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Marcus Wiebusch

Der Sänger und Gitarrist der Hamburger Band Kettcar gastiert im Knust und zeigt hier neue Songs und seinen Kurzfilm.

Seine Stimme ist nun einmal unverkennbar, dieses leicht Affektierte, dieses abschätzige Singsprechen: Darum klangen Kettcar nach …But Alive, darum klingt Marcus Wiebusch solo nach Kettcar. Aber hier wie dort wich das anfängliche Gefühl von Vertrautheit bald einem anderen. Neugier vielleicht? Das ist ja doch anders! Konfetti ist nicht bloß im Titel Schnipselwerk, sondern ein ganz bewusst kleinteilig-abwechslungsreiches Album geworden: Der einzelne Typ als Urheber des Ganzen mag Reduktion versprechen, doch im Gegenteil wird hier groß aufgefahren, mit Hip-Hop-Beats und Bläsern. Während Kettcar entweder Geschichte sind oder sie einfach gerade nicht weitererzählen, haut Wiebusch weiter Storys raus. Das gerät ausgerechnet beim Anti-Homophobie-Song Der Tag wird kommen vielleicht eine Spur zu kunstlos – aber manches muss man eben auch mal gerade heraus sagen. Für das Lied kreierte Marcus Wiebusch einen siebenminütigen Kurzfilm, der am 6. September erstmals beim Konzert im Knust gezeigt wird. Die Karten für diese Premiere sind bereits vergriffen.

Text: Thorsten Moor

 

St. Pauli & Kirche

Einblicke in die Sub- und Religionskultur: Die 7. Kreativnacht St. Pauli trifft auf die 11. Nacht der Kirchen – geschlafen wird dann tagsüber.

St. Pauli ist bunt. Nicht nur dank Leuchtreklame und Rotlicht, sondern auch wegen seiner Kreativszene. Die öffnet für eine Nacht zwischen Reeperbahn und Pferdemarkt ihre Ateliers und Werkstätten, gewährt Einblicke in Hinterhöfe und Privatwohnungen. Während der Kreativnacht St. Pauli können die Nachtwanderer Besonderes entdecken: einen Skulpturengarten in der Brunnenhofstraße, eine Wandcollage mit Bildern aus dem Fotoautomaten, die Katakomben unter dem Gruenspan, Ausstellungen in Galerien, die Winterkollektion von Kantasou … Oder man beteiligt sich selbst am Kulturprozess, etwa als temporäres Mitglied des St. Pauli Fernsehballetts?

Kreativnacht 2

Ein besinnlicheres Programm wird in der darauffolgenden Nacht geboten: Im Rahmen der Nacht der Kirchen haben bis Mitternacht insgesamt 125 Gotteshäuser in Hamburg und Umgebung geöffnet. Unter dem Motto beherzt wird gemeinsam gebetet und meditiert. Auch Jazz-, Theater- und Literaturveranstaltungen gehören zum Programm. Wer auf all das keine Lust hat, der kann auch einfach die nächtliche Atmosphäre eines Sakralbaus wie der St. Petri-Kirche genießen.

Text: Julia Braune

 

 

City-Link Festival

Ausstellungen, Konzerte, Performances: Hamburgs Off-Galerien zeigen die Ergebnisse eines Künstleraustauschs zwischen Hamburg und Kopenhagen.

Sich austauschen, voneinander lernen, gemeinsam arbeiten, das sind die Ansprüche des City-Link Festivals, das die Ergebnisse eines deutsch-dänischen Kulturaustauschs zeigt. In dem „Who’s Who“ der Off-Räume der Hansestadt, im Hinterconti, in der Speckstraße, im Vorwerkstift, Frappant und Westwerk finden Ausstellungen, Konzerte, Performances, DJ-Sets und Lesungen statt. Die Kopenhagener Band Afenginn spielt, es gibt den Singer-Songwriter-Abend Sängerknaben und Sirenen, Jan Plewka führt Rauschgesänge auf. Und da es, trotz aller Unterschiede zwischen der kreativen Produktion in Hamburg und Kopenhagen und der erfolgreichen gegenseitigen Inspiration, durchaus ähnliche Schwierigkeiten gibt, findet zudem der dreitägige Kongress Cities, Cultures and Sustainability statt; dabei sollen Lösungen für Probleme, wie immer stärker steigende Mieten, gesucht werden. Eines der Highlights wird die Keynote von Prof. Sharon Zukin vom Brooklyn College sein. Natürlich sollen die noch zarten Bande zwischen den beiden Städten weiter wachsen – in der neuen Gängeviertel-Location Alte Bahnmeisterei darf schließlich ein Blick in die Zukunft des Städte-Links geworfen werden.

Text: Sabine Danek

 

Nacht der Clubs

Nach 14 Jahren Pause kehrt eine gute, alte Bekannte zurück nach Hamburg: die Nacht der Clubs – traditionell zum ersten September-Wochenende.

„Wenn ein Punker und ein House-Freak im selben Club zu Ragga tanzen, dann nennt man das nicht Crossover, sondern schlicht und ergreifend Nacht der Clubs.“ So beschrieb ein SZENE HAMBURG-Autor damals die Veranstaltung, die nun nach 14 Jahren Pause wieder zum Leben erweckt wird. Mit einer Rekordbeteiligung von 28 Liveclubs und über 100 Acts, versucht das Hamburger Clubkombinat die Mutter aller „Hopping-Events“ erneut zu etablieren. In Erinnerung an überfüllte Shuttle-Busse (früher Rockliner genannt) und lange Schlangen vor Clubs, in denen die wenigen Highlights spielten, war der damalige Tod des Events durchaus verständlich. Ein Blick ins diesjährige Programm lässt jedoch mehr erwarten: Budzillus, Dirty Doering, Dubtari, Nico Suave, Gregor Meyle, D-Flame oder die Skatoons sind nur ein kleiner Auszug des Line-ups und für 17 Euro im Vorverkauf unschlagbar. Und wer Läden wie Stellwerk oder Honigfabrik südlich der Elbe besuchen will, freut sich sicher auch aufs Shuttle-Fahren. Für den Rest sind die meisten Clubs ohnehin zu Fuß zu erreichen.

Text: Ole Masch

 

„Die Päpstin“

Die mittelalterliche Mär um Päpstin Johanna alias Johannes Anglicus wird nun im Altonaer Theater gezeigt.

Seit dem 13. Jahrhundert erzählt man sich die Geschichte um die Päpstin Johanna. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts soll es eine gelehrte Frau in Männerkleidern, unter anderem unter dem Namen Johannes Anglicus, an die höchste Spitze des Vatikans geschafft haben. Auch wenn die heutige Geschichtswissenschaft davon ausgeht, dass es kein reales historisches Vorbild für Johanna gab, ist sie doch so populär wie eh und je. Der Roman von Donna Woolfolk aus dem Jahr 1996 wurde zum Weltbestseller und sehr erfolgreich verfilmt. Gemäß seines Leitspruchs „Wir spielen Bücher!“ bringt das Altonaer Theater den großen Stoff nun als Stück Die Päpstin auf die Bühne. Es ist auf jeden Fall eine beachtliche Herausforderung, die Dichte und weitläufige Verknüpfung von Erzählfäden eines Romans mit mehreren Tausend Seiten auf eine Bühne zu verlagern. Übrigens: Anjorka Strechel, die Besetzung der Päpstin Johanna, hat Erfahrung mit dem Vortäuschen falscher Gender-Tatsachen. Im Film Mein Freund aus Faro spielt sie ein Mädchen, das sich als Junge ausgibt.

Text: Katharina Manzke

 

documenta-Stadt

„Art’s home is my Kassel“: In ihrem Dokumentarfilm zeigen die Filmemacherinnen Katrin und Susanne Heinz moderne Kunst als Teil einer Alltagspraxis.

Ähnlich wie Wacken in Holstein wird auch Kassel regelmäßig von einer touristischen Invasion heimgesucht. Während sich in Wacken einmal im Jahr 75.000 Metal-Fans versammeln, zieht es alle fünf Jahre das Zehnfache an Besuchern in die documenta-Stadt. Und ähnlich wie die Regisseurin Cho Sung-hyung 2006 in Heavy Metal Village den Clash zwischen Metal-Kulturen und angestammter Bevölkerung in Szene setzte, haben auch die Filmemacherinnen Katrin und Susanne Heinz das hochbedeutsame Event aus einer alltagskulturell „flachen“ Perspektive in Bilder gefasst. Ihre Doku Art’s home is my Kassel macht bekannt mit ganz normalen Dienstleistern zeitgenössischer Kunst: einer Taxifahrerin, die im babylonischen Sprachengemenge die geografische Übersicht bewahrt; einer Kunststudentin, die 180 Mal mit Besuchergruppen den Kunstparcours abschreitet; einer Restauratorin, die nachts die leichten Schäden behebt, die tagsüber an Tacita Deans sensiblen Kreidezeichnungen Fatigues entstehen. Natürlich erringen hierbei die spektakulären Kunstwerke die größte filmische Aufmerksamkeit. Andererseits sorgt dieses „Casting“ für jene Unterhaltungswerte, denen sich moderne Kunst mehrheitlich verweigert.

 

„The Whipping Man“

Der Mann ohne Peitsche: Matthew Lopez‘ Stück über Sklaverei, Schuld und Verantwortung feiert Premiere im English Theatre.

„Haunting, striking and powerful“, urteilte die New York Times über das Stück The Whipping Man von Matthew Lopez, das ab Anfang September im English Theatre aufgeführt wird. Tatsächlich wird darin ein Stoff behandelt, der einen schwer kalt lassen kann: Es geht um einen jungen Mann, der aus den Trümmern seines bisherigen Lebens heraus die Welt vollkommen neu denken muss. Schauplatz ist ein Ort in Virginia zum Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs im Jahr 1865. Der junge Caleb DeLeon kehrt vom Schlachtfeld nach Hause zurück und findet dort nur zwei Sklaven vor, die jetzt nach Kriegsende rechtlich als freie Männer gelten. Gemeinsam mit diesen setzt sich Caleb mit der persönlichen und historischen Vergangenheit auseinander. In den USA ist das Stück über die Sklaverei und die Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung ein Dauerbrenner und Matthew Lopez wird als einer der vielversprechendsten jungen Bühnenautoren gefeiert. Schön, dass sein Werk hier in Hamburg in der Originalsprache aufgeführt wird.

Text: Katharina Manke

 

Waldo rappt

Der Newcomer aus Michigan präsentiert die Tracks seines neuen Tonträgers „NSDE/OUTSDE“ im Turmzimmer des Uebel & Gefährlich.

Werft eure Hände in die Luft! Es ist mal wieder Rap-Time im Uebel & Gefährlich. Mit Waldo kommt ein US-amerikanischer Hip-Hop-Newcomer in den Bunker an der Feldstraße. Kamron Robinson, wie Waldo mit bürgerlichem Namen heißt, trat vor knapp zwei Jahren mit seinem viel beachteten Debüt Pick Your Own Poison auf den Plan. Weil dort im Hintergrund gern mal ein Synthie deftig quietschte oder dubstepartige Triolen angewendet wurden, gilt der Mann innerhalb des Hip-Hop-Rahmens als innovativ. Deswegen gleich von Experimentierfreude zu sprechen, ist aber ziemlich übertrieben. Die wirklichen Neuerungen finden anderswo statt (z.B. auf Earl Sweatshirts Doris-Album). Sei’s drum: Waldo sieht super aus, er rappt cool, vermeidet unnötigen Kitsch und die Backing-Tracks schieben auch ganz gut. Beste Voraussetzungen also für einen amtlichen Rap-Abend im Turmzimmer.

 

Max Beckmann

Die Hamburger Kunsthalle zeigt exklusiv über 70 Stillleben, Gemälde und Aquarelle des Malers. Vernissage ist am 4. September.

Stillleben ziehen sich durch das gesamte Werk von Max Beckmann (1884-1950). Verblühende Blumen, erloschene Kerzen und andere Sinnbilder der Vergänglichkeit, aber auch reife Früchte und prächtige Meerestiere gehören zu seinen Motiven. Mit mehr als 70 Exponaten (Abb: Großes Fisch-Stillleben, 1927) widmet die Hamburger Kunsthalle diesen Arbeiten jetzt eine erste umfassende Ausstellung, die von zwei wichtigen Beckmann-Werken im Bestand der Hamburger Kunsthalle ausgeht und die am 4. September eröffnet wird. Zu sehen sind Gemälde und Aquarelle aus den Jahren 1906 bis 1950, darunter auch viele selten gezeigte Werke aus internationalen Sammlungen Europas (beispielsweise aus der Staatsgalerie Stuttgart oder der Pinakothek der Moderne München), der Schweiz und der USA (The Baltimore Museum of Art, The Museum of Fine Arts Boston). Die Ausstellung wird ausschließlich in der Hamburger Kunsthalle zu sehen sein – und zwar bis zum 18. Januar 2015.

Text: Sabine Danek

 

 

Hasenschaukel reloaded

Der Club in der Silbersackstraße eröffnet nach langer Sommerpause mit gewohnt charmanter Musik vom Freigeist Eugene Chadbourne.

Avantgardist mit Humor: Der Improvisator und Erfinder des elektrischen Rechens stattet dem Kiez-Club einen Besuch ab.  Was ist von Eugene Chadbourne, diesem seit jeher unberechenbaren Freigeist zu erwarten? Vielleicht ist er milde gestimmt und schöpft aus seinem reichhaltigen Repertoire von Cover-Versionen, das von US-amerikanischen Folk-Klassikern bis zu Nazi Punks Fuck Off! von den Dead Kennedys reicht. Vielleicht wird er zu viel Kaffee getrunken haben und sich in der Hasenschaukel als High-Speed-Virtuose an seinem Banjo abarbeiten, den von ihm selbst erfundenen und konstruierten elektrischen Rechen traktieren oder einfach nur eine ausrangierte und mit Kontaktmikrophonen präparierte Schaufensterpuppe mit einem Schlagbohrer durchlöchern… Egal, was passiert: Die Performances von Eugene Chadbourne haben immer auch etwas Humoristisches. Knochentrockene, kaputt-akademisierte, „seriöse“ Avantgarde findet man woanders. Im Anschluss debütiert die neue Reihe Record Store Thursday mit Plattenneuigkeiten, vorgestellt von Michelle Records.