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Den Unternehmen geht’s gut, den Verbrauchern nicht

 

Die Zahlen zur deutschen Konjunktur, die am Dienstagmorgen veröffentlicht wurden, weisen immer noch das wohlbekannte Muster auf: den Unternehmen könnte es kaum besser gehen, die Verbraucher aber wollen oder können einfach nicht mehr Geld ausgeben. Da kann an Wachstum insgesamt nicht viel herauskommen. Letztlich sind die privaten Haushalte in einer Marktwirtschaft der Souverän – wenn sie nicht kaufen, wissen die Unternehmen nicht so recht, was sie produzieren sollen. Gut für sie, dass es ausländische Kunden gibt, die die deutschen Produkte klasse finden und so ziemlich jeden Preise bereit sind zu zahlen. Wer sich nur auf die inländische Nachfrage verlässt, hat ziemliche Probleme.

In den Prognosen für das laufende Jahr, die vergangenen Herbst abgegeben wurden, wurde vor allem auf die Konsumausgaben als den neuen Motor des Aufschwungs gesetzt. Die Beschäftigung nimmt wieder zu, mit Raten von zuletzt eineinhalb bis zwei Prozent jährlich, und die Arbeitslosenquote ist seit 2005 von knapp 12 auf 8 Prozent gefallen. Da in diesem Jahr zudem die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung stark gesenkt wurden und keine weitere Steuererhöhungen ins Haus stehen, war das Umfeld eigentlich recht freundlich. Erstmals hatten auch Politiker aller Couleur ebenso wie die Mainstream-Ökonomen die Meinung vertreten, dass es bei den Löhnen in diesem Jahr ruhig etwas mehr sein dürfte. Schließlich sollten alle irgendwie am Aufschwung teilhaben.

Bislang hat sich bei den Realeinkommen aber noch nichts getan. Trotz der schönen Erfolge bei der Beschäftigung lag die Summe aller Nettolöhne und -gehälter im vierten Quartal nominal nur um 2,6 Prozent über ihrem Vorjahresniveau, bei den sogenannten Masseneinkommen, in die zusätzlich die empfangenen Sozialleistungen eingehen, waren es nur 1,5 Prozent. Da die Inflation bei den Verbraucherpreisen im vierten Quartal 2,8 Prozent betrug, blieb für die Verbraucher unter’m Strich nichts übrig. Es wurde mehr gearbeitet (gemessen an der Anzahl der Jobs), aber nicht mehr verdient. Gleicher Lohn für mehr Arbeit.

Masseneinkommen

Die privaten Konsumausgaben sind im vierten Quartal real gegenüber dem dritten Quartal um 0,8 Prozent gesunken. Das war kein Ausreißer, denn auch gegenüber dem Vorjahresquartal ergab sich ein Rückgang (-1,5 Prozent). Seit sechs Jahren gibt es hier per Saldo Stagnation.

Private Konsumausgaben

All das heißt, dass die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer nach wie vor sehr schwach sein muss. Auf sechs Arbeitslose kommt nur eine offene Stelle. Es ist noch ein langer Weg zur Vollbeschäftigung. So wie es aussieht, ist es zudem mit den Fortschritten am Arbeitsmarkt demnächst vorbei. Die BIP-Prognosen für dieses Jahr pendeln sich bei nur 1,6 Prozent ein, so dass die Unternehmen diesen zusätzlichen Output im Grunde ohne viel neue Leute schaffen dürften. Daneben läuft ja auch die Globalisierung mit voller Wucht weiter, und mit ihr der Druck auf die Löhne. Der Höhenflug des Euro tut ein Übriges.

Normalerweise, das heißt bei einem geringeren Überangebot an Arbeit, könnten die Löhne nach der Formel „Produktivität plus unvermeidlicher Preisanstieg“ steigen, also mit eineinhalb Prozent für die mittelfristige (zehnjährige) Zuwachsrate des BIP je Erwerbstätigenstunde sowie knapp 2 Prozent für die angestrebte Inflationsrate. Das ergibt 3 1/2 Prozent, was natürlich nur als Ausgangspunkt für die Verhandlungen dienen kann. Aber es wäre immerhin deutlich mehr als in den Vorjahren. Effektive Lohnerhöhungen in dieser Größenordnung wären aber wohl erforderlich, damit der private Verbrauch endlich einmal in die Gänge kommt. Es kann sogar argumentiert werden, dass es mehr als 3 1/2 Prozent sein müssten, dass eine weitere Umverteilung zugunsten der Kapitaleinkommen kontraproduktiv wäre. An der Gewinnlage der Unternehmen liegt es jedenfalls nicht, dass das Wachstum des BIP schon wieder abflacht.

Funktionale Einkommensverteilung

Jobs werden nicht zuletzt dann geschaffen, wenn die Umsatzerwartungen positiv sind. Kostensenkungen sind eine Strategie, mit der sich die Gewinne steigern lassen, besser ist es aber auf Dauer, wenn gleichzeitig das Aktivitätsniveau erhöht, also mehr produziert wird. Macht auch mehr Spaß und erzeugt insgesamt ein dynamischeres Klima, in dem vieles machbar ist, was bei übergroßer Vorsicht und Sparsamkeit unmöglich erscheint. Leider ist das vor allem Wunschdenken. Noch wird intensiv darüber gestritten, wie der Kuchen verteilt wird, als dass man alles daran setzt, den Kuchen zu vergrößern.

Ifo Geschäftsklima Februar 2008

Nach den Ifo-Zahlen für das Geschäftsklima im Februar sieht es bei den Unternehmen immer noch sehr positiv aus. Der starke Euro hat sie bisher überhaupt nicht aus der Bahn geworfen, was die erfreuliche Folgerung zulässt, dass die deutschen Produkte preisunelastisch sind, weil sie dem entsprechen, was an den Märkten heute nachgefragt wird, insbesondere in den rasch expandierenden Schwellenländern und in den übrigen Ländern des Euroraums. Ein faszinierendes Detail in den Zahlen heute war, dass fast der gesamte Anstieg im Index auf den Einzelhandel zurückzuführen war. Tut sich da am Ende doch was? Der Korrelation mit den tatsächlichen Einzelhandelsumsätzen ist allerdings historisch überraschend schwach, so dass das vielleicht nicht viel heißen muss.

Das Erfreulichste heute war der starke Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen im vierten Quartal (real 3,4 Prozent q/q, 8,6 Prozent ggVj). Zwar hat das Auslaufen steuerlicher Anreize dabei eine Rolle gespielt, der Boom bei den Auftragseingängen und das Näherrücken von Kapazitätsgrenzen nach vier Jahren Aufschwung waren aber mindestens genauso wichtig.

Ausrüstungsinvestitionen 07Q4

Wenn jetzt tatsächlich auch die Nachfrage der Haushalte in Schwung käme, vielleicht als Reaktion auf großzügigere Lohnabschlüsse (Stahl, öffentlicher Dienst), brauchte man nicht zu befürchten, dass Deutschland demnächst in eine Rezession abgleitet. Im Grunde hat unser Land das Zeug dazu, auch mal wieder Europas Konjunkturlokomotive zu spielen. Weiß noch jemand, wie sich das anfühlt?