Stellen Sie sich vor, Sie kämen gerade aus einem vierwöchigen Urlaub zurück. Einem Urlaub ohne Blackberry, ohne Internet, Fernsehen und Zeitungen, also aus so einem richtig perfekten Urlaub. Dann schauten Sie heute Abend erstmals wieder auf den Kursteil Ihrer Zeitung. War nix los, würden Sie beruhigt oder gelangweilt denken. Der Dax, der vor vier Wochen kurz vor 7000 stand, schloss am Freitag bei rund 6.900 Zählern. Auch im Verhältnis der großen Währungen Euro, Dollar und Yen hat sich im Vierwochenvergleich kaum etwas getan. Der Yen ist noch immer viel zu schwach. Ganz ähnlich das Bild bei den Anleihen oder beim Ölpreis. War was?
Und noch wichtiger: War’s das schon? Ist die Korrektur an den Märkten ausgestanden, fallen schon in dieser Woche die alten Höchstmarken? Ich bin skeptisch. Der kräftige Anstieg der Aktienkurse in der vergangenen Woche war zwar eine schöne Erholungsbewegung. EuroStoxx und Dax haben fünf Prozent gut gemacht! Das ist sehr viel.
Das ist zu viel. Ich halte es mit den europäischen Aktienstrategen von Morgan Stanley, die ich immer gerne lese und die Ende Januar rechtzeitig zur Vorsicht gemahnt hatten – und damit den scharfen Einbruch Ende Februar ganz gut getroffen hatten. Sie schreiben in ihrem neuen Bericht: „We are more than halfway through a normal bull market correction“.
Auf gut Deutsch: Bevor es weiter aufwärts geht, geht es noch mal bergab. Ihr aus meiner Sicht wichtigstes Argument: Die Korrektur war vor allem deshalb so kurz, weil die Investoren wie immer die jüngste Erfahrung am höchsten gewichten. Und die letzte Korrektur war die vom Mai 2006, die zwar heftig war, aber nach zwei Monaten vergessen – und danach ging es volle Kraft bergauf.
Mit dieser Erfahrung im Hinterkopf wurde in der aktuellen Korrektur ganz schnell der Hebel wieder auf Optimismus umgelegt. Vor allem, nachdem die amerikanische Notenbank am Mittwoch eine Erklärung raus gegeben hatte, in die auch künftige Zinssenkungen hereininterpretiert werden können. Ich glaube, die Fed wird nur senken, wenn die Rezessionsgefahr in Amerika deutlich steigt. Doch dann haben wir an den Märkten andere Sorgen. Für mich ist das Fed Statement gute und pragmatische Notenbankpolitik, die die Gefahren (Stichwort: Subprime-Krise) anerkennt. Ich würde noch nicht auf sinkende Notenbankzinsen setzen.
Die Strategen von Morgan Stanley glauben, dass die diesjährige Korrekturphase länger dauern wird als letztes Jahr (zwei Monate) und dass sie von noch einigen Abs und Aufs begleitet wird. Da gehe ich mit.
Eine über Subprime ausgelöste Rezession in Amerika erwarten die Experten nicht. Allerdings warnen sie zu Recht vor einer Finanzkrise („A financial crisis, though, is a small but increasing risk, due to the subprime crisis).
Das tun auch meine New Yorker Kollegin Heike Buchter und ich in der aktuellen ZEIT. Das zur Zeit größte Problem ist, dass niemand weiß, wer die kollabierenden Hypotheken in den Büchern, respektive Bilanzen hat. Sie sind verpackt als Mortgage Backed Security und neu zusammengestellt als CDO in alle Welt verkauft worden. Wetten, dass die meisten Bankvorstände gar nicht wissen, dass auch ihre Bank solche Papier besitzt. Zudem gibt es meist keine Marktpreise, so dass sich der Wert dieser CDOs erst nach Herabstufungen der Ratingagenturen verbilligen wird. Das kann noch Monate dauern und uns noch Monate auf Trab halten.
Für mich ist die Subprime-Krise nicht weniger als der erste reale Stresstest für den modernen Verpackungskapitalismus. Erst in einem Jahr werden wir Bilanz ziehen können, ob die Risikoverteilung raus aus den Bankbilanzen hin zu Hedgefonds, Lebensversicherern und Fonds das gehalten hat, was die Banken uns immer versprochen haben: Nämlich, dass das gesamte Finanzsystem stabiler geworden ist. Genauso gut kann ich mir vorstellen, dass die Reputation der Wall Street erheblichen Schaden nehmen kann. Wenn klar werden sollte, dass es sich dort keineswegs mehr um einen der am besten regulierten, transparentesten und effizientesten Kapitalmärkte der Welt handelt, wie Rosner und Mason in ihrem großartigen Papier warnen. Die CDO’s sind ein Produkt des Vertrauens in die Investmentbanken und vor allem die Ratingagenturen.
Wehe wenn das Vertrauen missbraucht worden ist und die Bewertungen das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind. Das Risiko, dass es dann zu einer Finanzkrise kommt, ist gering, aber es ist ein neues Risiko für den Kapitalismus.