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WhoMadeWho

Wummernd und doch filigran: Der Elektropop dieses Trios zählt zum Besten, was Dänemark zurzeit musikalisch zu bieten hat.

Im April dieses Jahres spielten die Nordmannen zuletzt im Mojo Club. Die Garderobe war bunt, die Beats hibellig, der Gesang tragend. Ihr Auftritt demonstrierte eindrucksvoll, dass dieses Elektropop-Trio zurzeit einfach zum Besten gehört, was Dänemark musikalisch zu bieten hat. Und das nicht nur vom Plattenteller, denn WhoMadeWho machen vor allem auch live großen Spaß. Der Sound ist dann deutlich gitarrenlastiger. Und das steht auch den Tracks des aktuellen Albums Dreams (2014) außerordentlich gut. Es ist der nunmehr sechste Tonträger, den der Sänger und ausgebildete Jazz-Gitarrist Jeppe Kjellberg, Sänger und Bassist Tomas Hoffding sowie Drummer Tomas Barfod gemeinsam mit filigran wummernden Stücken ausstatteten. „I’m on the right track!“, heißt es da in den Lyrics von Track Nummer 2. Ihr habt ja so Recht.

Text: Lena Frommeyer

 

Olga Grjasnowa

Mit „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ feierte Olga Grjasnowa ein erfolgreiches Debüt. Im Literaturhaus liest sie aus ihrem neuen Werk „Die Unschärfen einer Ehe“.

Eine Ehe kann vieles sein und nicht selten ist sie alles andere als eine gut funktionierende, auf monogamer Liebe basierende Beziehung zwischen zwei Personen. Im neuen Roman der in Baku geborenen und in Berlin lebenden Autorin Olga Grjasnowa ist sie zunächst einmal so etwas wie ein Pakt zwischen den beiden Protagonisten Leyla und Altay, der vielleicht an die Beziehung zweier Freunde oder eines Geschwisterpaares erinnert und beiden die Freiräume einräumt, die sie auf der Suche nach dem, was Liebe und Leben ausmacht, begleitet. Leyla ist Balletttänzerin und musste ihre noch junge Karriere am Bolschoi-Theater in Moskau auf Grund einer Verletzung fürs Erste beenden, Altay arbeitet als Arzt. Leyla verliebt sich in Jonoun, die mit ihrem gelebten Chaos das Gegenteil ihres eigenen Lebensstils verkörpert, Altay erinnert sich seiner Liebe zu Männern. Die Erzählung spielt wechselnd in Berlin und der ehemaligen Sowjetrepublik, schwankt zwischen Momenten einer gefühlten Freiheit, Eifersucht und übertriebenen Disziplin und macht es sich zu keinem Moment leicht mit dem, was Liebe – zwischen wie vielen auch immer – eigentlich bedeuten kann.

Text: Miriam Mentz

 

Krankheit als Metapher

Spannende Therapie: Die Schau mit dem interessanten Beinamen „Das Irre im Garten der Arten“ eröffnet im Kunsthaus – und an verschiedenen Außenstationen.

Hören Sie Stimmen? Dann sind Sie im The Hearing Voices Café von Dora Garcia genau richtig, das sie am 13. Oktober im Café Traumzeit am Hansaplatz eröffnet. Die spanische Künstlerin beschäftigt sich mit der Bewegung der Stimmenhörer, die sich nicht als Therapeuten, sondern als Bürgerrechtler verstehen und seit den 1970er Jahren gegen die Stigmatisierung des Voice-Hearing als Geisteskrankheit oder Halluzination kämpfen. Garcia zeigt auf, welche kulturgeschichtliche Dimension das Stimmenhören hat, von der Bibel über Sokrates zu Robert Walser, stellt ausführliche Infomaterialien bereit, bringt vor Ort eine Zeitung heraus, initiiert Veranstaltungen – und bietet das Café vor allem als Treffpunkt und Ort der Forschung für Menschen an, die Stimmen hören und solche, die es nicht tun. Die documenta-13-Teilnehmerin Garcia gehört zu den zwölf Künstlern, die Kuratorin Britta Peters für ihr Kunstprojekt Krankheit als Metapher eingeladen hat, in das man sich im Golem bei der Filmreihe Time To Get Ill in den letzten Wochen bereits einschauen konnte, und das den Kunstherbst in Hamburg bestimmt. In einer Ausstellung, in Performances, Filmen, auf einem Symposium und mit Arbeiten im öffentlichen Raum, beschäftigt sich das Kunstprojekt mit dem Wahn der Selbstoptimierung, der unsere Zeit bestimmt.

Text: Sabine Danek

 

The/Das

Zärtlicher Techno und Retro-Electro: Fabian Fenk und Anton K. Feist lassen die Sonne im Jazzcafé des Mojo Club aufgehen.

Ihre Musik würde klingen „wie ein Sonnenaufgang über einem Industriegebiet“, sagt die Veranstalterinfo. Und sie selbst bezeichnen ihren Sound als „Techno Tenderness“. The/Das bestehen aus Fabian Fenk und Anton K. Feist, die bis 2011 der Gruppe Bodi Bill angehörten. Mit ihrem kryptisch benannten Duo führen sie fort, was sie mit ihrer Vorgängerband begonnen haben: Wavey Electro-Beats, romantischer Live-Techno mit Gitarre und Schlagzeug. Kurz nach dem letzten Bodi-Bill-Album namens What? stand mit Fresh Water bereits 2012 das erste Werk von The/Das in den Läden, das als bisher einziger Tonträger beider Projekte nicht beim Berliner Label Sinnbus erschienen ist. Nach einem weiteren Mini-Album kam vor Kurzem das Freezer betitelte Debütalbum heraus, mit dem Fenk und Feist nun auf einer mehrwöchigen Tour durch die Lande ziehen — los geht’s am 13. Oktober im Mojo Club.

 

The 1975

Das britische Quartett fand sich wohl auf so manch einer Playlist der Indie-Neuentdeckungen 2013 wieder. Live dürften sie sich ein Ausrufezeichen für 2014 dazuverdienen.

Schülerbands gründen sich meist ähnlich leichtfertig, wie sie sich dann folgend wieder auflösen. Wenn es wichtiger wird, mit den ersten Freundinnen die Tage im Bett zu vergammeln, die Wege nach der Schule andere werden oder man sich intern schlichtweg nicht mehr einig wird, wer nun eigentlich die coolste Sau der Band ist, findet die Euphorie oft ihr Ende. Doch weist bekanntermaßen jede Regel ihre Ausnahmen auf und gelegentlich schafft es doch einmal eine Schülerband, alle Hürden auf dem Weg ins Erwachsenenalter gemeinsam zu überwinden und schließlich dort zu landen, wo man es sich eigentlich nie ernsthaft erträumt hätte. So The 1975. Als Punk-Coverband gegründet, spielten sie sich seit 2002 durch so ziemlich alle Stilrichtungen, um sich schließlich aus Synthie-Pop, Funk und Indierock das zusammenzubauen, womit sie dann Anfang 2013 auf der EP Music For Cars hinreichend überzeugten. Mit The City landeten sie sogar auf dem Soundtrack von Fifa 2014, in den britischen Charts und spielten zahlreiche Konzerte in Europa und den USA. Ein Jahr nach der Veröffentlichung ihres Debüts sind sie nun im Docks zu Gast.

Text: Miriam Mentz

 

New Hamburg

Die Geschichten von alteingesessenen und zugewanderten Bewohnern der Vettel sind die Grundlage für die Theaterperformance „Heimatmuseum“ in der Immanuelkirche.

Seit dem 3. Oktober nimmt das Festival New Hamburg in Theaterprojekten, Musikbeiträgen und Stadtteilprojekten die Realität unserer Einwanderungsgesellschaft unter die Lupe. Das geschieht an einem passenden Ort, auf der Vettel, wo von etwa 5.000 Bewohnern alleine 50 Prozent einen türkischen Migrationshintergrund haben. Das Schauspielhaus Hamburg arbeitete ein Jahr lang mit der Nachbarschaft zusammen, um die Immanuelkirche zu einem Ort für Stadtteilkultur zu machen. Am 12. Oktober wird hier die Theaterperformance Heimatmuseum gezeigt. Dieses Projekt des Künstlers Adnan Softić basiert auf den Erlebnissen von 70- bis 80-jährigen Menschen, die sich regelmäßig im Erzählcafé über ihre Jugend auf der Veddel austauschen. Auch kommen Zugewanderte zu Wort. Man versucht eine gemeinsame Sprache zu finden. Adnan Softić lässt eigene Erfahrungen einfließen; er kam in den 1990er Jahren als Kriegsflüchtling nach Hamburg. Im Rahmen vom Heimatmuseum lässt er Bilder, Gerüche, Geschichten und Klänge durch die Immanuelkirche wandern.

Text: Lena Frommeyer

 

Volksdorfer Bauernmarkt

Raus aus der Innenstadt – rein ins Museumsdorf, um Brot aus dem Steinofen zu probieren und sich zwischen Schweinen und Pferden des Lebens zu freuen.

Neues aus der Reihe Stadtteile, die man kennt aber in denen man nie ist – außer man wohnt dort: Wie wäre es mit einem sonntäglichen Ausflug nach Volksdorf? Sie wissen schon, das relativ grüne Fleckchen Erde im Nordosten Hamburgs, im Bezirk Wandsbek, mit dem Naturschutzgebiet Teichwiesen und dem Freilichtmuseum. In eben diesem Museumsdorf Volksdorf kann man am 12. Oktober Kartoffeln, Fleisch, Obst, Brot, Käse (und was sonst noch so in der Region produziert wird) direkt vom Erzeuger kaufen – beim 18. Volksdorfer Bauernmarkt. Da findet man auch den obligatorischen Riesenkürbis, für die Suppe oder als Deko. Der Eintritt zum Markt dient der Erhaltung des Museumsdorfes und beträgt 1 Euro, Kinder bis zu einer Größe von 1,49 Meter dürfen kostenlos rein. Die fahren bestimmt besonders auf die Tiere im angeschlossenen Bauernhof ab, allesamt alte Haustierrassen: Hasen, Bentheimer Landschweine, Waldziegen und große Schleswiger Kaltblutpferde.

Text: Lena Frommeyer

 

Hansa-Theater

Im Oktober startete die neue Saison des traditionsreichen Hauses am Steindamm. Wie wärs mit einem Sonntagabend zur Spielzeiteröffnung?

Ein Haus mit Tradition: Das Hansa-Varieté-Theater ist seit 1894 am Steindamm zu Hause, auf seiner Bühne standen Stars wie Hans Albers, Harry Houdini, die Comedian Harmonists und Josephine Baker. 2001 sah es dann so aus, als sei der letzte Vorhang gefallen – das Theater schloss nach über 50.000 Shows seine Pforten. Doch niemals geht man so ganz: Das Theater geht im Oktober in seine 7. Spielzeit seit der Neueröffnung, im seit den 1950er-Jahren nahezu unveränderten Ambiente. Dieses Jahr gibt es neben gutem Essen auch wieder Varieté vom Feinsten: etwa mit den Einradkünstlerinnen Yuka & Satomi, dem Seifenblasenmann Tom Noddy, der Comedy-Dog-Show von Leonid Beljakov, dem Magier Marko Karvo und vielen weiteren Artisten. Im 120. Jahr des Hansa-Theaters sieht es so aus, als könnte das historische Haus gut noch ein paar Jahrzehnte an seine Geschichte anhängen. Das Foto zeigt übrigens das Haus am Steindamm im Jahre 1936.

Text: Michael Weiland

 

Die Schutzbefohlenen

Ein Spiel mit den Grenzen: Nicolas Stemanns Stück nach einem Text von Elfriede Jelinek läuft im Thalia Theater.

Unentwegt stößt man an Grenzen als Besucher von Die Schutzbefohlenen im Thalia Theater. An seine eigenen, an die der anderen, auf der Bühne, im Zuschauerraum. Nicolas Stemann inszeniert einen Text Elfriede Jelineks. Die österreichische Schriftstellerin lässt darin eine Gruppe Flüchtlinge sprechen. Sie erzählen von Gräueltaten aus ihrer Heimat und davon, dass sie keine Sprache finden in einer fremden Welt. Jelinek gibt den Flüchtlingen diese Sprache und doch ist sie es selbst, die spricht. Als Europäerin, als Frau der machtvollen Worte. Kann sie in ihrem Text tatsächlich die Perspektive von Menschen einnehmen, deren Schicksal sie nicht teilt? Diese Ambivalenz wird in Nicolas Stemanns Inszenierung aufgegriffen. „Echte“ Flüchtlinge stehen auf der Bühne, zum Großteil wird der Text aber von Schauspielern gelesen. Das ist irritierend, weil es einen mit Barrieren im eigenen Kopf konfrontiert. „Bitte hört uns an!“ Dieses dringliche Flehen, das mehr eine Aufforderung ist, steht hinter jedem ausgesprochenen Wort. Wieso kommt es auf so unterschiedliche Weise bei einem an? Wieso glaubt man es dem einen und dem anderen nicht? Und was sagt es über uns selbst aus, dass wir Geld dafür bezahlen, um dem Flehen zwei Stunden lang zuzuhören? Was ist, wenn das Stück vorbei ist? „We are here to stay!“ rufen die Männer auf der Bühne. Es ist offensichtlich, dass das in diesem Moment nicht gespielt ist.

Text: Katharina Manzke

 

15 Jahre Astra-Stube

Vier Live-Acts, „Jiddisches bis Karibisches“ vom Plattenteller und eine „fragmentarische Rückschau“: Der Club an der Sternbrücke feiert Jubiläum.

Wer hätte gedacht, dass die olle Hütte so lange durchhält? 1999 eröffnete die Astra Stube als der Live-Club, wie wir ihn heute kennen, an der Sternbrücke. Seitdem hat sich diese Kreuzung zu einem Knotenpunkt des Hamburger Nachtlebens entwickelt. Am Wochenende vom 10. bis zum 12. Oktober wird das große Durchhalten mit diversen Live-Acts und DJs gebührend gefeiert. Höhepunkt ist Sonntag, der 12.10. Live treten an: TinTin Patrone (bekannt vom Krachkistenorchester), Tonfang mit ihrer „Subaquatic Dub Music“ (Zitat Felix Kubin), außerdem Bands namens Porsche und Niederluft Window Electric. DJ von Volt legt „Jiddisches bis Karibisches“ auf die Plattenteller. Und Claudia Höhne und Dimitri Moskalenko sorgen für eine „fragmentarische Rückschau“ mit vielen Fotos. Ach ja: Endlich gibt es in der Stube auch mal guten Kaffee – aber eben nur heute, und zwar vom Team der Public Coffee Roasters. Dazu ein Stück Geburtstagstorte und der Sonntag ist perfekt.