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Merkel macht den Maradona

 

Im Weltmeisterschaftspiel des Jahres 1986 verlud Diego Armando Maradona die englische Abwehr auf legendäre Weise. Der Argentinier täuschte Ausweichbewegungen an, hielt tatsächlich aber geradewegs auf das Tor zu – und machte das Ding rein.

Angela Merkels Europapolitik funktioniert ganz ähnlich, nur macht sie am Ende nichts rein.

Es ist ja derzeit Mode, sich vor der vermeintlich harten Haltung der deutschen Kanzlerin im Poker um die Griechenlandhilfen zu verbeugen. Das deutsche Kommentariat von SZ bis FAZ jedenfalls ist seltsam vereint in der Beurteilung von Angies Brüsseler Performance.

Mein Verdacht dagegen ist: Die eiserne Lady ist gar nicht so eisern, wie sie uns weismachen will. Deutschland wollte einen Bailout verhindern – und jetzt wurde auf höchster Ebene ein Bailout beschlossen.

Denn die Ankündigung von Hilfen ist eine implizite Garantie und eine Garantie ist ein Bailout, egal wie es die Winkeladvokaten in der EZB und den europäischen Hauptstädten auch nennen (es sei denn, irgendjemand glaubt an den Unsinn, Spekulanten würden die Renditen griechischer Anleihen nach oben treiben. Ich halte das für völlig falsch, ein Spread von 300 Basispunkten gegenüber deutschen Staatsanleihen ist eine völlig angemessene Risikoprämie, da dürfte sogar schon ein bisschen Unterstützung der stärkeren Staaten eingepreist sein).

Und diese Garantie gilt übrigens nicht nur für Griechenland, sondern für alle Schuldenstaaten, zumindest verstehe ich die Abschlusserklärung des Rates so.

Sehen wir uns aber den Deal im Detail an: Falls Griechenland das Geld ausgeht, springt der Internationale Währungsfonds zusammen mit den Staaten Europas ein. Dieser wird wohl die erste Tranche auszahlen, jene sind aber im Lead. Der Umfang möglicher Hilfen wird auf rund 22 Milliarden Euro geschätzt. Wenn die 16 Euro-Länder wie vereinbart zwei Drittel davon übernehmen, müsste Deutschland gemäß seiner EZB-Quote von 27 Prozent rund 4 Milliarden Euro tragen.

Wenn es ernst wird, zahlt Deutschland also – und wir sparen gegenüber einer Lösung ohne IWF noch nicht einmal zwei Milliarden Euro. War es das wirklich wert?

Aus meiner Sicht ist der Deal, wenn ich ihn richtig interpretiere, inhaltlich gar nicht einmal so schlecht – Griechenland wird geholfen und zugleich der Druck auf das Land aufrechterhalten. Es wäre mir lieber gewesen, der IWF wäre nicht dabei, denn, wie ich wiederholt an dieser Stelle geschrieben habe, ist das ein Armutszeugnis für Europa. Es zeigt, dass der Kontinent zu mehr Integration nicht bereit ist. Aber das sind politische, keine ökonomischen Argumente.

Man hätte all das aber ohne die politischen Kollateralschäden haben können, wenn man darauf verzichtet hätte, für die Galerie die große Bismarck-Show zu inszenieren. All das erinnert mich an den Klimagipfel von Heiligendamm, als minimale Zugeständnisse der USA als großer Sieg der Kanzlerin verkauft wurden. Damals verfielen fast alle deutschen Zeitungen in Jubelarien, einzig die FTD titelte skeptisch – und im Rückblick völlig richtig – „G8 erwägen Rettung der Welt“.

Was der Euro-Zone am Ende den Garaus machen könnte, ist nicht der Griechenland-Deal, sondern die absolut nicht vorhandene Bereitschaft der deutschen Kanzlerin und vieler ihrer Partner, der Währungsunion eine politische Union folgen zu lassen. Wenn das nicht irgendwann passiert, wird die Euro-Zone irgendwann zerbrechen. Ich würde als Investor jedenfalls keine 30-jährigen Euro-Anleihen ins Portfolio legen.

Wenn meine Vermutung stimmt, dann müssten die Zinsen für Griechenland sinken und dürften zumindest nicht mehr steigen. Wenn das nicht passiert, dann war die eiserne Lady tatsächlich eisern. Aber dann geht womöglich Griechenland bald vor die Hunde und die ganze Diskussion wird von vorne anfangen.