Vor lauter Griechenlandkrise ist ein bisschen untergegangen, dass die jüngsten Wirtschaftszahlen nicht nur besser sind als erwartet, sondern sogar richtig gut. Vor allem vom Arbeitsmarkt gibt es fast nur Erfreuliches zu berichten: Obwohl das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2009 real um 5,0 Prozent gegenüber 2008 zurückgegangen ist, ist die Beschäftigung zwischen Herbst 2008, als sie einen Rekordwert erreicht hatte, und heute nur um 0,4 Prozent gesunken. In den USA war das BIP 2009 lediglich 2,4 Prozent niedriger als im Jahr zuvor, der Einbruch bei der Beschäftigung betrug aber nicht weniger als 6,1 Prozent (Dez. ’07 bis Feb. ’10). Welch ein Gegensatz – und was für eine deutsche Erfolgsstory. Man könnte stolz sein auf die Reformen der 2005 abgewählten rot-grünen Regierung. Der positive Eindruck bleibt, auch wenn einige Sonderfaktoren die deutschen Zahlen geschönt haben mögen. Die Arbeitslosenquote ist im Übrigen seit dem Frühjahr 2009 von 8,3 auf zuletzt 8,0 Prozent gefallen. In Spanien nähert sie sich derweil 20 Prozent, und in Amerika war sie trotz des robusten Wirtschaftswachstums im vierten und ersten Quartal im März immer noch bei 9,7 Prozent.
Die deutschen Frühindikatoren weisen zudem seit einigen Monaten steil nach oben. Wenn ich mir ansehe, wie kräftig das globale Sozialprodukt, die Industrieproduktion und der Welthandel neuerdings wieder expandieren, komme ich nicht um die Feststellung herum, dass wir es mit mehr als nur einem Strohfeuer zu tun haben und dass Deutschland kein Einzelfall in einer ansonsten rezessiven Weltwirtschaft ist. Der Aufschwung ist da, und er trägt sich zunehmend selbst. Die massive geldpolitische und finanzpolitische Medizin scheint zu wirken. Keynes is back, nach mehr als einem halben Jahrhundert!
Seit dem Herbst wächst das reale Sozialprodukt der Welt mit einer Rate von 3 1/2 Prozent, wenn man aktuelle Wechselkurse verwendet, und auf der Basis von Kaufkraftparitäten sogar mit 4,2 Prozent. Das entspricht wieder den Zuwachsraten, die es von 2003 bis Mitte 2008 gegeben hatte, bedeutet allerdings, dass die Outputlücke, die durch den Rückgang des Sozialprodukts im Jahre 2009 (- 2,5 beziehungsweise -0,8 Prozent) entstanden war, nicht kleiner wird. Was nicht ist, kann aber noch werden. Wichtig ist, dass es in den kommenden Quartalen zügig weiterzugehen scheint. Überall sind die Volkswirte dabei, ihre Prognosen nach oben anzupassen.
Der Dynamo der Weltwirtschaft steht zur Zeit in Ostasien. Vermutlich sollte ich den Zusatz „zur Zeit“ streichen, da der Dynamo dort vermutlich noch für einige Jahrzehnte stehen bleiben wird. Nicht nur, dass das reale BIP in Ländern wie Vietnam, Taiwan, Hongkong, China und Thailand zur Zeit mit Raten zwischen 6 und 15,3 Prozent expandiert, selbst im von Vielen bereits abgeschriebenen Japan gab es im vierten Quartal eine reale Verlaufsrate von +3,8 Prozent – dass die Industrieproduktion dort im Februar um 31,3 (einunddreißigkommadrei) höher war ein Jahr zuvor, spricht dafür, dass sich die Dinge offenbar weiter beschleunigen. Kein Wunder, denn China liegt direkt vor der Haustür, und Japan hat anzubieten, was China braucht.
Deutschland hat ebenfalls anzubieten, was China braucht – und der Rest der Welt, for that matter. Ich kann es kaum glauben, dass die OECD gerade vorausgesagt hat, dass das deutsche Sozialprodukt im ersten, gerade abgelaufenen Quartal um 0,4 Prozent (annualisiert) gegenüber dem vierten Quartal gesunken sein soll, also trotz der jüngsten Zunahme der Beschäftigung und des Rückgangs der Arbeitslosigkeit von durchschnittlich 3,423 auf 3,403 Millionen (saisonbereinigt).
Nach den Ifo-Zahlen haben sich die Erwartungen der Unternehmen bereits seit Anfang 2009 (nicht erst seit 2010!) überaus kräftig erholt und nähern sich mit großen Schritten den Höchstständen der vergangenen zwei Jahrzehnte. Bisher hatten wir es hier doch mit einem zuverlässigen Frühindikator für die Industrieproduktion und das BIP zu tun – warum sollte es diesmal nicht so sein? Die Lagebeurteilungen sind nicht so positiv wie die Erwartungen, sie haben sich aber ebenfalls geradezu dramatisch verbessert und liegen nur noch knapp unter ihrem langjährigen Mittelwert. Ihr unterer Wendepunkt lag übrigens, nicht überraschend, ein halbes Jahr später als der Wendepunkt bei den Erwartungen. Nach Ifo müsste das deutsche reale BIP zur Zeit mit einer Verlaufsrate von mindestens 3 Prozent expandieren.
Die realen Auftragseingänge, die am Mittwoch für den Februar veröffentlicht wurden, bestätigen das sehr freundliche Konjunkturbild. Sie sind natürlich weiterhin deutlich niedriger als im vierten Quartal 2007, dem Höhepunkt des vorangegangenen Aufschwungs (-21,9 Prozent), übertreffen aber ihren Vorjahreswert inzwischen um nicht weniger als 24,5 Prozent (Inland +18,7, Ausland +30,1 Prozent). Da der Euro seit einigen Monaten ausgesprochen schwach ist – Griechenland und der erstaunlich knauserige Bundeskanzlerin sei Dank – hat sich die preisliche Wettbewerbssituation der deutschen Wirtschaft zudem weiter verbessert, so dass sich die konjunkturellen Impulse von dieser Seite verstärken werden. Woran also soll es liegen, dass das Sozialprodukt im abgelaufenen Quartal geschrumpft ist? Übersehe ich was?
Am Donnerstag um zwölf werden wir mehr wissen – dann gibt es nämlich die Zahlen für die Industrieproduktion im Februar. Wenn es da keine ordentliche Zuwachsrate geben sollte, müsste ich mich noch mal auf die Schulbank setzen. Nur bei wem?