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Ein Plaza II für den Dollar

 

Die Probleme, die sich aus der notwendigen Korrektur des US-Leistungsbilanzdefizits für Weltwirtschaft ergeben, sind auf HERDENTRIEB ausführlich dargelegt worden. (siehe „Die Weltwirtschaft am Rande des Abgrunds?“ und „Auf dem Weg zum Dollar-Crash?“). Was in der globalen Debatte bislang fehlte, waren aktive wirtschaftspolitische Maßnahmen, um dem Ungleichgewicht entgegen zutreten. Im vergangenen Jahr wurde vor allem von Persönlichkeiten aus dem Kreis der amerikanischen Fed einer Politik in Wartestellung das Wort geredet; allen voran von Alan Greenspan und Ben Bernanke. Dies scheint sich gerade zu ändern: Ein Vorschlag des Institute for International Economics (IIE) zur Vereinbarung eines internationalen Währungsabkommens soll bei einigen Wirtschaftsberatern der Bush Regierung auf fruchtbaren Boden fallen. Das berichtet zumindest Peter De Thier, Washington Korrespondent der Börsen-Zeitung, am vergangenem Samstag. Es klingt nicht unplausibel.

Die Befürworter stehen nun allerdings vor der interessanten Aufgabe, das Konzept eines neuen Plaza-Abkommens politisch geschickt einzufädeln, ohne dabei die Glaubwürdigkeit der bisherigen Wirtschafts- und Währungspolitik der Bush-Regierung aufs Spiel zu setzen.. „Als wahrscheinlich gelten vorsichtige Vorstöße in einem internationalen Rahmen“, so Peter De Thier, „beispielsweise anlässlich der Frühjahrstagung des IWF, die in zweieinhalb Monaten in Washington stattfindet.“

Die Idee zu einer Plaza II Initiative hat kürzlich William Cline in einer Studie des IIE formuliert. Cline warnt noch einmal eindringlich davor, dass eine ungebremste Entwicklung des Leistungsbilanzdefizits und der Nettoauslandsverschuldung der USA auf dem bisherigen Pfad die negativen Effekte einer Anpassung nur vergrößert. Daher sei es wichtig, zwei wesentliche Faktoren des globalen Ungleichgewichts schnellst möglich in Angriff zu nehmen: Die notwendige reale Abwertung des Dollar und das US-Haushaltsdefizit. Er plädiert für eine koordinierte Anpassung der Dollarwechselkurse und schlägt ein internationales Abkommen ähnlich dem Plaza Abkommen von 1985 vor. Die flankierende Maßnahme ist dabei die Reduktion des US Haushaltsdefizits.

Allerdings müsse anders als 1985 der Kreis der Länder, der an der konzertierten Abwertungsaktion teilnehmen soll, deutlich erweitert werden. 1985 hatten die G-5 (USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien) im berühmten Plaza Hotel in New York beschlossen, eine Abwertung des Dollar herbei zu führen. Diesmal, so Cline sollten die G-20 in die Initiative miteinbezogen werden. Nach seinen Schätzungen müssen die relevanten Währungen zusammen handelsgewichtet gegenüber dem Dollar um rund 25% aufwerten. Dies entspricht einer realen Abwertung des Dollar um rund 20%. Nur so werde sich das amerikanische Leistungsbilanzdefizit von derzeit über 6 Prozent des BIP bis 2010 auf 3 Prozent verringern. Auf diese Weise könnte die Nettoauslandsverschuldung gemessen am BIP bei rund 50 Prozent stabilisiert werden.

Die Grundlage für die zu vereinbarenden Aufwertungspfade der bilateralen Dollarwechselkurse ist der handelsgewichtete reale Dollarwechselkurs. Ausgehend von seinem Höchststand im Jahre 2002 ist eine reale Abwertung des Dollar von 28 Prozent erforderlich, schätzt Cline. Dies impliziert, dass die Nicht-Dollar Währungen zusammen rund 39 Prozent gegenüber dem Dollar aufwerten müssen. Die erforderliche ‚optimale‘ Aufwertung für jede einzelne Währung ist dabei sehr unterschiedlich. Sie wird durch den jeweiligen Handelsüberschuss mit den Vereinigten Staaten und der seit 2002 erfolgten Wechselkursentwicklung bestimmt.

Die Aufwertung des Dollar im vergangenem Jahr hat einen Teil der bis Ende 2004 erreichten Anpassung wieder zunichte gemacht. Um die ab November 2005 gerechnete reale Abwertung des Dollar um 20% zu erreichen, müssten z.B. der Euro um 20,6%, das Britische Pfund um 25,3%, der Japanische Yen um 62,4% und der Chinesische Renminbi um 43,3% real gegenüber dem Dollar aufwerten. Cline teilt die Länder in drei Gruppen ein. Die erste Gruppe umfasst 13 Länder mit einer verbleibenden Aufwertung von mehr als 40 Prozent. Ihr gehören unter anderem China und Japan an. Die zweite Gruppe umfasst 6 Länder mit einer verbleibenden Aufwertung von 15 bis 40 Prozent. Hier zu zählen unter anderem der Euroraum, Korea und Großbritannien. Alle anderen Länder fallen in die dritte Gruppe. Hier sind keine besonderen Maßnahmen erforderlich.

Im wesentlichen würde die Vereinbarung darin bestehen, dass die Länder, die bisher durch Interventionen am Devisenmarkt eine Aufwertung ihrer eigenen Währung gegenüber dem Dollar verhindert haben, davon in Zukunft Abstand nehmen. Damit meint Cline vor allem China und einige kleinere asiatische Länder. Der Bank von Japan, der Europäischen Zentralbank und dem Federal Reserve System würde die Aufgabe zufallen, aktiv am Devisenmarkt zu intervenieren, um den Dollarkurs kontrolliert zu schwächen. Der IWF hätte dabei die Aufgabe technische Unterstützung bei der Festlegung geeigneter Wechselkursanpassungspfade zu leisten. Hierbei sollten die Entwicklung der Leistungsbilanzsalden und länderspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden.

Wesentlich für den Erfolg eines solchen Abkommen wären glaubhafte Maßnahmen der US Regierung ihr Haushaltsdefizit zurückzuführen, schreibt Cline.

Warum?

Es gibt zwei triftige Gründe. Erstens, das hohe Budgetdefizit ist ein wesentlicher Faktor für die geringe gesamtwirtschaftliche Ersparnis. Außerdem würde seine Rückführung den zu erwartenden inflationären Druck mildern, der die US Notenbank veranlassen könnte, die Zinsen zu erhöhen, was die Abwertungsinitiative konterkarieren würde. Der zweite Grund ist das wirtschaftspolitische Signal, das die Vereinigten Staaten aussenden würden. Die Auflösung des globalen Ungleichgewichts stellt die Welt vor ein Dilemma. Die Vermeidung einer möglichen Dollarkrise ist im Interesse aller Länder, aber jedes Land, das den ersten Schritt zur Korrektur unternimmt, muss damit rechnen seine wirtschaftliche Lage zu verschlechtern. So wird der schwarze Peter hin und her geschoben und jedes Land findet einen Grund, sich nicht zu bewegen.

In der Überwindung dieses Gefangenen Dilemmas gerade auch für die aufstrebenden Länder Asien sieht Cline die wesentliche Funktion eines Plaza II Abkommens. Er schreibt:

„Any individual developing country following a managed flexible exchange rate regime (a ‚dirty float‘) could be concerned about loss of competitiveness if its government were to allow its exchange rate to appreciate against those of its peers. If a large number of countries appreciate against the dollar in a coordinated manner, in contrast, no individual country faces the penalty of making its exports uncompetitive against alternative suppliers. This is known as the prisoner’s dilemma, which collective action resolves. This problem is at the heart of the case for a coordinated Plaza II designed to marshal coordinated action by many countries that otherwise have strong incentives individually to keep their currencies from rising against the dollar.“

Und auch der Euroraum sollte ein Interesse an einer koordinierten Lösung haben, denn

„Such action would be in Europe’s long-term interest because otherwise, in the absence of a coordinated Plaza II, the eventual pressures associated with an ever-widening US current account deficit could trigger a sharp upsurge in the euro, not only against the dollar but also against many other currencies held down by wrong-direction intervention. The euro-area economy could then wind up bearing a disproportionate share of the burden of foreign adjustment.“

In diesem Zusammenhang verweist Cline auf ein Arbeitspapier des Brüsseler Breugel Instituts in dem Alan Ahearne und Jürgen von Hagen die Problematik aus europäischer Sicht diskutieren.

Dass Bewegung in die Debatte in Washington kommt, zeigen auch die jüngsten Äußerungen von Timothy Geithner, Chef der Federal Reserve Bank of New York. In seiner Rede in London vor drei Tagen hat er die Rückführung des US-Haushaltsdefizits als einen wichtiger Faktor bei der Auflösung des globalen Ungleichgewichts benannt. Er fordert die amerikanische Regierung auf, eine aktive Rolle einzunehmen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie nur so glaubwürdig auf entsprechende Schritte in anderen Ländern hinwirken könne.

„The global nature of these requirements does not imply that the United States can put the principal burden for adjustment on others. If we focus adequate political capital on the factors within our control, we will have more credibility internationally in encouraging policy changes outside the United States that might reduce our collective risks in the adjustment process ahead.“