Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Quälen Sie die Griechen nicht, Frau Merkel!

 

Die griechische Regierung hat also ihr Sparprogramm vorgestellt. Und es ist wahrhaft drakonisch. Nach Berechnungen von Barclays Capital summieren sich die Einsparungen auf 16 Milliarden Euro oder sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr.

Ich kenne kein Land, dass eine ähnlich ambitionierte Konsolidierung versucht hätte. Und der Sparkurs dürfte die griechische Wirtschaft erheblich stärker bremsen als es in ähnlichen Fällen anderswo der Fall war. In den neunziger Jahren haben Staaten wie Dänemark und Schweden ihre Etats nach einer Krise auch gekürzt – aber diese Staaten konnten sich darauf verlassen, dass die Währung abwertet und so der Export anzieht um den Nachfrageausfall ausgleicht. Die Griechen können das – wegen der Währungsunion und weil im Rest der Welt auch Flaute herrscht – nicht.

Dieses Programm ist eine wahre Rosskur. Griechenland hat geliefert. Jetzt ist der Ball im Feld der EU. Wenn die Sparanstrengungen nicht ausreichen, um die Märkte zu überzeugen, braucht das Land Hilfe. Ob von der EU, von Deutschland oder vom IWF.

Die Reaktion auf die heutige Auktion von Staatsanleihen war zwar recht positiv. Der heute ausgegebene Bond ist um mehr als das Dreifache überzeichnet. Das spült den Griechen immerhin fünf Milliarden Euro in die Kassen. Aber Griechenland muss in den kommenden Wochen noch einige Milliarden aufnehmen. Das Spiel ist noch nicht zu Ende.

Wer jetzt noch weitere Einschnitte fordert, der riskiert, dass Griechenland im Chaos versinkt. Das kann nicht das Ziel deutscher Außenpolitik sein, von den drohenden Exportausfällen für die deutsche Wirtschaft einmal ganz zu schweigen.

Was den Vorschlag des Herrn Wanderwitz von der Unionsjugend angeht, die Griechen sollten den Deutschen ihre Inseln verpfänden, so verkneife ich mir den einzig angemessenen Kommentar und erinnere mich an eine alte Journalistenregeln: No games with names.

Update: Ich sehe gerade, dass mein Kollege Ralph Atkins von der FT zu einer ähnlichen Schlussgerung kommt und selbst die Europäische Zentralbank hat sich positiv geäußert.

Update II: Marco Annunziata (leider kein link) von Unicredit macht auf einen interessanten Sachverhalt aufmerksam.

The ECB gave a ringing endorsement to Greece’s latest efforts and subscribed unconditionally to the idea of an expansionary fiscal contraction—in stark contrast with the IMF’s new philosophy.

Was er damit meint: Früher hat der Internationale Währungsfonds Krisenländer zu einem drastischen Sparkurs gedrängt – im Rahmen seiner berüchtigten Strukturanpassungsprogramme. Als das während der Asienkrise so richtig schief ging, weil die Sparorgien die Nachfrage abwürgten, ist man in Washington nachdenklicher geworden. Die neuen Programme – wie sie derzeit unter anderem in Ungarn laufen – sind wesentlich sanfter und nehmen mehr Rücksicht auf die Binnenwirtschaft. Was die EU den Griechen jetzt antut, erinnert an die Politik alten IWF.

Vielleicht ist es für Griechenland sinnvoller, sich unter die Obhut Washingtons zu begeben, wo man anders als hier aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.