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Merkels Regulierung

 

Kanzlerin Angela Merkel weiß immer, woher der Wind weht. Deshalb lässt sie sich als Verfechterin von mehr Regulierung an den Finanzmärkten von niemandem übertreffen. Ohne das habe „Deutschland keine Chance“ ruft sie dem Publikum zu. Sie beruft sich auch auf die Initiative ihrer Regierung von 2007, als sie und ihr Finanzminister im Kreise der G-7 Transparenz bei Hedge- und Private-Equity-Fonds gefordert und bei den Finanzministern der USA und Großbritanniens, Paulson und Brown, auf Granit gebissen hatten. Die Forderung nach Transparenz war damals schon eine Ersatzhandlung. Damit von Paulson und Brown abgebürstet zu werden, war eine harmlose Niederlage, die Frau Merkel in Heiligendamm gerne einsteckte. So konnte sie, ganz wie die Bundesbank-Führung, die sie in dieser Frage beriet, darauf verweisen, dass sie die Sorgen um die Gesundheit der Finanzmärkte schon lange umgetrieben hat. Albrecht Müller hat in den Nachdenkseiten („Das Casino kracht zusammen. Croupière Merkel flüchtet durch den Hintereingang„) den eleganten Kehrtschwenk der Dame zu ihrer jetzigen Selbstdarstellung gut beschrieben. Natürlich ist diese Kehrtwendung auch nicht radikaler als die gezwungene Wende in der US-Politik.

Jetzt ist jedenfalls überall Regulierung gefragt. Henry Paulson und Ben Bernanke sind dafür, Frau Merkel ist auch dafür. Nur Bundesbankpräsident Weber warnt unverändert vor Überregulierung, wirbt aber gleichzeitig dafür, dass seine Institution an der von ihm gewünschten Unterregulierung das entscheidende Wort haben sollte. Dann gibt es die Regulierungsskeptiker. Die haben sich im „Herdentrieb“ ausführlich zu Wort gemeldet. Ihr am häufigsten verwendetes Argument handelt von der generellen Vergeblichkeit menschlichen Handelns. Gegen Dummheit und Gier ist kein Kraut gewachsen. Wie können Bankaufseher jemals so schlau sein wie Investmentbanker, heißt die rhetorische Frage. So betrachtet sind Gewerbeaufsicht, Polizei und Justiz immer vergebliche Liebesmüh. Denn das Böse ist immer und überall und vor allem immer schon da.


Nur wer sagt denn, dass Regulierung jeder einzelnen Innovation des Finanzsektors nachlaufen muss? Die Frage ist, wie soll die Regulierung künftig aussehen? Wo genau soll sie verbessert werden. Dazu drei Vorschläge – alle nicht neu. Aber es wird Zeit, dass darüber debattiert wird. Nicht dass am Schluss die Webers und Ackermanns bestimmen, wo’s lang geht.

  1. Es müssen alle Finanzinstitutionen den Regeln der Bankenaufsicht unterstellt werden. Hedge-Fonds, Private-Equity-Fonds, SIVs und Conduits und was da noch so kreucht und fleucht. Diese Institutionen waren und sind an der Aufblähung des Bankensektors, der internationalen Kredit- und Schuldenausweitung wesentlich beteiligt. Bleiben sie unkontrolliert, ist das Ergebnis – wie gesehen – die Kreditblase.
  2. Basel II muss aufgegeben werden. Die Höhe der Kapitalunterlegung vom Risiko des Kredits bzw. des Kreditnehmers abhängig zu machen, kann nicht funktionieren. Ob Rating-Agenturen oder die Banken selber das Risiko bewerten, es funktioniert einfach nicht. Die Vorstellung schließlich, dass die Aufsicht die Risikobewertungsmodelle prüfen und dann genehmigen kann, ist abenteuerlich. Auf diesem Gebiet der Science-Fiction sind Banker den Aufsehern einfach überlegen. Es bleibt nur die Rückkehr zu einem einfachen Modell gleich oder ähnlich wie Basel I. Das heißt, dass die Kreditvergabe des einzelnen Instituts wie auch die des gesamten Banksektors auf das 12½fache des Eigenkapitals begrenzt wird.
  3. Die Freiheit des Kapitalverkehrs ist einzuschränken. Eine wesentliche Ursache für die Aufblähung des Finanzsektors war der freie Fluss der Spekulation. Bestes Beispiel: der Carry-Trade aus dem Yen. Er hat zwei Jahrzehnte lang die Niedrigzinspolitik der Bank von Japan konterkariert und die übrige Welt mit billigem Geld versorgt.