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Ukraine in Hamburg

„Angst in der Ukraine“ ist der Titel der interaktiven Installation, die der Regisseur Georg Genoux im Rahmen der „Lessingtage“ im Thalia in der Gaußstraße zeigt.

Der Regisseur Georg Genoux war vor wenigen Monaten im Osten der Ukraine. Er erlebte die Kleinstadt Nikolaevka, die bei Gefechten zwischen der ukrainischen und der separatistischen Armee schwer beschädigt wurde. „Es starben 150 Einwohner, 60 Häuser wurden beschädigt, einige davon komplett zerstört. 150 Familien sind jetzt obdachlos“, berichtet er. Doch die Menschen ließen sich nicht unterkriegen. Künstler reisten aus allen Winkeln des Landes in die Stadt, um eine der Schulen wieder aufzubauen und mit den Schülern und Lehrern ins Gespräch zu kommen. Benjamin Brettschneider filmte die Menschen, die durch den Krieg zueinanderfanden. Ihre Angst vor neuen Angriffen und der Wille zum Zusammenhalt bilden starke Kontraste. Aus den Aufnahmen und Tonbandaufzeichnungen kreierte Georg Genoux die Installation Angst in der Ukraine, die am 8. Februar im Thalia Theater in der Gaußstraße gezeigt wird. Im Anschluss findet eine Diskussion statt. Im Rahmen des Projekts soll ein Netzwerk für europäische Freiwillige aufgebaut werden, die in die Ukraine reisen möchten, um dort zu helfen.

 

Die Eingeschlossenen…

…von Altona: Sartres Bühnenstück zum Algerienkrieg, in der Verfilmung des Neo-Realismus-Meisters Vittorio De Sica. In den Hauptrollen: Maximilian Schell und Sophia Loren.

Ein Drama des französischen Philosophen Jean-Paul Sartre, verfilmt vom italienischen Neo-Realisten Vittorio De Sica, mit Maximilian Schell und Sophia Loren in den Hauptrollen – was die Besucher des Metropolis-Kino am 9. Februar erwartet, kann man schon ein Stück Filmgeschichte nennen. Die Handlung: Eine Hamburger Industriellenfamilie implodiert vor dem Hintergrund einer unbewältigten deutschen Vergangenheit. Der Sohn des Hauses verlässt seit seiner Rückkehr aus dem Krieg sein Zimmer nicht mehr und pflegt ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Schwester… Mit seinem Bühnenstück Les séquestrés d’Altona wollte der Autor 1959 den Algerienkrieg thematisieren. Angeblich um Zensurmaßnahmen der französischen Behörden zu entgehen, „verlegte Sartre die Handlung nach Deutschland, ohne damit den Appell an das französische Gewissen abzuschwächen“ (Kino-Info).

 

Elliphant

Eine 29-jährige Schwedin namens Ellinor Olavsdotter erfreut ihre Fans mit Teenie-Pop auf Basis von Dancehall-, Dubstep- und Elektro-Beats.

Alle lieben Elliphant. Die 29-jährige Schwedin hört auf den bürgerlichen Namen Ellinor Olavsdotter und hat seit der Veröffentlichung ihrer ersten Tracks 2013 einen steilen Aufstieg hingelegt. Kate Perry lobte einen ihrer Clips via Twitter, ein großer Teil der (männlichen) Rezensenten verfiel im Nu ihrem „weiblichen Charme“. Ein weiteres Pop-„Phänomen“ also, geschenkt. Warum Elliphant allerdings musikalisch so hoch gehandelt wird, muss hingegen ein Rätsel bleiben. Ihr ziemlich naiver Teenie-Pop basiert auf Dubstep-, Elektro- und Dancehall-Beats. Wegen dieser Anbindung an vermeintlich aktuelle Sounds (die ja nun auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben) beschreibt Elliphant ihre Musik mit den Worten: „Futuristisch, wild, zurück in die Vergangenheit, dreckig, frisch.“ Einiges davon ist übertrieben, anderes schlicht gelogen. Trotzdem alles groovy, schließlich möchte Euch ja niemand den Spaß verderben…

 

 

Jamie T

Drogen und Depressionen adé: Der Rüpel ist erwachsen geworden und orientiert sich neuerdings an klassischem Singer/Songwritertum. Das Konzert ist ausverkauft.

Jamie T hatte mit seinen 29 Jahren schon so manchen Stolperstein zu überwinden: Drogen, Depressionen, Panikattacken, die Erkrankung seiner Eltern – das volle Programm. Doch anstatt zu resignieren, ist es ihm immer wieder gelungen, sich aus dem Sumpf zu ziehen. Und nicht nur das: Auch musikalisch hat er mit jedem Album einen Sprung gemacht. Carry On The Grudges, Longplayer Nummer 3, zeigt den Briten jetzt gereift und soft wie nie. Vorbei die Zeit, in der er sich mit krass Cockney-gefärbtem Akzent zu Soul, Funk, Hip-Hop und Punk durch die Pubs pöbelte. Songs wie der Opener Limits Lie, die erste Single Don’t You Find oder auch Turn On The Light zeigen eher den klassisch orientierten Songwriter Treays und wie er versucht, klarzukommen: mit der Liebe, dem Leben, der Last.

 

Alt-J

Mit einem Mitglied weniger aber weiterhin auf der Erfolgswelle surfend: Die jungen Briten präsentieren ihren zweiten Longplayer in der Alsterdorfer Sporthalle.

Ein paar Studenten treffen sich 2007 in Leeds und basteln aus Synthesizerklängen, verschobenen Rhythmen und Gesangsharmonien einen Sound, der die Musikwelt umhauen wird. 2012 erscheint ihr erstes Album An Awesome Wave. Selbst wenn man die Platte zum x-ten Mal anspielt, hat man das Gefühl, ein Geheimnis erzählt zu bekommen. Ihre Melodien türmen sich zu Gebirgen auf und schrumpfen dann wieder zu Kieselsteinen zusammen, mit makelloser Oberfläche, echte Handschmeichler. Alt-J selbst nennen das Alternative-Pop, aber das klingt zu einfach. Die Jury des englischen Mercury Music Prize zeichnet ihr Debüt als Album des Jahres aus. Das Gesamtkunstwerk Alt-J begreift man erst, wenn man ihre Musikvideos anschaut. Visuell aufwendig und experimentierfreudig unterstreichen sie, was in den Texten kryptisch angedeutet wird: Das Leben ist ein Wunder, das Leben tut weh. Im blutrünstigen Video zu Hunger Of The Pine etwa (inszeniert von Nabil Regie) zeigen sie, wie man sich vor Sehnsucht nach jemandem verzehrt. Pfeile durchbohren den Körper eines Mannes, der durch die Wildnis läuft. Nur eins von vierzehn Stücken auf dem zweiten, 2014 veröffentlichten Album This Is All Yours, das nahtlos an den Erfolg anknüpft. Die neue Tour bringt Alt-J zum zweiten Mal nach Hamburg. Erste Tickets waren so schnell vergriffen, dass der Gig vom Docks in die Alsterdorfer Sporthalle verlegt wurde. Anders als beim 2012er Konzert stehen dann nicht vier, sondern nur drei Musiker auf der Bühne. Bassist Gwil Sainsbury stieg im letzten Jahr aus – scheinbar, weil ihm der Rummel um ihre Musik zu viel wurde. Doch auch diese Aufgabe werden Alt-J vermutlich mit Bravour meistern.

Text: Lena Frommeyer

alt-J – Hunger Of The Pine (Official Video) from Pegasus Aerial Imaging on Vimeo.

 

All Tomorrow’s Past

Katja Schröder, neue Direktorin des Kunsthauses, zeigt ihre erste dort kuratierte Schau. Die Ausstellung läuft noch bis zum 15. März.

Die Ausstellung zeigt unter anderem eine Skulptur von Oliver Laric, der auf der Based in Berlin-Schau für Furore sorgte, als er perfekt kopierte BMW X5 präsentierte. Was ist von diesem Künstler zu sehen? Sieben weiße Säulen, die als Reproduktion von Säulen des Alten Pekinger Sommerpalasts mit einem 3D-Drucker erstellt wurden. Tatsächlich befinden sich die Originale seit Jahrzehnten in einem Museum in Norwegen. Laric fragt nicht nur nach Originalität im digitalen Zeitalter von Reproduktion, sondern auch nach einem neuen Umgang mit Geschichte. Ähnlich wie seine 3D-Scans sämtlicher Sammlungsobjekte des britischen Archäologiemuseums in Lincoln, die er online frei zur Verfügung stellt. In der europäischen Kultur wird so viel Wert auf das Alter eines Gegenstandes gelegt. Je älter er ist, desto ehrfürchtiger betrachten wir ihn. Das gilt nicht für jede Kultur gleichermaßen. Interessanterweise werden die originalen Säulen des Sommerpalasts durch private Finanzierung ihren Weg in der Geschichte bald wieder rückwärts zu ihrem Ursprungsort machen. Das alles steckt in Larics Skulptur.

 

Tag der offenen Tür

Anlässlich des 100. Todestages seines Gründungsdirektors Justus Brinckmann lädt das Museum für Kunst und Gewerbe zu einem Spaziergang durch alle Sammlungen.

Zu Ehren des Gründungsdirektors des Museums für Kunst und Gewerbe, Justus Brinckmann, dessen Todestag sich heute zum 100. Mal jährt, feiert das Haus einen Tag der offenen Tür. Der Eintritt ist frei, es gibt Vorträge zu Leben und Sammelleidenschaft des 1843 geborenen, studierten Juristen und zahlreiche Kuratorenführungen durch die verschiedenen Sammlungen des Museums, die 4.000 Jahre Menschheitsgeschichte umspannen und von Antike, Mittelalter, Barock und Klassizismus über Brinckmanns Entdeckung der japanischen Bambusflechtkunst bis hin zu Fotografie, Plakatkunst, Wohnkultur, Produkt- und Modedesign sowie neuen Medien reichen. Wenn man schon mal da ist: Auch die Musikinstrumentensammlung ist immer wieder einen Besuch wert. Und die Auffrischung des eigenen Wissens über die drei Weltreligionen kann ja in Zeiten von Dschihad und Pegida auch nicht schaden …

 

Jochen Distelmeyer

In seinem Roman-Debüt „Otis“ entführt der ehemalige Blumfeld-Sänger die Leserschaft auf eine Odyssee durch Berlin.

„Tinte für zwanzig Bücher im Bauch!“, sang/schrie/prahlte Jochen Distelmeyer auf dem Blumfeld-Album Ich-Maschine von 1992. Aber erst folgten noch fünf weitere Alben mit seiner Band und eine Soloplatte – jetzt erst hat der vermutlich wichtigste deutschsprachige Songtexter seiner Generation seinen ersten Roman geschrieben. Otis handelt von Tristan Funke, einem angehenden Schriftsteller, der bislang nicht viel vorzuweisen hat, abgesehen von zerbrochenen Liebschaften und einigen Ideen, wie er in seinem Manuskript den Helden die Irrfahrten des Odysseus nacherleben lässt. Im Uebel & Gefährlich liest der Autor aus seiner Geschichte, die in einem kurzen Zeitrahmen vor, während und nach einer Party spielt, und dabei auch ein Bild des gegenwärtigen Berlins zeichnet, wo der einstige Hamburger-Schule-Primus vor einigen Jahren hinzog. Distelmeyers einstige Wirkungsstätte begrüßt ihn aber gerne zurück – hat bei den Blumfeld-Reunion-Shows vor ein paar Monaten ja auch geklappt!

 

Immer weiter

Kinder sollen nicht nur bespaßt, sondern auch gefordert werden, findet Autorin Christiane Richers vom Theater am Strom. Ihr Stück feiert am 8. Februar Premiere im Fundus Theater.

SZENE HAMBURG: Ihr neues Stück „Immer weiter“ handelt von einer obdachlosen Frau. Überfordert so ein Thema Kinder nicht?

Christiane Richers: Bei Kindern reden ja viele schnell von Überforderung. Ich rede lieber von Forderung, weil ich glaube, dass Kinder es lieben, herausgefordert zu werden.

Hat denn eine obdachlose Frau eine Bedeutung für ein Kind?

Wenn es erfährt, dass diese Frau auch ein Kind hat, dann wird es sich mit dem Thema beschäftigen. Im Umfeld dieses Kindes gibt es vielleicht auch ein Kind, dessen Vater verschwunden ist. Oder die Mutter. Ist die vielleicht auf der Straße? In welchen Verhältnissen lebt sie jetzt?

Kennen sie eine obdachlose Frau?

Auf meinem Weg nach Wilhelmsburg zu unseren Theaterräumen sehe ich oft die Frau, die Anlass für dieses Stück war. Diese Frau ist mir ins Herz gesprungen. Daraufhin habe ich einen Antrag für Fördergelder geschrieben. Und als klar war, dass wir das Geld kriegen, sind wir zu Hinz & Kunzt gegangen und haben dort zum ersten Mal mit einer obdachlosen Frau gesprochen. Anschließend sind wir noch in die Kemenate gegangen, eine Anlaufstelle für obdachlose Frauen.

Die Frauen dort waren offen für die Begegnung?

Ja, dort haben wir die Erfahrung gemacht, dass alle uns mit großer Begeisterung – als hätten sie darauf gewartet – ihre Geschichte erzählt haben. Wir haben mit so klugen, nachdenklichen Frauen gesprochen, das passte für mich erst einmal gar nicht zu dem Bild einer obdachlosen Frau.

Beruht die Biografie der Figur denn auf einer wahren Geschichte?

Nein, es ist eine individuelle Geschichte, die wir erfunden haben. Ohne die Gespräche hätten wir sie nicht so gut erfinden können.

Interview: Lisa Scheide

 

The Subways

Pech in der Liebe, Glück mit der Musik: Das britische Trio hat den bandinternen Stress weg gesteckt und tourt jetzt mit neuen Songs durch Europa. Das Konzert in Hamburg ist ausverkauft.

Es gibt Leute, die halten es für etwas unglaublich Beklopptes, wenn sich innerhalb einer Band ein Liebespaar bildet. In der Tat: Die große Zuneigung und Harmonie zwischen zwei kreativ miteinander arbeitenden Menschen kann tolle Ergebnisse zeitigen. Es kann aber auch, wenn die Beziehung nicht gut läuft, das Ende der Band bedeuten – oder zumindest eine Menge Stress für einen (un-)bestimmten Zeitraum. Bei The Subways ging das alles gerade noch gut. Das 2003 gegründete Trio schaltete nach der Veröffentlichung ihres Albums All Or Nothing einen Gang herunter und ließ sich dann für’s nächste Werk ganze drei Jahre Zeit. Ob dies mit der Trennung von Charlotte Cooper und Billy Lunn zu tun hatte, ist zwar nicht verbrieft. Aber man braucht auch nicht viel Fantasie, um sich die bandinternen Komplikationen in diesem Zeitraum vorzustellen. Gekillt hat es The Subways jedenfalls nicht. 2014 erschien eine neue Single und ein neues Album steckt in der Pipeline. Auszüge daraus gibt es sicherlich bei ihrem Auftritt in der Großen Freiheit 36 zu hören.