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Rheingold/Walküre

Stehlen bringt Pech: Im Thalia Theater debütiert die mythologische Pop-Oper von Antú Romero Nunes nach Richard Wagner.

Drachen, Zwerge, Liebe und Betrug – die deutsche Mythologie hat ihr eigenes Game Of Thrones. Natürlich wird andersherum ein Schuh draus: Die mittelalterliche Nibelungen-Sage ist quasi die Ursuppe aller Fantasygeschichten. Im Thalia-Theater verbindet Regisseur Antú Romero Nunes die berühmteste Variante des Stoffes, Wagners Oper, mit Friedrich Hebbels Schauspielstück. Auch in all ihren Abwandlungen und Aufgüssen birgt die Geschichte vom Rheingold doch stets die gleiche niederschmetternde, nicht zu widerlegende Wahrheit: Der Mensch ist schlecht, gestohlener Reichtum bringt Unglück, und derjenige, der nach Macht strebt, wird an seinem eigenen Hunger zugrunde gehen. Das ist kein Gute-Laune-Theater für Drachentöter, aber so modern, wie es nur irgendwie geht. Bedauerlicherweise immer.

Text: Thorsten Moor

 

Seekae

Das australische Elektro-Trio geht auf dem neuen Album „The Worry“ mit düsteren Lovesongs neue Wege und spielt im Jazz Café des Mojo Clubs.

Es ist ein erheiternder Zeitvertreib, aufzuzählen, in welche Genre-Schubladen die australische Combo Seekae bereits einsortiert wurde: Intelligent Dance Music, Post-Dubstep, Electro-Pop, House, Minimal und Ghetto Ambient sind nur ein paar Beispiele. Und wie es meistens ist, stimmt alles ein wenig und gar nicht. Näher, als der US-Rolling Stone, kommt man einer geglückten Beschreibung dessen, was die Musiker da machen, nicht. Das Fachmagazin beschreibt den Sound der Australier als „so atmosphärisch und hypnotisierend wie ein schneebedeckter und gefrorener Wald“. So, so… Mit ihrem neuen Album The Worry gehen Seekae zur allgemeinen Verwirrung noch einmal neue Wege. Was zuvor weitestgehend relaxig elektronisch war, wird nun um dunkel brodelnde Lovesongs ergänzt. Das steht dem Trio aus Sydney ziemlich gut.

 

Buzz-T Birthday

Das gibt einen ordentlichen Schwung Bass im Kleinen Donner: Buzz-T feiert Geburtstag mit Hip-Hop.

Wer ein bisschen im Hamburger Nachtleben unterwegs ist, kommt schwer am Namen Buzz-T vorbei. Der Hamburger Hip-Hop-DJ, der auch gerne mal in elektronischen Gefilden herumfischt, bringt regelmäßig Lokalitäten wie die MS Claudia, den Neidclub oder eben den Kleinen Donner zum Wackeln. Dafür braucht es keinen besonderen Anlass, beziehungsweise sind die Sets, die er auftischt, ganz eigenständiger Grund, den Körper in Bewegung zu bringen. Was passiert dann erst, wenn der umtriebige Nachtmensch am Schulterblatt seinen Geburtstag mit einem Birthday-Bash zelebriert? An den Turntables gratuliert er sich selbst. Zudem spielen Martin, Arash also known as Mixwell und Ari ein beatlastiges Ständchen. Zudem spricht und schreibt sich die Veranstaltung schön: Am Samstag, Buzz-T Birthday mit Hip-Hop!

Text: Miriam Mentz

 

CAPTCHA & Take Berlin

Das Mannheimer Designfestival gastiert in der Hamburger WOW LOFT-Gallery. Zur Finnissage gibt es Folkklänge vom Duo Taking Berlin.

Die Verbindung der Hamburger Kulturszene zur Hochschule Mannheim ist mit keinem allzu dicken Seil geknüpft. Dennoch sind Studierende aus Baden Württemberg zu Gast, um experimentelle Designstudien zu zeigen – im Rahmen eines Gastspiels des Mannheimer Designfestivals CAPTCHA. Seit dem 17. Oktober können die Arbeiten zum Thema Befreiung der Schrift in der WOW LOFT-Gallery im achten Stockwerk des Emporio-Hochhauses auf einer fast 800 Quadratmeter großen Fläche erkundet werden. Zur Finissage am 24. Oktober spielen ab 20 Uhr zwei weitere Städte eine Rolle: Berlin und New York. In beiden Metropolen ist das Duo Take Berlin zu Hause, das seine folkigen Klänge im letzten Jahr in der Hasenschaukel vorführte.

Text: Lena Frommeyer

 

Dancefloor-Hopping

In der Villa Nova, im Nochtspeicher, Uebel & Gefährlich und Kraniche Klub legen DJs elektronische Tanzmusik auf.

Wie soll man sich da entscheiden. Diverse Clubs sind heute Plattform für feine elektronische Tanzmusik. Wie wäre es also mit einer nächtlichen Tour von Club zu Club?

Los geht es auf St. Pauli in der Villa Nova. Hier tobt sich das Kollektiv Turmstraße aus und Patlac wird als Resident des neuen Clubs willkommen geheißen.

Einen kleinen Fußweg entfernt legen im Nochtspeicher die Frank-Music-DJs Johannes Albert (Berlin) und Simon Ferdinand (Hamburg) auf. Es wird deep-deep-housig.

Nachdem man sich ordentlich warm getanzt hat, lohnt ein Abstecher zum Bunker an der Feldstraße: Im Uebel & Gefährlich lädt das Voltage Musique Label zur Partynacht mit The Glitz (Voltage Musique / 3000°), Andreas Henneberg (Voltage Musique / Cascandy), Marquez Ill (Voltage Musique), Pauls Büro (White Box / Schwärmertanz).

Immer noch nicht genug? Dann geschwind mit der S-Bahn nach Rothenburgsort fahren und den Kraniche Klub stürmen. Da stehen unter anderem DJ Lotti (Katermukke), Pelle Buys und Jeanette Trésbien am Mischpult.

Text: Lena Frommeyer

 

Mutter

Die Berliner Band begeistert mit klaren Texten im Indierock-Gewand – beispielsweise über das Schicksal von Sinti und Roma in Deutschland.

Mutter sind eine Band, die sich verständlich machen will: Max Müllers Texte sind klar und schön – was bei geringeren Liederschreibern platt oder naiv klänge, gerät bei ihm reduziert und einsichtig. Wie etwa im Song Wer hat schon Lust so zu leben?, der im Indierock-Midtempo das Schicksal von Sinti und Roma in Deutschland besingt, keine Antworten weiß und letztlich nur auf Menschlichkeit plädiert. Die Worte sind einfach, das Weltbild ist es nicht: Was Müller zwischen den Zeilen sagt, können andere nicht in Büchern ausformulieren. Die Berliner Band hat mit Text und Musik ein bemerkenswertes Album aufgenommen, das nicht nur im Titel auf ihren größten Erfolg Hauptsache Musik anspielt, das vermutlich zugänglichste Album ihrer Karriere. 25 Jahre nach ihrem Debüt Ich schäme mich Gedanken zu haben die andere Menschen in ihrer Würde verletzen sind Mutter immer noch wichtig als Mahner und Zweifler.

Text: Michael Weiland

 

Überjazz Festival

Jazz + x. Kampnagel wird drei Tage lang zur Experimentierstube mit Hip-Hop-Combo, Big Band und allerhand Zukunftsmusik.

Darf‘s ein bisschen mehr sein? Das Überjazz-Festival wendet sich nicht unbedingt an Puristen, sondern an Musikfreunde, die das ohnehin weite Feld „Jazzmusik“ gerne um das Unbekannte erweitern: Jazz + x = Überjazz! Der sprichwörtliche Tellerrand wird hier zum Sprungbrett. So würde wohl niemand die Hip-Hop-Combo Shabazz Palaces streng dem Genre zurechnen, für die Experimentierfreude des Duos ist Kampnagel an diesen drei Tagen allerdings dennoch die richtige Adresse: Absolut folgerichtig dürfen Ishmael Butler und Tendai Maraire das Festival als Headliner beschließen. Zuvor gibt es Musik von Taylor McFerrin in einer atemberaubenden Soloperformance, den „James Brown Ghanas“ Ebo Taylor, Altes von Felix Kubin (Foto) im neuen Big-Band-Gewand mit Mitch&Mitch und schlafwandlerische Minimal-Instrumentals der legendär langsamen Bohren & Der Club Of Gore. Jazz lebt nicht nur – das ist echte Zukunftsmusik.

Text: Michael Weiland

 

100 Jahre Leica

Mit Einführung der Kleinbildkamera konnte plötzlich jeder alles ablichten. In den Deichtorhallen zeigt „Augen auf!“ berühmte Aufnahmen und dokumentarisches Material.

Vielleicht war die letzte große Revolution der Fotografie, das einfach jeder mittlerweile ständig eine Kamera mit sich herumträgt – in seinem Telefon. Die Einführung der Kleinbildkamera bedeutete allerdings einen kaum geringeren Paradigmenwechsel: Auf einmal konnte jeder immer und überall fotografieren, mit geringem finanziellem Aufwand und ohne Vorkenntnisse. Was vorher an Geheimwissen grenzte, war auf einmal allen zugänglich: Nicht weniger als die Demokratisierung der Fotografie war die Folge. Mit der Ausstellung Augen auf! feiern die Deichtorhallen 100 Jahre Leica – die legendäre Kleinkamera wurde 1914 von dem Feinmechaniker Oskar Barnack entworfen, aufgrund des Ersten Weltkrieges aber erst 1925 produziert. Gezeigt werden Werke berühmter Fotografen wie Henri Cartier-Bresson und Robert Capa (im Bild: Fred Herzog, Man with Bandage, 1968) ergänzt durch Magazinausschnitte, Broschüren, Kamera-Prototypen und weiteres dokumentarisches Material.

Text: Michael Weiland

 

Arabische Filmtage

Im 3001 Kino finden kulturelle Konflikte des Nahen Osten eine Bühne – unter anderem in einem berührenden Film über die Ägyptische Revolution.

Kairo, Beirut und Damaskus: Spektakuläre Bilder der Gewalt im Nahen Osten liefern die Fernsehkanäle täglich frei Haus. Hinter die Kulissen dieser kulturellen Konflikte führen die ersten Arabischen Filmtage im 3001. Vor allem junge Menschen stehen dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit. Aus der Perspektive einer jungen Frau aus der Vorstadt, die des Nachts durch Kairo streift, schildert Coming Forth by Day (23.10., 21 Uhr) (Foto) die Ägyptische Revolution. Stable Unstable (24.10.) lautet der für das arabische Alltagsleben programmatische Titel einer Komödie, die in sieben Episoden von der prekären Unsicherheit zwischenmenschlicher Beziehungen rund um das Neujahrsfest in einem Beiruter Mietshaus erzählt. Breaking the Silence (24.10.) porträtiert junge Marokkanerinnen, die sexuelle Belästigungen öffentlich machen, während in A Man Since Long Time junge Ägypter über die gesellschaftlichen Einschränkungen ihres Liebeslebens klagen. Und die gar nicht romantische Liebesgeschichte Ladder to Damascus (25.10.) erzählt vom komplizierten Zusammenleben in einer syrischen Künstler-Kommune.

 

Sternbrücken Festival

Vier Tage wach, vier Tage Bass – die Clubs unter der Sternbrücke laden zur 66-stündigen Electro-, Techno- und Minimal-Sause.

Jetzt kommt eine kleine Nachtleben-Rechnung:

Vier Tage x sechs Locations + Dutzend DJs = Sternbrücken Festival.

Die Hamburger Electro-, Techno- und Houseszene versammelt sich an der Party-Kreuzung und pendelt zwischen den Räumlichkeiten des Waagenbau, der MBX-Bar, des Fundbureau, Wasserschaden, Sterngarten und Souledge. Am Donnerstag, den 23. Oktober werden um 20 Uhr die Bässe aufgedreht und weichen erst wieder am Sonntag ab 14 Uhr der Stille. Dazwischen liegt ein irrer Tanzmarathon. Internationale Headliner pushen mit einem jeweils drei bis vier Stunden langen Set durch die Nächte und werden von DJs aus Hamburg und Berlin unterstützt. Unter anderem sind Cari Lekebusch (Drumcode/H-Productions) (Foto), Piemont live (Exploited/Area Remote) und Ricardo Garduno (Illegal Alien Rec./Mexiko) am Start. Das gesamte Line Up inklusive Timetable kann man hier studieren.

Text: Lena Frommeyer