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Kaiser Chiefs

Britrock für die Tanzfläche: Das englische Quintett um Sänger Ricky Wilson präsentiert die Songs seines neuen Albums live in der Fabrik.

Casting-Shows sind nicht bloß für Leute ganz am Anfang ihres Werdegangs förderlich: Nena und Max Herre sind dank ihrer Coaching-Tätigkeit bei The Voice Of Germany beliebt wie nie, beim britischen Mutterschiff der Show brachte sich Kaiser-Chiefs-Sänger Ricky Wilson wieder ins Gespräch – obwohl das bekundetermaßen nicht alle seine Bandkollegen so superdufte fanden. Egal, der Zweck heiligt die Mittel: Education, Education, Education & War, die fünfte Langspielplatte der klassenbewussten Britrockband, ging in ihrer Heimat von null auf eins in den Albumcharts. PR-Firlefanz hin oder her: zu Recht. Mit neuem Drummer und wiedererwachter Energie knüpft die Band an Hits wie I Predict A Riot oder Ruby an. Gitarrenmusik für die Tanzfläche: Die Idee ist heute noch so gut wie vor zehn Jahren – da erschien ihre Debütsingle Oh My God. Text: Thorsten Moor

 

Les Maries

Französisches „l’art de vivre“ trifft auf norddeutsche Seefahrerromantik – ein Sextett aus Hamburg bespielt den Welthospiztag am Hühnerposten.

Auf der einen Seite französisches l’art de vivre, auf der anderen hanseatische, nach Freiheit und dem Meer dürstende Seefahrerromantik. Beides zusammen bildet die Grundlage für das Debütalbum Wie weit ist weit weg des Hamburger Sechsers Les Maries – einem echten Sujet-Grenzgänger. Titel und Texte der von Marie-Laure Timmich gesungenen Songs wechseln zwischen deutsch und französisch. Auf die Frage Wie lange ist mein Schiff schon fort folgt prompt der Tango du port. Dem zarten, schwelgerischen Moi le gitan de passage geht das klagende, sehnsuchtsvolle Containerlied voran. Doch damit hören die Spielereien mit Einflüssen und Instrumentierung der Songs noch lange nicht auf: Hawaii-Gitarren, Akkordeon, Banjo, Klarinette, Chanson, Pop … Wie weit ist weit weg bezieht seine Faszination aus dem Brechen unzähliger Genrekonventionen. Dennoch klingt das Album nicht konstruiert oder übers Knie gebrochen, sondern vor allem nach einer Band, die musikalische Sehnsucht und die Leidenschaft für Grenzenlosigkeit eint. Die Band spielt am 11. Oktober im Rahmen des Welthospiztages.

Text: Jan Kahl

 

Caribou

Neo-Soul, der auf die Tanzfläche entführt: Der kanadische Musiker und promovierte Mathematiker Daniel Snaith live in der Großen Freiheit 36.

Kaum einer verbindet Clubtauglichkeit mit Songwriting wie Dan Snaith: Sein Alter Ego Caribou klingt ein bisschen beatgetriebener und tanzbarer als Indie-Nerds ihre Digitalausflüge gemeinhin mögen, dennoch hat sich der promovierte Mathematiker über sämtliche Genregrenzen hinweg Freunde gemacht. Sein letztes Album Swim mit dem irgendwie allgegenwärtigen Track Odessa erschien 2010, Fans begnügten sich in der Zwischenzeit mit seinem Projekt Daphni, das etwas schärfer die Tanzfläche anvisierte. Nun ist Caribou zurück mit dem Album Our Love – seiner Vorstellung davon, wie Popmusik in diesem Jahr zu klingen hat. Der ideenpralle Maschinensoul dürfte seinen Bekanntenkreis weiter vergrößern – Snaith hat seine persönlichen Grenzen des Wachstums noch nicht erreicht, da geht noch was auf dem Weg zum Popstar.

Text: Michael Weiland

 

„Die Ratten“

Gerhart Hauptmanns Stück über Gutbürgerlichkeit und Proletentum in der gelobten Inszenierung von Karin Henkel feiert Premiere im Schauspielhaus.

Der Theaterdirektor, die Putzfrau, das polnische Dienstmädchen – alle sind sie unter einem Dach, in der heruntergekommenen Kaserne mitten in der Stadt. Auf dem Dachboden treffen sie zusammen, in einem riesigen Fundus mit allen möglichen Dingen, die man sonst nur im Theater findet. So erscheint es fast wie ein groteskes Spiel, wenn man Frau John dabei beobachtet, wie sie auf der ausrangierten Bühne der polnischen Putzfrau Pauline Piperkarcka ihr Kind abkauft. Und wie diese das Kind dann wiederhaben will und alle miteinander zanken. Die größten Proleten sind manchmal die mit der feinsten Verkleidung. In Gerhart Hauptmanns Stück Die Ratten liegen Gutbürgerlichkeit und Proletentum durch zwei parallel verlaufende Erzählstränge eng beieinander. In Karin Henkels Inszenierung, die zuletzt beim Berliner Theatertreffen zu sehen war, wird beides wild gemixt. Das von Kritikern als „mutiges, großstädtisches Theater“ (FAZ) gefeierte Stück kommt nun ins Schauspielhaus. Weitere Vorstellungen: am 23. und 29.10.

Text: Katharina Manzke

 

Schattenmärchen

Das Metropolis-Kino zeigt Lotte Reinigers Animationsfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ mit musikalischer Live-Begleitung.

Bewegliche Schattenfiguren sind die Stars in Lotte Reinigers Animationsfilm Die Abenteuer des Prinzen Achmed, der als erster abendfüllender Animationsfilm in Deutschland Mitte der 1920er Jahre entstand (übrigens unter der Mitarbeit von Walther Ruttmann, der 1927 den Film Berlin – Die Sinfonie der Großstadt realisierte). Das zeitlose Märchen nach Motiven aus Tausendundeiner Nacht entführt die Zuschauer mit farbenprächtigen Bildern in einen zauberhaften Orient, an den Hof des Kalifen und auf eine Zauberinsel, wo der mutige Prinz Achmed zauberhafte Abenteuer zu bestehen hat – musikalisch live begleitet von der Cellistin Krischa Weber (TonArt Hamburg) und Andy Giorbino an der E-Gitarre, seines Zeichens einer der ersten Hamburger Musiker, die Ende der Siebziger die Worte Punk und New Wave korrekt buchstabieren konnten.

 

My Favorite Robot

Das House-Trio aus Kanada legt in der Villa Nova auf – Hamburgs neuem Club für elektronische Tanzmusik, der Anfang Oktober eröffnete.

Ja, stimmt, Elektromucke ist im weitesten Sinne Robotermusik beziehungsweise das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Deshalb ist es wohl nur konsequent, wenn sich ein House-Trio aus Kanada (dem Land der Berge, Elche und des Eishockeys) ganz simpel My Favorite Robot nennt – das klingt ziemlich niedlich. Noch mehr menschelt es, wenn man den Namen des Clubs fallen lässt, in dem Jared Simms, Voytek Korab und James Teej ihre Beats durch die Räumlichkeiten schicken. Der Lieblingsroboter ist zu Gast in einer neuen Lokalität des Hamburger Nachtlebens mit gar fürstlichem Namen: der technoiden Villa Nova. Sie ist dort zu Hause, wo man früher im Ego tanzte, in der Talstraße. Am 2. Oktober eröffnete der Club, der von den Machern der Grünanlage Open Airs in Entenwerder betrieben wird. Zudem ist in dieser Partynacht Benjamin Alexander zu Gast, der die Robot Heart-Stage beim Festival Burning Man betreut.

Text: Lena Frommeyer

 

Hamburger Theaterfestival

Großartige Gastspiele: Unter anderem zeigt am 10. Oktober das Deutsche Theater Berlin Dimiter Gotscheffs berühmte Inszenierung von „Die Perser“ im Thalia Theater.

Karten für das Hamburger Theaterfestival sind heiß begehrt. Kein Wunder, schließlich bringt es vom 28. September bis zum 30. November gefeierte Inszenierungen ganz großer Bühnen nach Hamburg. Dieses Jahr gibt es Gastspiele aus Wien, Zürich, Berlin, München und Gent. Viele Vorstellungen sind bereits ausverkauft, trotzdem lohnt es, nach Restkarten Ausschau zu halten. Der Oktober startet mit einem alten Tragödienstoff: Das Deutsche Theater Berlin zeigt am 10.10. auf der Thalia-Bühne Dimiter Gotscheffs berühmte Inszenierung von Die Perser nach Aischylos. Mit Zwischenfälle (Foto) vom Wiener Burgtheater am 19. und 20.10. geht es im Schauspielhaus raffiniert verspielt weiter. Und Ende Oktober, am 30. und 31.10., wird die Kampnagel-Bühne mit Schillers Jungfrau von Orleans zum Schauplatz der französischen Revolution, ebenfalls eine Produktion des Deutschen Theaters.

Text: Katharina Manzke

 

Sebastian Zarius

Werke aus Plastiktüten, digital verändert, zeigt der Künstler im Rahmen seiner Ausstellung „Goma“ im Projekthaus.

Goma ist der Name einer umkämpften Stadt im Kongo und auch das spanische Wort für Gummi. Somit hätten wir schon zwei Hinweise auf die Arbeiten von Sebastian Zarius, der die zentralafrikanische Republik schon früh bereiste und der sich gleichzeitig mit dem Material Polyethylen beschäftigt. In seiner aktuellen Werkgruppe Goma nimmt Sebastian Zarius Plastiktüten auseinander, fügt sie in Fotogrammen neu zusammen und verändert sie digital. So entstehen Bilder mit zerkratzten Feldern und bunten Balken, die das Lesen des Textes im Hintergrund unmöglich machen. Im Ankündigungstext heißt es dazu: „In umfangreichen Serien überschreibt der Künstler das Ausgangsmaterial, macht die Chiffren unkenntlich, kratzt und zerstört im digitalen Prozess, und schafft sich ein vollkommen neues Spielfeld aus Formen und Farbe.“ Zur Eröffnung der Ausstellung im Projekthaus spielt die Hamburger Band Baumhaus.

 

Schlammpeitziger

Der König der Weirdos in Sachen elektronischer Musik präsentiert seinen neuen Tonträger live im Nachtasyl des Thalia Theaters.

Kurz nach dem großen Techno-Knall vor ca. 25 Jahren bildete sich in Köln eine Szene von Knöpfchendrehern, die unter elektronischer Musik etwas anderes als nur Dancefloor-kompatible Beats verstanden. Unter diesen eh‘ schon ziemlich unkonventionell vorgehenden Musikern gab es einen, den man schnell als König aller Weirdos ausmachen konnte. Schon sein Name, Schlammpeitziger, klang nicht nach 4-to-the-floor-Langeweile. Und seine Musik hielt, was der lustige Name und die abstrusen Titel seiner Tracks (wie Erdrauchharnschleck) versprachen: eine Mischung aus Low-Fi, Casio-Sounds, komischen Geräuschen und abstrakter Elektronik – das Ganze getarnt als Tanzmusik. Mehrere Alben und einen ganzen Haufen Remixe (unter anderem für Depeche Mode, The Bionaut, Barbara Morgenstern und Egoexpress) später ist der Mann, der mit bürgerlichem Namen Jo Zimmermann heißt, immer noch am Start. Sein neues Werk, What’s Fruit?, ist soeben beim Pingipung-Label erschienen. Zur Präsentation der neuen Tracks geht es am 10. Oktober ins Nachtasyl.

 

Soul Weekender

In Clubs, Bars und zu Wasser auf Partybarkassen spielen sich Soul-DJs aus Europa in Rage – unter anderem Brett Franklin und Paul Grant.

Auf echte Soulfreunde wartet mal wieder ein wundervolles Wochenende. Drei Tage lang geht an Land und zu Wasser einer der größten Soulweekender Europas über die Bühne. Das diesjährige Line-Up bietet unter anderem mit Mick H, Dave Ripolles, Henning Boogaloo, Brett Franklin, Barry Close, Paul Grant und DJ Sigher geballte Soulpower. Da kann jeder seine präferierte Spielart herauspicken – von Northern Soul über Modern Soul und R&B bis Crossover werden im Club (Gruenspan und Komet), in der Bar (Hamburger Botschaft) und wie immer auch auf der Elbe (Frau Hedi und Frau Claudia) ein schmackhaftes All-you-can-hear-Buffet geboten. Wer mit aufs Boot will, sollte sich übrigens sputen mit dem Kauf von Karten. Diese und das komplette Programm gibt es unter auf der Homepage des Soul Weekenders.

Text: Ole Masch