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Moralisch verwerflich und ökonomischer Selbstmord

 

Bei Familien und Arbeitslosen will die Bundesregierung jetzt sparen; bei denen, die die Krise ganz sicher nicht verursacht haben. Das ist nicht nur schreiend ungerecht, sondern auch ökonomisch gefährlich.

Wir erinnern uns (oder tut es die Bundesregierung nicht?): Der deutschen Wirtschaft ging es vor der Krise endlich wieder gut. Nach Jahren der Entbehrung, der Massenarbeitslosigkeit und der großen „Reformen“ sank die Arbeitslosigkeit endlich wieder. Allerdings hatte man die deutschen Arbeitnehmer so klein gekriegt, dass sie auch im Aufschwung keine Lohnerhöhungen durchsetzen konnten. Gewonnen haben im letzten Aufschwung allein die Kapital- und Gewinneinkommensbezieher und die Gutverdiener. Die Mittelschicht verlor in den letzten zehn Jahren real an Einkommen, und die Armen erst recht. Deswegen blieb trotz des Aufschwungs der Konsum schwach, allein Investitionen und der Export erledigten das Wachstum.

Grafik: Funktionale Einkommensverteilung seit 1991

Doch diese Strategie schlug zurück: Der hohe Export machte die deutsche Wirtschaft zu sehr von der Weltkonjunktur abhängig. Die Kredite, die Banken nicht in Deutschland, sondern im Ausland vergaben, sind durch die internationale Schuldenkrise bedroht – was ja die Krise der deutschen Banken verursacht hat.

Dabei werden die Gewinner des letzten Aufschwungs gerettet, wo es nur geht, ob Banken oder Autobauer, vor allem aber die Reichen. Die mögen zwar durch den Einsturz der Börsen etwas verloren haben, profitieren aber vor allem von den diversen Rettungsprogrammen aus Steuergeldern. Ohne diese Hilfen hätten viele Reiche sehr viel größere Teile ihres Vermögens verloren.

Was wäre die logische und moralisch richtige Konsequenz? Die Vermögenssteuer müsste wieder erhoben werden; die Erbschaftssteuer und die Spitzensteuersätze müssten zudem erhöht werden. Diejenigen, die allein im letzten Aufschwung auf Kosten der Arbeitnehmer gewonnen haben, müssen jetzt auch solidarisch die Schwachen schützen. Denen bietet allein der Arbeitsplatz und der Sozialstaat ein wenig ökonomische Sicherheit.

Dass die Bundesregierung jetzt vor allem an Sozialem und an Familien sparen will und sich die FDP gar gegen jede Art von Steuererhöhungen stellt, heißt, dass das Gemeinwesen vollends zum politischen und ökonomischen Opfer derjenigen wird, die durch ihre abgehobenen Renditeansprüche (und die damit verbundene Spekulation) die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds gebracht haben. Die Armen sollen die Reichen davor retten.

Wenn es wirklich zu einem Sparen bei den Schwächsten in dieser Gesellschaft kommt, ist das moralisch verwerflich. Der Schwur der Bundesregierung, dem Wohle des ganzen Volkes zu dienen, wäre gebrochen.

Und auch ökonomisch wird das Sparprogramm schwere Folgen haben: Die Binnennachfrage wird weiter geschwächt, und die deutsche Volkswirtschaft weiterhin allein vom Auf und Ab der Weltwirtschaft abhängig gemacht. Haben denn die Kanzlerin und ihre Minister nichts aus der Krise gelernt?

Ist durch die Krise nicht klar geworden, dass die deutschen Unternehmen nur deswegen so viel exportieren können, weil sich andere verschulden? Ist nicht der Kern der Krise der Import auf Pump, den die südlichen Europäer genauso wie die USA oder Großbritannien betrieben haben?

Wenn die Bundesregierung ernst mit ihrer Sparpolitik auf Kosten der Armen macht, zieht sie den Staat und die ganze Volkswirtschaft nicht nur in den ökonomischen, sondern auch den moralischen Bankrott.