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„Weil Samstach is!“

Frank Goosen berichtet im Zirkuszelt im Schanzenpark vom allsamstäglichen Wahnsinn in Deutschlands Fußballstadien.

Jeden verdammten Samstag bewegt sich die labile Psyche des gemeinen Fußballfans zwischen Selbsterniedrigung und Allmachtsfantasien. Das weiß niemand besser als Frank Goosen, der im Zirkuszelt im Schanzenpark seine Erfahrungen mit uns teilt. Er erzählt von den Berühmten, den Vergessenen und den nie Gekannten, den Helden mit Stollen und Stutzen, von seinen Erlebnissen mit Engländern auf dem Weg zur Champions League, mit gegnerischen Fans in der Stadiontoilette und gibt bislang unbekannte Insiderinformationen preis, die die Ereignisse in der Liga in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen. Sehr lehrreich und unterhaltsam auch sein Leitfaden zu Etikette, Gepflogenheiten und überlebenswichtigen Grundregeln, die beim samstäglichen Stadionbesuch unbedingt zu beachten sind. Als unverwüstlicher Fan des VfL Bochum – der mit dieser Neigung in Hamburg wenig riskiert – plaudert er aus dem Nähkästchen der Fußballleidenschaft zwischen Duisburg und Dortmund, zwischen Elbe und Dolomiten.

Text: Nik Antoniadis

 

Max Herre

Kopfnicker-Hip-Hop: Zusammen mit Joy Denalane, Afrob, Megaloh und Fetsum lädt der Stuttgarter Rapper zur Party in den Stadtpark.

Vor 15 Jahren stand Max Herre schon einmal auf der Stadtpark-Bühne und hatte ein paar der Gäste dabei, die ihn auch diesmal begleiten, etwa Joy Denalane, inzwischen seine Frau und Mutter seiner beiden Kinder, oder den Rapper Afrob. Damals nannte sich sein Kollektiv Freundeskreis und vereinigte einige der besten Hip-Hop-Künstler der Stuttgarter Szene. Songs aus dieser Zeit wie A-N-N-A oder Esperanto hat der inzwischen in Berlin lebende Sänger und Produzent immer noch im Repertoire. Herre kann nicht nur Liebeslieder, er gehört auch zu den kritischen Stimmen der deutschen Pop-Kultur. Aufruhr mit dem Blick auf die arabische Revolution und die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer und Berlin-Tel Aviv, in dem er das Schicksal eines jüdischen Mädchens im Jahr 1938 beschreibt, sind solche nachdenklichen Nummern. Doch Herre ist auch ein Meister des Grooves und allerbesten Kopfnicker-Hip-Hops. Eine fette Party ist also garantiert – allerdings sind alle Tickets bereits vergriffen.

Text: Heinrich Oehmsen

Abserviert / Sei Tu feat. Gentleman – MTV Unplugged Live from Nesola on Vimeo.

 

Triennale der Photographie

Zukunftsmusik: Zum Auftakt wird vor den Deichtorhallen das Containerdorf mit Ausstellungen, Preisverleihung und DJ-Set eröffnet.

Auch die Fotografie zählt zu den Branchen, die Internet und Digitalisierung stark verändern. Darum stellt die diesjährige Triennale der Photographie die Frage nach der Zukunft der Fotografie. In Ausstellungen, Veranstaltungen und Gesprächen wollen die Organisatoren bis zum 28.6. Antworten auf diese Frage finden und gleichzeitig mit dem Motto The Day Will Come Besucher, aber auch Künstler und Wissenschaftler anderer Disziplinen dazu anzuregen, über Fotografie in der Zukunft nachzudenken. Wie hat die Handykamera unsere Wahrnehmung verändert? Wieso werden täglich Milliarden von Bildern produziert und zum Beispiel in sozialen Netzwerken weltweit veröffentlicht? Welchen Einfluss hat die digitale Bilderwelt auf die modernen Gesellschaften? Vor diesem Hintergrund präsentiert die Phototriennale die gesamte Bandbreite fotografischer Techniken und Stile an verschiedenen Spielorten in Hamburg. Zum Auftakt wird am 18.6. um 22 Uhr das Containerdorf auf dem Vorplatz der Deichtorhallen eröffnet: mit Foto-Projektionen, der Preisverleihung des What’s Next-Fotowettbewerbs und Signierstunde, außerdem der New York Night of Photography organisiert von Photoville (New York) mit DJ Kuki Monstah.

 

Fraktus

Unbarmherziger Angriff auf Trommelfell und Zwerchfell: Die unangefochtenen Erfinder des Techno live im Thalia Theater.

Über ein Jahr ist es her, dass das Stück im Thalia uraufgeführt wurde. Und seither kann Hamburg nicht genug davon bekommen. Vor den unangefochtenen Erfindern des Techno, den Beatles der Elektro-Musik bleibt Kollegen wie Scooter, Daft Punk oder Nitzer Ebb nichts anderes übrig, als sich vor ihnen zu verneigen und neidlos anzuerkennen: Ohne Fraktus wäre die Musik nicht, was sie heute ist. Nachdem sie sich auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs in den 1980er Jahren im Streit trennten, verschwanden sie lange in der Asservatenkammer der Musikgeschichte – bis zu ihrem Comeback im Jahr 2012, das inzwischen fast noch legendärer ist als ihre frühe Schaffensphase. In der Bühnenfassung der Mockumentary liefern Studio Braun a.k.a. Bernd Wand, Dirk Eberhard „Dickie“ Schubert und Meinhard Gnom mit 120 Dezibel und 140 beats per minute einen unbarmherzigen Angriff auf Trommelfell und Zwerchfell. Wer immer noch glaubt, dass es Fraktus nie gab, kann sich im Thalia Theater vom Gegenteil überzeugen. Fraktus lebt!

Text: Nik Antoniadis

 

„Das Hamburger Kontorhaus“

Bernd Lange stellt bei Sautter + Lackmann sein Buch über das Chilehaus und dessen backsteinerne Verwandte vor.

Es gibt wohl wenige Motive, die in Hamburg öfter fotografiert werden als die Spitze des Chilehauses. Als prominentestes Gebäude des Ensembles, das heute Kontorhausviertel genannt wird, ist es zusammen mit der Speicherstadt Teil von Hamburgs ambitionierter Bewerbung um den Status des Weltkulturerbes der Unesco. Und tatsächlich steht es in seiner Zeit für eine außergewöhnliche Architektur: Auf dem europäischen Kontinent gab es damals kaum vergleichbar hochwertige und moderne Bürohäuser an einem Ort. Nicht umsonst ist Hamburg besonders stolz auf diese backsteinernen Monumente hanseatischen Selbstverständnisses. Umso erstaunlicher ist es, dass es bislang keine umfassende Monografie darüber gab. Diese Lücke hat der Architekturhistoriker Bernd Lange gefüllt. Im Rahmen des diesjährigen Architektursommers stellt er sein Buch zum Hamburger Kontorhaus in der Buchhandlung Sautter + Lackmann vor. Der Präsentation folgen ein Vortrag zum Thema sowie eine anschließende Diskussionsrunde.

Text: Nik Antoniadis

 

„My Child“

Wie Tod und Wiedergeburt: Das Metropolis zeigt die türkische Dokumentation über die Eltern homosexueller Kinder in Istanbul.

Nichts hat sie auf diese Erfahrung vorbereitet. Die Eltern, die sich jede Woche im Rahmen der Gruppe LISTAG in Istanbul treffen, sprechen über traumatische Erlebnisse. Über Hilflosigkeit, Angst, Scham und Akzeptanz. Sie alle teilen dieselbe Erfahrung: Das Coming-out ihrer Kinder als lesbisch, schwul, bisexuell oder transgender. Für sie ist diese Offenbarung wie der Tod ihrer Kinder – und die anschließende Wiedergeburt und auch ihrer selbst. Denn sie alle mussten sich auf dem Weg, mit dieser Realität umzugehen, mit elementaren Fragen beschäftigen: Was macht einen Menschen zum Individuum? Was bedeutet es, aufrichtig zu sich selbst zu sein? Was heißt es, ein echter Vater, eine echte Mutter zu sein? Der Dokumentarfilmer Can Candan, der unter anderem an den Universitäten Bilgi, Sabancı und Boğaziçi University in Istanbul unterrichtet hat, begleitet diese mutige Elterngruppe bei ihren Gesprächen, bei ihren Begegnungen mit ihren Kindern, bei ihrer Arbeit, um öffentlich mehr Sichtbarkeit, Akzeptanz und gleiche Rechte für ihre Kinder zu fordern.

Candan wird bei der Vorstellung von My Child (im Original mit englischen Untertiteln) im Metropolis zugegen sein.

Text: Nik Antoniadis

 

Primus

Nuschelstimme, lila Samtweste und bizarrer Humor: Die Kalifornier um Les Claypool lassen im Docks keine Fragen offen.

„When the going gets weird, the weird turn pro“, lautet ein Aphorismus des seligen Hunter S. Thompson. Ob Les Claypool von Primus zuerst zum musikalischen Genie und dann verrückt geworden ist oder umgekehrt, ist nicht überliefert. Seine Funk-Jazz-Country-Punkband Primus zählt zum Feinsten, was experimentelle Musik zu bieten hat. Mit Nuschelstimme, bizarrem Humor und virtuosem Bassspiel zocken sie sich seit über 20 Jahren durch die Synapsen ihres leicht nerdigen Publikums. Im Docks performen sie ihr aktuelles Album Primus & the Chocolate Factory With The Fungi Ensemble, eine Hommage an den Film Willy Wonka & The Chocolate Factory von 1971. „Dafür“, sagte Claypool kürzlich dazu, „habe ich eine Entschuldigung, um für die nächsten 18 Monate eine lila Samtweste und einen braunen Zylinder zu tragen!“ Noch Fragen?

Text: Benedikt Ernst

 

Dead Kennedys

California über alles: Die Mütter des Punkrock kommen mit gewohnt halsbrecherischem Hardcore in die Große Freiheit 36.

Kaum eine Band war für den (US-)Punk so einflussreich wie die Dead Kennedys. Ihr Debüt Fresh Fruit For Rotting Vegetables krachte 1980 in die Szene und bereitete mit seiner halsbrecherischen Geschwindigkeit den Weg für nachfolgende Hardcore-Bands. Stilprägend waren zweifelsohne auch die bissig-zynischen bis schwarzhumorigen Texte von Frontmann Jello Biafra. Sechs Jahre und drei LPs später löste sich die Band auf. Fortan sollten die ehemaligen Mitglieder eher mit internen Streitigkeiten auf sich aufmerksam machen. Während sich Biafra heute in einer durchaus erfolgreichen Solokarriere dem spoken word widmet, touren die übrig gebliebenen Musiker seit 2001 mit wechselnden Sängern. Die Große Freiheit 36 erlebt also einen Aufguss alter Punk-Klassiker. Support Act Sonny Vincent zeichnet sich durch deutlich mehr Beständigkeit aus: Seit 1976 spielt er seinen rohen New-York-Proto-Punk-Style. Zusammen werden sie sicherlich nicht viel von der Großen Freiheit übrig lassen.

Text: Pablo Schinkel

 

Life of Agony

Mina Caputo, Joey Z. an der E-Gitarre, Alan Robert am Bass und Schlagzeuger Sal Abruscato rocken in der Markthalle.

Frisch wiedervereinigt zeigte sich die Band um Mina Caputo bereits im August letzten Jahres beim Elbriot-Festival. Im Juni spielt Life of Agony in der Markthalle. Zwar verkündete die Band, bestehend aus Frontfrau Mina Caputo, Joey Z. an der E-Gitarre, Alan Robert am Bass und Schlagzeuger Sal Abruscato im Jahr 2014, dass sie sich nicht mehr aufraffen könne, neue Songs mit dunklen Texten zu schreiben – die Lust am gemeinsamen Performen haben die Metaler aus New York aber nicht verloren. Am 16. Juni werden sie ihrem Publikum auch neue Songs präsentieren: Unveröffentlichtes vom ersten Soloalbum ihrer Frontfrau. Wo? Natürlich im Hamburger Heimathafen für Rockiges: der Markthalle.

 

Kurt Palm

Ein Tag im Zeichen des Filmemachers und Autors: Der Österreicher stellt im Abaton seine Filme und Bücher vor – und das gleich im Viererpack.

So ein bisschen als Enfant terrible, aber ausdrücklich als „Volksbildner“ ist der österreichische Autor und Regisseur Kurt Palm bekannt. Er hat ein Adalbert-Stifter-Kochbuch verfasst, James Joyce von A bis Z durchgewalkt und wurde für seine Werke mit dem ein oder anderen Preis bedacht. Nun kommt er zu einer Lesung und drei Filmpremieren ins Abaton. Hermes Phettberg (17 Uhr) ist ein Porträt seines gleich gestimmten Kombattanten, aus seiner Kurort-Groteske Bad Fucking liest Palm einige Passagen (19 Uhr), um die Gäste auf eines der Highlights einzustimmen: Das Abaton zeigt erstmals die Verfilmung von Bad Fucking (20.15 Uhr). Mit der Eckhard-Henscheid-Adaption Kafka, Kiffer und Chaoten (22.30 Uhr) (Foto) nimmt der Tag dann ein zünftig hochgelehrtes Ende.