. „Eine poetische Liebeserklärung an die ‚grüne Lunge‘ New Yorks und ihre Besucher“ sei dabei entstanden, urteilte das Arsenal – Institut für Film und Videokunst. Wisemans dreistündige Exkursion ist aber mehr als nur eine liebevolle Beobachtung seiner Besucher, die er dort beim Picknick, Joggen, Malen, Musizieren, Diskutieren, Faulenzen und sogar Heiraten zeigt. Sein Central Park liefert auch Statements zu Sinn und Zweck urbaner Grünanlagen und zur Bedeutung ihrer Bewahrung – angesichts wachsender Gentrifikation, die in New York bereits damals ein Thema war und mittlerweile auch so manch europäische Großstadt betrifft.

 

Molière, wach auf!

Im Römischen Garten am Blankeneser Elbhang zeigt das Theater N. N. zum letzten Mal die Konfrontation eines berühmten Dichters mit dem Tod.

Steigt man die Stufen der historischen Würzburger Treppe hinab, erreicht man das idyllische Amphitheater im Römischen Garten. Hier, am 1924 angelegten Heckentheater am Blankeneser Elbhang, liefert sich ein im Sterben liegender bekannter Dichter aus dem 17. Jahrhundert Wortgefechte mit dem Tod. Das Eimsbütteler Theater N. N. zeigt – am 10. August übrigens zum letzten Mal – das Stück Molière, wach auf!. Besonders charmante und überraschende Nebendarsteller sind immer wieder aufs Neue die Schiffe, die man durch die Hecken hindurch wunderbar sehen und hören kann. Der eigentliche Star ist aber der Ort selbst. In sattem Grün breiten die Besucher ihre Picknickdecken aus und frönen ihrer kulturellen Vesper zwischen kunstvoll geschnittenen Bäumchen. Sollte das Wetter mitspielen, steht einem vergnügten Theaterabend im Grünen nichts im Weg.

Text: Katharina Manzke