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Tierische Traumgeschichten

Der Hamburger Autor Michael Weins präsentiert sein neues Buch „Sie träumt von Pferden“ bei Cohen + Dobernigg mit Illustrationen von Katharina Gschwendtner.

Eine Frau wird im Traum von einem Pferd geschwängert. Der Wolf ist nicht unbedingt böse, sondern einsam und leidend. Ein Vogel befreit eine junge Frau aus einem Keller. Sie träumt von Pferden, das neueste Buch des Hamburger Autors Michael Weins, versammelt Geschichten, die so überraschend und faszinierend sind wie das, was in unserem Unterbewusstsein vor sich geht. Tiere erscheinen darin symbolisch aufgeladen wie in Träumen und Märchen. Weins, der auch als Psychologe arbeitet, beherrscht es meisterlich, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Vorstellung verschwimmen zu lassen. Für das Geheimnisvolle und Schattenhafte seiner neuesten Erzählungen hat die Hamburger Illustratorin Katharina Gschwendtner mit Scherenschnitten eine passende Bildsprache gefunden. Bei der Buchpremiere mit Lesung bei Cohen + Dobernigg kann man das Buchkleinod, das im Indie-Verlag Mairisch erschienen ist, bewundern und erwerben.

 

Dokumentarfilmwoche

Hamburgs Filmer entdecken die Welt als ihr Feld und präsentieren ihre Studien bis zum 12. April im 3001, B-Movie, Lichtmeß und Metropolis.

Bevor Peter Schuster Film studierte, ist er zur See gefahren – als Steward auf einem Stückgutfrachter im Südamerikadienst. 1968 war das. An seine Reise in den Golf von Mexiko an Bord des Hapag-Dampfers Weißenburg hat er die schönsten Erinnerungen. Um diese fürs Kino aufzufrischen, ist er jetzt noch einmal in See gestochen. Cargo (Foto) heißt sein gemeinsam mit Barbara Kasper gedrehter Film, der bei der 12. Dokumentarfilmwoche seine Hamburg-Premiere erlebt. Mit dem Film Flotel Europa eröffnet das Festival am 8. April im Metropolis. Der Regisseur Vladimir Tomic, der mit seiner Familie dem Krieg in Ex-Jugoslawien entfloh, drehte „eine Autobiografie mit Bildern, die nie fürs Kino bestimmt waren und Off-Texten, die uns Erinnerungen sowie Schicksale näherbringen, ohne dass die Geflüchteten dabei eine Opferrolle einnehmen.“

 

Kurt Cobain

Intime Einblicke: In der Doku „Cobain – Montage of Heck“ von Brett Morgen sind Interviews mit der Familie des Nirvana-Sängers zu sehen. Er läuft in der UCI Kinowelt.

„It’s better to burn out than to fade away.“ Mit diesen Worten, zitiert aus einem Neil-Young-Song, verabschiedete sich Kurt Cobain 1994 aus dem Leben. Wie auch immer man zu diesem Statement stehen mag, verblasst ist das Gedenken an den Nirvana-Sänger in der Tat bis heute nicht. Unter den vielen Berichten, Portraits und Dokumentationen über das Leben, Sterben und Schaffen des Musikers ist der Film Cobain – Montage of Heck von Brett Morgen der intimste. Rund 20 Jahre nach seinem Tod gewährt erstmals Cobains Familie tiefere Einblicke. Der Film enthält Interviews mit Vater und Tochter und Homevideo-Ausschnitte aus dem Familienarchiv. Ganz bewusst klammert der Regisseur den Suizid fast vollständig aus und grenzt sich auch in diesem Punkt von anderen Produktionen ab. Der Dokumentarfilm endet nach einem Selbstmordversuch kurz vor Cobains tatsächlichem Freitod im April 1994. Im April 2015 wird er an zwei Abenden auf der großen Leinwand gezeigt.

 

„Nola“

Thomas Marek fängt in seinem Stück die Energie der jungen Jazzszene von New Orleans ein. Auch seine Frau, Jazztänzerin Ellen Marek, ist dabei.

„Vor Katrina war New Orleans nicht unbedingt attraktiv für junge Künstler“, sagt der Stepptänzer und Choreograf Thomas Marek. „Die Stadt hat von ihrer Vergangenheit gelebt.“ Nach dem Hurrikan im Jahre 2005 wollten viele Musiker die Stadt nicht untergehen lassen und ihre Kultur bewahren. Zudem sind viele junge Künstler aus anderen US-Staaten nach New Orleans gezogen, auch Freunde und Kollegen von Thomas Marek. „Katrina hat die Stadt wieder als musikalisches Zentrum in den Fokus gerückt.“ Der New-Orleans-Jazz wurde wieder hip. Vor allem junge Musiker feilten an Techniken, die scheinbar aus der Mode gekommen waren. “Das hat mich am meisten umgehauen”, sagt der Choreograf. „Da entstand eine neue Szene, die es vor 15 Jahren noch nicht gab.“ Musiker und Tänzer improvisierten buchstäblich aus dem Schlamm heraus. Neue Clubs und Bars eröffneten, zum Teil in schlecht beleuchteten, verschimmelten Räumen. Diese Energie der neuen jungen Kulturszene von New Orleans möchte Marek in seiner Produktion Nola einfangen. Der Hamburger sagt, Nola sei eine Liebeserklärung an New Orleans und den Jazz. Diese Liebe dürfte auch persönlicher Art sein: In New Orleans lernte Marek seine Frau kennen. Die Jazztänzerin Ellen Marek wird ebenfalls auftreten.

Text: Natalia Sadovnik

 

Inklusion im Film

Der Spielfilm „In meinem Kopf ein Universum“ über Mateus, einen Jungen mit zerebraler Bewegungsstörung, feiert Hamburg-Premiere im Abaton.

Mateus liebt Sterne, große Brüste, Anka von gegenüber und seinen Vater, den er für einen Zauberer hält. Trotzdem ist er sehr einsam. Er wurde mit einer zerebralen Bewegungsstörung geboren, die es ihm unmöglich macht, mit seiner Umwelt zu kommunizieren. So wird er trotz seines wachen Geistes als geistig behindert betrachtet und kommt als Heranwachsender in ein entsprechendes Heim. Der Film In meinem Kopf ein Universum von Maciej Pieprzyca thematisiert sehr eindrucksvoll Grenzen zwischen Menschen und die Momente, in denen diese verschwimmen. Grenzerweiternd ist auch das glaubwürdige Spiel von Kamil Tkacz und Dawid Ogrodnik, die als nicht-behinderte Schauspieler Mateus als Kind und als Erwachsenen verkörpern. Um sich in ihre Rollen einzufinden, setzten sie sich intensiv mit einem Mann namens Przemek auseinander, dessen Geschichte die Vorlage für diesen mehrfach ausgezeichneten Film war.

Text: Katharina Manzke

 

Sizarr

Die Experten für „Bleichgesichter-Reggae und Plastik-Soul“ spielen gemeinsam mit Vin Blanc/White Wine im Ballsaal des Uebel & Gefährlich auf.

Man muss das erst mal verkraften. Die Musik von Sizarr klingt hip und mondän, nach Aufbruch und Melancholie. Und dann kommt die Band doch tatsächlich aus Landau in der Pfalz! Irre. Denn die drei Jungspunde haben mit ihrem Debüt Psycho Boy Happy im Juni 2012 ordentlich für Furore gesorgt. Ihr Folgealbum Nurture ist Ende Februar erschienen. Dennis Pohl von Spex findet die „etwas abenteuerliche Mischung aus jenem leicht biederen Bleichgesichter-Reggae, wie ihn einst Sting mit The Police perfektionierte, und der Schnittmenge von Plastik-Soul der Achtziger und einer gesunden Portion Pathos“ schrecklich. Und zwar schrecklich gut gemacht. Recht hat er! Aber am besten, jeder überzeugt sich selbst von Fabian Altstötter, Philipp Hülsenbeck und Marc Übel, die gemeinsam mit Vin Blanc/White Wine im Ballsaal des Uebel & Gefährlich aufspielen werden.

 

Duo Skills

Aktionismus trifft Theater: Nach ihrer Megafon-Installation zum Abriss der ESSO-Häuser erforscht das Duo auf Kampnagel die Figur des Pioniers.

Als im Februar 2014 der Abriss der Esso-Häuser auf St. Pauli begann, veröffentlichte die Hamburgerin Sylvi Kretzschmar einen Aufruf und eine Telefonnummer. Die Mieter und Nachbarn meldeten sich zuhauf, um ihre Meinung zum Abriss zu sagen. Daraus wurde eine kollektive Rede zusammengestellt, die Sylvi Kretzschmar mit der Berlinerin Camilla Milena Fehér als Duo Skills musikalisch und choreografisch auf die Bühne brachte. Mit einem Megafon sprachen sie sich gegen die Gentrifizierung, Vertreibung und Zerstörung des Stadtteils aus. Nun beschäftigen sie sich mit dem Pionier Geist. Welche Rolle spielten Pioniere im Sozialismus und was hat diese kontroverse Figur mit dem neoliberalen Vorbild des flexiblen und netzwerkenden Innovators zu tun? Mit ihrer Mischung aus Konzert und Séance bringt das Duo erneut Theater und Aktivismus, Politik und Choreografie zusammen.

Text: Natalia Sadovnik

SKILLS – Pionier Geist (Appell/ Anrufung/ Absturz) from Katharina Duve on Vimeo.

 

„Terrorprogramm“

Utopie und Amoklauf: Marc Becker schuf eine humorvolle Szenencollage über den Terrorismus und seine Kinder – zu sehen im Monsun Theater.

Vom leidenschaftlichen Brennen für eine Idee bis zum Brandanschlag ist es oft nur ein mittelgroßer Schritt. Wie differenziert Besessene mitunter durchknallen können, davon erzählt Marc Becker in seinem Terrorprogramm: Offiziell ein Schauspiel, ist es gleichzeitig Satire und Nummernrevue. Denn nicht in einer durchgehenden Handlung erzählt der Autor von Attentaten, Amoklauf und Geiselnahme, sondern in vielen kleinen, auf die Spitze getriebenen Szenen: Da geht es um einen Idealisten, der sich nicht verzeihen kann, dass er zum Kapitalistenschwein abstieg und sich deshalb kurzerhand selbst entführt. Oder um eine Volksparty ohne Volk und um den ganz alltäglichen Terror in der Familie. Ein schmieriger Conférencier führt von einer Nummer zu nächsten und sorgt für die nötige Schleimspur. Die preisgekrönte Hamburger Regisseurin Nina Pichler inszeniert die großartige Groteske, die nur von realen Vorbildern wie der RAF oder von IS-Verwirrten getoppt werden kann.

Text: Dagmar Ellen-Fischer

 

Komet

Die Musikbar spielt täglich ihren Trumpf aus: originelle Abendmotti wie die Vinylauktionen „Top oder Flop“, Italo-Schlagernächte oder die „Trash Parade“.

Dunkel, verraucht und perfekt zum Versacken – die Musikbar Komet in der Erichstraße (St. Pauli) zählen viele Hamburger Nachtmenschen zu ihren Favoriten. Obwohl die Kneipe nur einen Sprung vom Hans-Albers-Platz entfernt ist, herrscht hier eine angenehm lockere Atmosphäre weit weg vom üblichen Kiez-Trubel. Vielleicht zieht die Bar deswegen ein unaufgeregtes Publikum aller Altersstufen an. Das fläzt sich auf die alten Kinosessel, spielt Kicker, trinkt Mexikaner, isst riesige Gewürzgurken und feiert die Nächte durch zu Soul, Rock, Trash oder Country. Doch das Beste sind die ausgefallenen Mottos: Am Dienstag, den 7. April lädt der Komet zur „Trash Parade“ ein. Das musikalische Konzept erklärt sich von selbst. Ebenfalls zu empfehlen: die Vinylauktionen „Top oder Flop“, Kickerturniere oder Italo-Schlagernächte.

Text: Natalia Sadovnik

 

„Get“

Wie funktioniert eine Scheidung in Israel? Nur mit der Zustimmung des Mannes. Darüber handelt der Film der Geschwister Elkabetz. Er läuft im Abaton.

Get ist die hebräische Bezeichnung für die Scheidungsurkunde, die der Mann nach Zustimmung des Rabbinatsgerichtes seiner Frau überreicht. In Israel gibt es keine staatliche Ehe: Heirat geht nur über die jeweilige religiöse Gemeinschaft und nur von ihr kann sie auch aufgelöst werden. Das Rabbinat schreibt jedoch zwingend die Zustimmung des Ehemanns vor, um eine Ehe scheiden zu lassen, was es für Frauen besonders schwierig macht, ihre Ehemänner zu verlassen. In ihrem Film Get erzählen die Geschwister Ronit und Shlomi Elkabetz von ihrer Heldin Viviane, die ihren Ehemann vor Jahren verlassen hat und nun darum kämpft, auch offiziell von ihm geschieden zu werden. Ort des semidokumentarischen Kammerspiels ist der enge Verhandlungsraum eines Rabbinats, der die Situation von Viviane widerspiegelt. Im Rahmen der Reihe Licht und Dunkel
in der Get gezeigt wird, sind am 7. April die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Monika Kaminska (Universität Hamburg) und Produzent Michael Eckelt zu Gast.