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Merkel et moi

 

Viele Kommentatoren hier werfen mir Merkelfeindlichkeit vor, deshalb mache ich hier mein Verhältnis zur Kanzlerin öffentlich. Angela Merkel ist aus meiner Sicht keine schlechte Bundeskanzlerin. Sie hebt sich wohltuend von jenen Vorgängern ab, deren einzige Motivation darin besteht „da rein“ zu wollen. Sie ist unprätentiös, neugierig, skeptisch gegenüber den großen Erzählungen und analytisch stark. Das sind alles keine schlechten Eigenschaften und ich glaube auch, dass sie in den meisten wirtschaftspolitischen Fragen den Kern der Dinge erfasst.

Was man Merkel aber vorwerfen muss, dass sie sich zu sehr von der öffentlichen Meinung beeinflussen lässt. Und hier wird es spannend: Es wäre ja in einer Demokratie eigentlich nicht so schlecht, wenn sich die Politik an der öffentlichen Meinung ausrichtete. Das gilt allerdings nur, wenn die öffentlich Meinung einen normativen Gehalt hat, wenn sie also der Ort eines Diskurses souveräner Individuen wäre, wie sich das Jürgen Habermas vorgestellt hat.

Das ist aber nicht der Fall – dem Boulevard und dem jahrelangen Versagen von Bildungs- und Sozialpolitik sei es gedankt. Oder der Tatsache, dass sich die Gesellschaft in Subsysteme zerlegt und kein Bild von sich selbst mehr hat, wie Weissgarnix mit Luhmann argumentieren würde.

Wie auch immer: Angela Merkel ist eine Gefangene der materiellen Entleerung unserer Demokratie. Diesem Gefängnis zu entrinnen hieße im Sinne der Aufklärung gegen (und nicht mit) Bild, Bams und Glotze zu regieren und wer das wagt, braucht starke Nerven. Die hat sie nicht, aber die hat auch Sigmar Gabriel nicht und vielleicht hat sie niemand in diesem Lande.

Ich wünsche mir also nicht unbedingt andere Politiker – sondern ein anderes Volk.

Update: F. Lübberding hat recht: Es müsste heißen gegen Bild, Bams, Glotze und Hans-Werner Sinn regieren