Lesezeichen
 

Stadtkuratorin

Ein Initiativprojekt der Freien und Hansestadt Hamburg bringt Bewegung in das seit 1981 bestehende Programm „Kunst im öffentlichen Raum Hamburg“.

Das Projekt Stadtkuratorin Hamburg wurde von der Stadt Hamburg ins Leben gerufen, um dem Programm Kunst im öffentlichen Raum Hamburg neue Impulse zu geben. Wie und von wem werden öffentliche Räume in der Stadt heute definiert und wer wird in ihnen öffentlich? Längst haben Künstler Strategien entwickelt, die sich nicht mehr in die traditionellen Kategorien und Begriffe der Kunstgeschichte fassen lassen. Die politischen Proteste in den Städten sind zu einer eigenen Kunstform geworden. Hier setzt das Projekt Stadtkuratorin Hamburg an und untersucht die Zusammenhänge zwischen Stadt, Kunst und Politik. Im Mai 2014 fand zum Auftakt ein internationales Symposium in der HFBK statt und im September das erste Künstlerprojekt mit Georges Adéagbo. Seit dem 25. September 2014 stellen in der Reihe Stadtgespräch. Metropolitane Perspektiven internationale Künstler, Wissenschaftler und Aktivisten ihre Sichtweisen auf die Metropole Hamburg vor. Am 10. November lädt das Projekt zum Künstlergespräch mit Dan Perjovschi ins Kunsthaus.

 

Trümmer

Die Hamburger Indie-Rocker spielen die Songs ihres kürzlich erschienenen Albums „Wo Ist Die Euphorie“ live im Molotow. Support: Lafote.

Hamburger Schule, was ist nur aus Dir geworden? Gar nichts so verkehrtes, wenn wir mal ehrlich sind: Die Sterne haben dieses Jahr ein mehr als ordentliches Album abgeliefert, Blumfeld spielten eine beeindruckende Reunion-Tour und überhaupt kommt nach wie vor eine Menge guter Musik hierher. Aber wo ist das Neue, das Bilderstürmerische, für das man damals eben einen eigenen Begriff brauchte? Bei Trümmer findet man es auch nicht. Das ist nicht schlimm, ihr gleichnamiges Debüt macht sehr viel richtig: Paul Pötsch, Tammo Kasper und Maximilian Fenski spielen melodischen Indierock, Pötschs Texte sind sehnsüchtig, klug und beweisen mehr Haltung als das Gros deutschsprachiger Rockmusik. Eine Revolution ist das noch nicht, auch wenn Trümmer Widerstand predigen. Dass man das als Manko anmarkert, wo man andere Bands gar nicht erst mit derlei absurden Ansprüchen behelligt, hat einen einfachen Grund: Diesen Typen hätte man es fast zugetraut.

Text: Michael Weiland

 

PeterLicht

Der um seine Anonymität bemühte Kölner Musiker stellt sein beim Staatsakt-Label erschienenes neues Album, „Lob der Realität“, live auf Kampnagel K2 vor.

Die aktuelle Veröffentlichung von PeterLicht ist eine Doppel-Live-CD namens Lob der Realität – muss man sich auch mal trauen, der Wirklichkeit Komplimente zu machen. Die Platte demonstriert, dass der Mann auch live mit Band ziemlich gut ist und ein Repertoire von fast klassisch zu nennenden Songs hat. Ein bisschen fühlt man sich an die späten Blumfeld erinnert, die ihren älteren Stücken mitunter live ein etwas anderes Kleid anzogen: So klingt der unausweichliche Hit Sonnendeck von 2001 heute, nun ja, ein bisschen nach späten Blumfeld. PeterLicht ist der Rainald Grebe für Leute, die beim Anflug von Kabarett Reißaus nehmen: humorbegabt, aber in seiner Gesellschaftskritik eher poetisch und abstrakt – und deutlich kreativer. Zu seinem persönlichen Kunstbegriff gehört auch die etwas müde gewordene Anonymität des Musikers, aber die muss er nach all den Jahren eben weiter durchziehen.

Text: Michael Weiland

 

„Secret Signs“

Die Sammlung Falckenberg der Deichtorhallen präsentiert zeitgenössische chinesische Kunst (u.a. von Zhang Huan und Ai Weiwei) im Zeichen der Schrift.

Die China Time bestimmt Hamburg im Herbst – und das auch in der Sammlung Falckenberg der Deichtorhallen. Weil diese während der Ausstellung Secret Signs am Wochenende auch ohne Führung zugänglich ist, fällt auch die Vernissage auf einen Sonntag. Im Zeichen der Schrift steht die zeitgenössische Kunst, die dort gezeigt wird, die Kalligrafie feiert, aber auch mit ihr bricht. Die Ausstellung, die am 9. November eröffnet wird, vereint zwei- und dreidimensionale Werke in verschiedenen Medien: Schriftkunst, Fotografie, Videos, Installationen und Objekte. Sie beginnt mit Werken aus den 1980er Jahren und reicht bis zu künstlerischen Werken, die speziell für diese Ausstellung konzipiert wurden (beispielsweise von Ai Weiwei). Weitere namhafte Künstler der Ausstellung sind u.a. Gu Wenda, Xu Bing, Qiu Zhijie, Wu Shanzhuan und Zhang Huan.

 

„Spendenflut“

Zugunsten des ambulanten Kinderhospizdienstes Familienhafen e.V. präsentieren Entertainer in Alma Hoppes Lustspielhaus ihr Programm.

Mit einem Lächeln sammeln am 9. November die Kabarettisten Kerim Pamuk, Sebastian Schnoy (Foto) und Alma Hoppe sowie Sängerin Katie Freudenschuss Spenden für den Verein Familienhafen, der Kinder und ihre Familien ambulant nach der Diagnose einer unheilbaren Erkrankung in der neuen, belastenden Lebenssituation unterstützt. Das erwartet die Besucher an Witz und Ironie: Der Hamburger Historiker Sebastian Schnoy kommentiert die Weltgeschichte, Kerim Pamuk steckt voll anatolischem Weltschmerz sowie deutschem Gejammer und führt mit seinem Programm Burka & Bikini „das Vertraute im Fremden und das Fremde im Vertrauten vor Augen“, Katie Freudenschuss präsentiert ihre emotionalen Songs, Alma Hoppe legt sich in Sachen Satire ins Zeug – zudem werden Malereien von Liliane Sommer und Beate Böttcher versteigert.

 

Süßer Sonntag

Manufakturen bieten im Freiluftmuseum am Kiekeberg ihr selbstgemachtes Naschwerk an. Für Kinder gibt es ein Mitmachprogramm.

Kleiner Appetizer auf die Weihnachtsmarktsaison gefällig? Zumindest ein buntes Potpourri an Naschkram findet man am süßen Sonntag im Freilichtmuseum Kiekeberg. Von 10 bis 18 Uhr bieten hier am 9. November rund 25 Manufakturen und Aussteller ihre Waren auf dem Süßwaren-Markt an. Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen, wenn vor Ort filigrane Zuckerfiguren entstehen, die Mitarbeiter der Lüneburger Bonbonmanufaktur ihre Süßigkeiten drehen, Kinder süßes Stockbrot backen und bunte Knallbonbons basteln. Der ehemalige Obermeister der Konditoreninnung Hamburg, Dierk Eisenschmidt, erklärt sein Handwerk und als obligatorischer Bildungsblock fungiert eine Ausstellung im „Agrarium“, in der man erfährt, wie sich viele unserer Lebensmittel zusammensetzen.

 

„Die lächerliche Finsternis“

In Wolfram Lotz‘ Stück zeigt die Moderne ihre hässliche Fratze während einer Reise an das Ende der Menschlichkeit auf der Bühne des Thalia in der Gaußstraße.

Frei nach Joseph Conrads Herz der Finsternis und Coppolas Apocalypse Now fahnden zwei Soldaten der Bundeswehr im Hindukusch nach einem abtrünnigen Oberstleutnant, der im Wahn zwei Kameraden tötete und verschwand. Sie sollen den Dysfunktionalen beseitigen. Es ist eine Reise an das Ende der Menschlichkeit, zu Tod, Krieg und Gewalt. Das Thalia in der Gaußstraße führt den Zuschauer gemäß seiner Leitidee „Theater im multinationalen Zusammenhang“ direkt in den dunklen Schlund der Globalisierung. Wie wird Regisseur Christopher Rüping diesen eigentlich als Hörspiel konzipierten „Zynismus in unverschämt naivem Gewand“ (Die Presse) auf die Bühne bringen? Am Wiener Akademietheater wurde Die lächerliche Finsternis kürzlich mit großem Kritikererfolg uraufgeführt, man darf auch hier auf ein unerhörtes Erlebnis hoffen.

Text: Raimar Biedermann

 

„Venus im Pelz“

David Ives bringt Sacher-Masochs aufsehenerregende Novelle als erotisches Casting-Duett auf die Bühne des St. Pauli Theaters.

Leopold von Sacher-Masochs Novelle Venus im Pelz (bis 2001 in Deutschland auf dem Index) regt seit jeher die (schmutzige) Fantasie seiner Leser an: Velvet Underground widmeten ihr auf ihrem Debütalbum einen Song, in David Ives‘ Bühnenstück versucht sich ein Regisseur an dem einst skandalösen Stoff um sexuelle Macht und Unterwerfung. Wenn er nur nicht so schwierig umzusetzen wäre! Thomas (Michael von Au) findet einfach keine Besetzung für die Titelrolle: „Zu alt, zu jung, zu dick, zu dünn, mit Brille oder wie eine Nutte“, watscht er Dutzende Bewerberinnen ab. Da kommt Wanda (Anika Mauer) zum Vorsprechen. Die scheint wie aus den Seiten des Buches getreten – mit sämtlichen Widerhaken. Das erotische Zwei-Personen-Stück, das Roman Polański erst kürzlich in eine Kinoversion verarbeitete, begeisterte bereits das Berliner Publikum, jetzt ist es am St. Pauli Theater zu sehen.

Text: Thorsten Moor

 

Brasilianische Filmwoche

Das Metropolis zeigt den Film „Das Alter der Erde“ des brasilianischen Kino-Erneuerers Glauber Rocha im Original mit Untertitel.

Der Brasilianer Glauber Rocha (1938–1981) zählte in den 1970ern zu den radikalen Erneuerern des Kinos. Von der Militärdiktatur ins Exil gezwungen, hat er in all seinen Filmen einen ebenso persönlichen wie politischen Protest zu formulieren versucht. Das Alter der Erde (Original: A Idade da Terra) war in dieser Hinsicht sein Vermächtnis: eine große „Symphonie in Bild und Ton“, die weit in die Zukunft Brasiliens vorgreifen wollte und von der der italienische Regisseur Michelangelo Antonioni einstmals schwärmte: „Jede Szene dieses Films ist eine Lektion dafür, wie modernes Kino aussehen sollte.“ Oder, um mit den Worten von Glauber Rocha selbst zu sprechen: „Das Alter der Erde ist die Zerlegung der Erzählsequenz, ohne dass dabei der infrastrukturelle Diskurs verloren geht, der die repräsentativsten Zeichen der dritten Welt materialisieren soll.“

 

20 Jahre Dosenfabrik

Der KunstHasserStammTisch gratuliert dem Künstlerhaus zum Geburtstag – ohne Torte, Ständchen und sämige Glückwunschtiraden.

Das Künstlerhaus Dosenfabrik wird 20 Jahre alt und hat den KunstHasserStammTisch (Foto) eingeladen, zum Jubiläum einen Abend zu gestalten. Klar, dass man von dem in so einem Fall nicht das Törtchen mit 20 Kerzen zum Auspusten, sämige Glückwunschtiraden oder ein abgedroschenes Ständchen erwarten kann. Es wird viel besser – und natürlich auch wesentlich eigensinniger. Und dabei wird augenzwinkernd eine Diskussion angeschoben, die vielleicht nicht besonders geburtstagskompatibel ist, aber dafür umso interessanter. Den Finger in die Wunde des Jubiläums gesteckt schenkt der KunstHasserStammTisch, der immer um andere und vor allem kühne Zugangsformen zur Kunst bemüht ist, der Dosenfabrik den bunten Abend Generation Grapefruit zum Thema Überalterung in Künstlerhäusern. Bequem gemacht hat es sich in ihnen vor allem die Generation Ü40 – und deshalb sind die anderen Künstler- und Atelierhäuser der Hansestadt aufgefordert, an diesem Abend jeweils einen Hamburger Künstler und dessen Arbeit vorzustellen, der maximal 25 Jahre alt ist. Da es bei dem KunstHasserStammTisch meist sportlich zugeht, gibt es natürlich auch einen Preis! Vor allem aber wird mit der Aktion für neue Impulse gesorgt, es werden aufregende Entdeckungen gemacht und es wird etwas Staub von den Keilrahmen gepustet. Gibt eigentlich gar kein schöneres Geschenk!

Text: Sabine Danek