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Augen Blicke Afrika

Film, Diskussion und Tanz: Das Afrikanische Filmfestival Hamburg findet zum dritten Mal statt. Diesmal mit dem inhaltlichen Schwerpunkt „Kolonialismus“.

In diesem Jahr konzentriert man sich auf afrikanische und europäische Filmemacher, die sich mit dem Kolonialen Erbe Afrikas – Geschichte und Gegenwart auseinandersetzen. In den 1970er Jahren wurde das Thema von Regisseur Ousmane Sembène in seinem Film Xala aufgegriffen, der als Meilenstein der afrikanischen Filmgeschichte gilt. Andere Beiträge beschäftigen sich mit den politischen und sozialen Unruhen nach der formalen Unabhängigkeit afrikanischer Staaten. Zudem will man zeigen, dass Kolonialismus kein abgeschlossenes Kapitel ist, sondern bis heute in den „Alltag der Menschen hineingreift“. Das Festival Augen Blicke Afrika eröffnet am 30. Oktober mit einem festlichen Empfang im Studio-Kino. Um 20 Uhr wird die Dokumentation Capitaine Thomas Sakkara gezeigt, um 22 Uhr der Film Juju Factory. Bis zum 9. November geht das Programm, in dessen Rahmen auch Diskussionen mit Regisseuren und eine afrikanische Tanznacht stattfinden.

Text: Lena Frommeyer

 

Rusconi

Nichts für Jazz-Puristen: Die Klangforscher Stefan Rusconi, Fabian Gisler und Claudio Strüby präsentieren ihr aktuelles Album im Nochtspeicher.

Das Jazz-Trio aus der Schweiz greift gerne in die elektronische Trickkiste und bedient sich auch sonst munter bei anderen Genres, ohne rot zu werden. Herauskommt bei dieser Klangforschung etwas herrlich Unorthodoxes, das es in den letzten zehn Jahren auf viele Festivalbühnen in Europa und Asien schaffte. Für Jazz-Puristen ist dieser freigeistige Umgang von Stefan Rusconi, Fabian Gisler und Claudio Strüby mit Gitarre, Piano, Bass und Schlagzeug wahrlich nichts. Über ihr neustes Album, History Sugar Dream, sagen die drei Musiker selbst, es sei „eine Erinnerung an die Zeit als Träume, Wünsche, Phantasie und Illusionen noch Realitäten waren – als das hemmungslose Spiel noch ganz selbstverständlich passierte“. Als Gesamtkunstwerk begreift man Rusconi erst, wenn man ein paar Musikvideos von ihnen studiert hat. Da werden Klänge zu Bildern und Bilder zu Klängen. Am 30. Oktober spielt die Band im Nochtspeicher.

Text: Lena Frommeyer

 

Anathema

Die britische Alternative-Rock-Band mit Doom-Metal-Vergangenheit präsentiert die Stücke ihres neuen Albums „Distant Satellites“ im Gruenspan.

Schwere, langsame Gitarrenriffs und melancholische Endzeitstimmung sind nicht mehr das Ding von Anathema. Die Briten haben sich vom Doom-Metal ihrer Anfangstage verabschiedet und fischten in jüngster Vergangenheit erst in Gothic- und nun in Alternative-Rock-Gefilden. Das macht die fünf Männer an den Instrumenten aber noch lange nicht zur Gute-Laune-Band. Feierlich und düster ist die musikalische Grundstimmung auch auf dem neusten Tonträger, einem Album mit dem Titel Distant Satellites. Der Release ist Anlass für eine Tour, bei der Anathema beweisen kann, ob sie ihrem Ruf als hochenergetische Liveband weiterhin gerecht bleiben. Überzeugen kann man sich davon selbst am 29. Oktober im Gruenspan. Gibt es etwas Schöneres, als sich an einem Mittwochabend emotionale Rockmusik in die Birne zu ziehen?

 

Siebdruck im Museum

Unter dem Titel „Die schönsten Nashörner kommen aus Tokio“ zeigt das MKG Tierplakate aus Japan und der Schweiz.

Das Museum für Kunst und Gewerbe sorgt seit dem 3. Oktober für Aufmerksamkeit, nicht mit Katzen-, sondern mit Nashorn-Content. Niedlich grinsen die kleinen Kerle von den Plakaten herunter, die von zwei bedeutenden zeitgenössischen Grafikdesignern kreiert wurden: dem Japaner Kazumasa Nagai und dem Schweizer Claude Kuhn. 80 Tierplakate schenkten die beiden dem Hamburger Museum. Diese werden bis Januar 2015 am Steintorplatz ausgestellt. Beide Künstler verbindet ihr großes Herz für Tiere: Kazumasa Nagai produzierte in Eigenregie großformatige Bilder von bedrohten Tieren, die exklusiv als Siebdruck in kleiner Auflage erschienen. Claude Kuhn entwarf ebenfalls Siebdruckplakate für Ausstellung des Naturhistorischen Museums in Bern und für Veranstaltungen des Berner Zoos. Diese wurden tatsächlich in der Stadt aufgehängt. Wer aufmerksam durch die Ausstellung läuft, entdeckt dann doch den obligatorischen Katzen-Content, formatfüllend …

Text: Lena Frommeyer

 

„Das Verschlingen“

Für das Theaterstück über den Völkermord an den Sinti und Roma in Deutschland studierte das Theater Aufbau Kreuzberg e.V. Berichte von Zeitzeugen. 

Das Theater Aufbau Kreuzberg e.V. (TAK) ist mit einem Gastspiel beim Festival Eigenarten vertreten. Das Team beschäftigte sich mit wichtigen Fragen, die bei einer interkulturellen Veranstaltung nicht fehlen dürfen: Was waren das für Leute, die damals von den Nazis ermordet wurden? Wie konnten Menschen zu derartigen Taten fähig sein? Grundlage des Stücks Das Verschlingen sind reelle Geschichten über den Völkermord an den Sinti und Roma, die sie aus Texten und Berichten von Zeitzeugen zusammentrugen. So erfuhren sie, dass viele Roma diesen eher wenig bekannten Teil der deutschen Geschichte als „Porrajmos“ (Verschlingen) bezeichnen. Im Rahmen der Produktion wird zudem beleuchtet, welche Vorurteile gegenüber Sinti und Roma noch heute in den Köpfen verankert sind. Unter anderem fördern die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Berlin-Brandenburg das Projekt.

 

Afganistan unzensiert

Die afghanische Journalistin Farida Nekzad berichtet über ihren Kampf für Pressefreiheit und gegen Zensur in ihrem Heimatland.

Platz 128 von 180 belegt das Land Afghanistan auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. Das Ranking zeigt, inwiefern Sicherheitsbehörden die Arbeit von Journalisten behindern. Im Rahmen des Interkulturellen Festivals Eigenarten sprechen der deutsche Journalist Ralf Lorenzen und seine Berufskollegin Farida Nekzad über den Kampf für Pressefreiheit und gegen Zensur in Afghanistan, über Motivation, Rückschläge und Hoffnungen. Die afghanische Journalistin gründete eine unabhängige Nachrichtenagentur in ihrem Heimatland und will mit ihrer Arbeit vor allem den afghanischen Frauen Gehör und Stimme verleihen. Auch ein Bombenanschlag konnte sie nicht davon abhalten, weiterhin kritisch über die gesellschaftlichen Zustände in ihrer Heimat zu berichten. Das Land musste sie jedoch wegen massiver Bedrohungen verlassen. Seit Mitte 2014 ist Farida Nekzad als Gast der Hamburger Stiftung für Politisch Verfolgte in Deutschland. Im Juni wurde ihr der Leipziger Medienpreis verliehen.

Text: Lena Frommeyer

 

Kishi Bashi

Grenzgänger auf St. Pauli: Ein Sänger an der Violine macht mit einer Folk-Band experimentellen Pop im The Rock Café. 

Nanu, was hat denn ein Violinist auf der Bühne des The Rock Café zu suchen – einem Club, in dem man kopfnickend Bier trinkt und nicht mit einem Glas Champagner in der Ecke sitzt? Kishi Bashi studierte klassische Musik, wurde aber bald vom Rock und Pop auf die sündige Seite der Branche gezogen. Der in Seattle geborene Sänger und Songwriter experimentierte herum und brachte 2012 sein Debüt-Album 151a heraus. Gesang, Violine und elektronische Spielereien sind die drei Säulen, auf denen sein exotischer Sound ruht. Das ist ziemlich außergewöhnlich, was der Typ da zusammen mit der Folk-Band Tall Tall Trees vorführt: Mit Geigenbogen und Drumstick bearbeitet Frontmann Mike Savino sein Banjo, Kishi Bashi singt und spielt gleichzeitig Violine, begleitet von einem Schlagzeuger und einem Bassisten. Yea!

Text: Lena Frommeyer

 

Till Reiners

Den ständig verärgerten Deutschen macht der Kabarettist zum Thema seines Programms „Da bleibt uns nur die Wut“ im Polittbüro.

Es heißt ja, wenn man Geisteswissenschaften studiert, wird man später Taxifahrer oder arbeitet in der Gastronomie. Weit gefehlt. Till Reiners studierte Politikwissenschaften und ist Kabarettist geworden – und zwar einer der Exemplare, die das politische Leben und die Gesellschaft aufs Korn nehmen. Los ging seine Bühnenkarriere als Poetry Slammer. Dann entwickelte der Wahlberliner ein abendfüllendes Programm mit dem Titel Da bleibt uns nur die Wut über den stetig verärgerten Deutschen. „Till Reiners ist wütend. Auf die, die ‚Kopfkino‘ sagen, die ‚Milchkammern‘ der Kinderriegel und das, was gerade so in der Zeitung steht“, heißt es im Programm. Ein „rasanter Abend zwischen kleinbürgerlicher Krittelei und Empörung für die Verlierer einer gespaltenen Gesellschaft“ wird versprochen. Na wenn schon die deutschen Politiker nicht gerade humorvoll sind, dann wenigstens die Politologen. Am 28. Oktober ist der junge Künstler zu Gast im Polittbüro.

 

Lary live

Die Gewinnerin des New Music Award präsentiert soulig-poppig-elektronische Songs ihres Albums „Future Deutsche Welle“ in der Prinzenbar.

Neuer als Neue Deutsche Welle ist logischerweise: Future Deutsche Welle! So hat Lary ihr Debütalbum genannt, ihre Zukunftsmusik klingt ungefähr so: Pop, Hip-Hop, Soul und Elektro zu gut fließenden Tracks mischen (machen viele) und mit bemerkenswert einsichtigen Texten zur Zeit garnieren (macht fast keiner). Jan Delay gehört zu den Förderern, ebenso Die Fantastischen Vier, die sie ins Vorprogramm holten. Kann man verstehen: Die Alten wollen es sich mit der Zukunft nicht verscherzen. Lary aka Larissa Sirah Herden kommt aus Düsseldorf, hat einen jamaikanischen Vater und lebte in New York City, bevor sie sich (logisch) in Berlin ein musikalisches Nest baute. Das Jahr 2014 lief bisher ziemlich gut für die Sängerin: Albumrelease, Gewinn des New Music Award mit Preisverleihung während der Berlin Music Week, im Oktober eine kleine, aber feine Deutschlandtour, die sie in die Prinzenbar führt.

Text: Michael Weiland

 

Les Tristes Cannibalistes

Sitar-Klänge, persischer Rock … Könnte man sich eine Band für das Interkulturelle Festival Eigenarten kneten, würde diese dabei rauskommen.

Sie machen Musik für Abende am Elbstrand. Vom Gitarrensound getrieben und mit psychedelischen Piano- und Saxophon-Klängen versehen, will Les Tristes Cannibalistes auch im Herbst auf dem Interkulturellen Festival Eigenarten für sommerliche Gefühle sorgen. Eine logische Konsequenz der Zusammensetzung dieser Combo. „Die anderskulturellen Hintergründe der fünf bis sechs Musiker sind nicht zu leugnen, daher werden sie zelebriert. Und zwar mit Sitar-Klängen, persischen Rockballaden und französischer Eloquenz“, heißt es in der Ankündigung des Konzerts. Neben den akustischen Reizen, die Les Tristes Cannibalistes „Psychedelic Bossa“ nennt, wird das Programm um eine Zaubershow erweitert. Das Festival Eigenarten, das dieses Jahr sein 15-jähriges Jubiläum feiert, bietet neben Konzerten wie diesem auch Theater-Vorstellungen, Lesungen und Filme von Künstlern aus aller Welt. Bis zum 2. November kann das vielfältige Programm noch besucht werden. Text: Jannis Hartmann