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Niels Frevert

Ehrliche Fälschungen und paradiesischer Pop: Der Singer/Songwriter aus Hamburg tritt im Schaufenster von Michelle Records auf.

Niels Frevert hat schon lange damit aufgehört, sich zu fragen: Darf man das? Der Hamburger Songschreiber nennt seine Lieder Einwegfeuerzeugstichflamme oder Waschmaschine; auf seinem neuesten Album lässt er ein UFO auf dem Dach vom Uebel & Gefährlich landen und sinniert über die Silbenzahl des Wortes Psychiatrie. Frevert darf das, weil er nicht nur die richtigen Schlagwörter, sondern auch die Geschichten dazu findet. Ein Glücksfall als Texter, als Musiker ein Könner – Paradies der gefälschten Dinge ist wieder in jenen warmen Bandsound gebettet, der seit Du kannst mich an der Ecke rauslassen (2008) Freverts Komfortzone ist. Dieses Paradies ist Popmusik mit Ecken, Kanten und Streichern – seine Fälschungen sind ehrlicher als anderer Leute Wahrheiten. Im Schaufenster von Michelle Records, Hamburgs vielleicht feinstem Plattenladen, werden die Songs weniger opulent vorgetragen als auf Platte – dafür gibt es ein intimes Konzerterlebnis (fast) auf Augenhöhe mit dem Publikum.

 

DJ Phono

Bei Deichkind setzt er auf grell und polternd, solo spielt er lieber die behutsam berechnenden Töne. Am Donnerstag holt DJ Phono Reiselustige im Pudel ab.

Gerade im Juli bespielte DJ Phono die S-Bahn-Station Hamburg Airport. Im Rahmen des Schleswig-Holstein Musikfestivals, das sonst vorwiegend ein an klassischer Musik interessiertes Publikum anzieht, verwandelte er für einige Stunden den Bahnsteig zur Tanzfläche. Das passt. DJ Phono hat eine Vorliebe für besondere Orte und Umstände. Und weiß andersherum eben auch, wie man das Besondere aus Orten, Nächten und Stimmungen herauskitzelt. Sonst als Tour-DJ und Bühnenshow-Mastermind bei Deichkind tätig, hat er sich in den vergangenen Jahren verstärkt auch seinem persönlichen Werk gewidmet und 2011 sein Debütalbum veröffentlicht. Wie seine Liveshows tänzelt dieses auf einem sorgsam aufgezogenen Spannungsbogen. Wo es bei Deichkind rumpelt und überdreht, setzt DJ Phono bei seinem Solowerk lieber auf das, was im Inneren langsam aufzublühen vermag. Er holt einen ab, wo man steht, und ohne, dass man den Übergang wirklich bemerkt hätte, findet man sich lauschend oder tanzend im Sog wieder.

Text: Miriam Mentz

 

Knust acoustics

Neuer Mittwoch, neue Bands beim Knust acoustic. Diese Woche auf dem Lattenplatz: ABAY, Joseh und Desmond. Wir lieben den Sommer! (Und den Herbst.)

Es ist wieder Mittwoch! Heißt: Wochen-Bergfest und heißt vor allem Zeit für die Knust Acoustics auf dem Lattenplatz. Das Grundrezept aus freiem Eintritt, Bier, Wurst und je drei Acts auf der Bühne ist weitreichend bekannt, doch gerade diese letzte Zutat macht das ganze ja von Woche zu Woche wieder zum Ankerpunkt für besonders herzlich angestoßene Feierabendbiere und -limos. Für diese Woche haben sich zum einen ABAY angekündigt. Unter diesem Namen noch weitreichend unbekannt, können das beide Bestandteile einzeln weniger von sich behaupten. ABAY ist nämlich der Zusammenschluss aus Aydo Abay, weitreichend bekannt als Ex-Blackmail-Frontmann und Jonas Pfetzing, ansonsten bei Juli für die Gitarre zuständig. In den Straßen von Berlin aufeinandergetroffen, haben beide beschlossen, zusammen ein Album aufzunehmen, das Ende des Jahres erscheint und hier schon einmal vorgestellt wird. Ebenfalls zu zweit spielen Joseh, die sich aus den Hamburgern Ulli und Joseph zusammensetzen und so etwas wie berührenden Folk Pop mit Gitarre und Harfe in die Welt entlassen – ruhig, oft melancholisch. Und dann wäre da noch Desmond, eine Band, bestehend aus einem Mann, nämlich Desmond Garcia. Danke, Mittwoch.

Text: Miriam Mentz

 

 

Krach auf der Hedi

Wer sagt denn, dass Bootsfahrten gemächlich sein müssen? Mit den Trashing Pumpguns und Thermorol zieht der MetalPunk auf die MS Hedi.

Am Mittwoch könnte die MS Hedi in kräftigen Wellengang geraten, ganz unabhängig von den vorherrschenden Wetterbedingungen. Denn mit den Hamburgern von Trashing Pumpguns und Thermorol haben sich gleich zweierlei Bands angekündigt, die mit ihrem Programm zwischen Punk und (Trash-)Metal dem über die Elbe schippernden Boot zu ordentlich Schlagseite verhelfen könnten. Von den Trashing Pumpguns, die, falls sich der ein oder andere erinnert, zuletzt den Grünen Jäger und den Hafengeburtstag zerlegten, wird es zudem einen Vorgeschmack auf die bald erscheinende Debüt-LP geben – so darf man mutmaßen – die sich im Feld des 1980er Jahre Hardcore mit Punkeinlage dreht und dementsprechend den Titel The New Wave Of Metalpunk trägt. Ein Abend, mit erschwertem Pogo-Level also. Und einer, zwischen musikalischem Vollgas und einer bezaubernden Aussicht. Denkt an die Hedi-Regel Nummer 2: Das Betanzen und Behüpfen der Bänke kann zu unfreiwilligen Schwimmeinlagen führen und ist somit zu unterlassen! Punk on.

 

Park Fiction

Zur Wiederaufführung der Dokumentation über eine erfolgreiche Park-Initiative auf St. Pauli wird die Filmemacherin Margit Czenki im Metropolis Kino erwartet.

„Parks sind ein extrem gutes Experimentierfeld dafür, wohin die Stadt entwickelt werden kann“, sagt der Hamburger Künstler Christoph Schäfer im Gartenheft, der sechsten Ausgabe der Geschichtsedition von SZENE HAMBURG. „Sie sind reale, benutzbare Orte – und gleichzeitig sehr symbolisch.“ Der Edwin-Scharff-Preisträger des Jahres 2014 war Mitte der 1990er Jahre maßgeblich an der kollektiven Wunschproduktion für Park Fiction in der Bernhard-Nocht-Straße auf St. Pauli beteiligt. In ihrer Dokumentation Park Fiction – Die Wünsche werden die Wohnung verlassen und auf die Straße gehen hat die Hamburger Filmemacherin und Fotografin Margit Czenki die Träume, Diskussionen und Kämpfe von damals in Bild und Ton festgehalten. Zur Wiederaufführung des Park Fiction-Films wird sie im Metropolis Kino als Gast erwartet.

 

King Rocko Schamoni

Das via Crowdfunding finanzierte Musik-Projekt „Die Vergessenen“ erlebt seine Live-Umsetzung mit 16-köpfigem Orchester live im Thalia Theater.

Wer den Hamburger Musiker und Autor Rocko Schamoni ein bisschen im Auge behält, kennt bereits seit einer Weile sein Projekt Die Vergessenen – und hat es vermutlich sogar mitbezahlt. Die Aufnahmen zur Platte, die voraussichtlich im nächsten Jahr erscheint, wurden mittels Crowdfunding der Fans finanziert. Da in der Musikindustrie die Kohle nicht mehr so locker sitzt, wendet man sich in Geldfragen lieber gleich an den Endverbraucher – der im Gegensatz zum Labelboss den Charme darin erkennt, mit großem Tamtam (sprich 16-köpfigem Orchester) eher unbekannte Perlen deutschsprachiger Unterhaltungsmusik einzuspielen. Mit dem Orchester Mirage spielt Rocko Schamoni Songs der Lassie Singers, von FSK, Manfred Krug, Hildegard Knef und vielen weiteren, in Arrangements, die den Liedern schmeicheln wollen. Für eine derart glamouröse Gala ist das Thalia Theater nur standesgemäß.

Text: Michael Weiland

 

Unorte

Der Künstler Robert Meyn präsentiert in seiner Ausstellung „Unorte“ Architekturkonzepte, Malerei und Klanginstallationen.

In seiner Werkschau werden Orte und Gegenstände neu definiert und in einen anderen Kontext gesetzt, von alten Funktionen befreit. Robert Meyn, Jahrgang 1982, hat nach seiner Ausbildung zum Schreiner und dem Besuch einer Holzbildhauerschule, Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und Freie Kunst an der Bauhaus-Universität in Weimar studiert. Seine Unorte zeigt er im Einstellungsraum e. V. – einer Initiative von Künstlerinnen und Künstlern, die Begegnungen mit zeitgenössischer Kunst und Kultur schaffen wollen. Dem Thema Automobilität und deren Ergründung durch die Kunst hat sich der Verein im Speziellen verschrieben. Das damit verbundene, diesjährige Programm „Park & Ride“ beinhaltet auch die sechste Ausstellung Unorte, die mit einer Einführung des Künstlers Utz Biesemann am 27. August eröffnet wird.

Text: Katarina Wollherr

 

East Cameron Folkcore

Laut und überwältigend: Das elfköpfige MusikerInnen-Kollektiv aus Austin, Texas, spielt seinen Protest-Core live im Knust.

Elf Freunde müsst ihr sein: Das Musikerkollektiv East Cameron Folklore kommt in Mannschaftsgröße daher und macht von seiner Überzahl Gebrauch: Der aus Blues, Punk und Folk zusammengesuchte Sound der Band ist keine filigrane Kammermusik, sondern wenig einverstandener Protest-Core, laut und überwältigend. Beim diesjährigen „South By Southwest“, dem Showcase-Festival in ihrer Heimatstadt Austin, Texas, hat die Band selbst bei abgeklärten Musikkritikern, die bisher alles gesehen und gehört zu haben glaubten, offene Münder hinterlassen, beim Publikum sowieso. Ihre deutsche Vertretung, das Hamburger Label Grand Hotel Van Cleef (Tomte, Kettcar, Young Rebel Set, Kilians, Marcus Wiebusch, Thees Uhlmann), bringt die Band noch mal für ein paar Konzerte hierher, bevor früh im nächsten Jahr ihr drittes Album Kingdom Of Fear erscheint.

Text: Michael Weiland

 

 

Les Trocks

Das ausschließlich aus Männern bestehende Ballett-Ensemble Les Ballets Trockadero de Monte Carlo aus New York City tanzt in der Staatsoper.

Männer und Ballett? Klar, da gab es so ein paar berühmte Tänzer in der Geschichte, Rudolf Nurejew etwa, George Balanchine, Vaslav Nijinsky und natürlich John Neumeier. Ansonsten kennen die Älteren unter uns den Zusammenhang Männer und Ballett eigentlich nur aus dem sogenannten Fußball-Ballett der ARD Sportschau in den 1970er und 1980er Jahren. Les Ballets Trockadero de Monte Carlo haben einen amüsanten Mittelweg gefunden. Das New Yorker Ensemble besteht aus gestandenen Tänzern, die anspruchsvolle Originalchoreographien wie Schwanensee mit voller Körperbeherrschung auf die Bühne zu bringen in der Lage sind, und die es sich aber nicht nehmen lassen, dabei auch sämtliche weibliche Rollen zu übernehmen. Gegründet wurde die Kompanie vor vierzig Jahren, seitdem trat sie in verschiedenen Inkarnationen in über 30 Ländern auf, überall frenetisch beklatscht. „Der witzigste Abend, den man im Ballett erleben kann, und merkwürdigerweise auch einer der bewegendsten“, beschied der britische Guardian den „Trocks“. Und das in der altehrwürdigen Hamburgischen Staatsoper – wie sich die Zeiten ändern …

 

Disco

Licht aus, Spot an! Werner Momsen featuring Boerney und die Tri Tops lassen mit ihrer „Disco“-Show alte Jugendzeiten wieder aufleben.

1971 wurde sie erstmals ausgestrahlt, 1982 war dann Schluss: Disco, moderiert vom ebenso charmanten wie sympathischen Ilja Richter, begann als Nachmittagssendung und wanderte aufgrund des großen Zuspruchs schnell ins Abendprogramm des ZDF. Richters Sprüche (die kumpelhafte, an das Studio-Publikum gerichtete Standard-Begrüßung „Hallo Freunde!“ oder „Licht aus! Whoom! Spot an! Jaaa …!“ zur Begrüßung des jeweiligen Stargasts) waren damals geflügelte Worte und dürften Millionen von Jugendlichen geprägt haben. Werner Momsen lässt nun den Humor und die Stimmung dieser Zeit wieder aufleben. Bei der Die Werner Momsen ihm seine Discoshow feat. Boerney und die Tri Tops gibt es ein Potpourri der schönsten, schrägsten und lustigsten Songs der 1970er Jahre, gespielt und gesungen von einer Band, die selbst Totgeglaubte wieder zum Leben erweckt.

Text: Katharina Manzke