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Amerika, Dein Geist der Freiheit darf nicht erlöschen!

 

Bei Spiegel Online schwärmt der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, von Amerikas Freiheit und zeigt sich besorgt wegen der großen Gefahr, die den USA nun durch den Interventionismus des Staates drohe. Straubhaar beschwört den individuellen Geist, der die USA erst groß gemacht habe – Risiken einzugehen und niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen; vom Tellerwäscher zum Millionär werden zu können, auch wenn man als Obdachloser enden kann.

Wenn aber dieser Geist der Freiheit jenseits des Atlantiks erlösche, dann auch die amerikanische Wirtschaftskraft. Und wer bedroht den Geist der Freiheit? Natürlich der Staat. Der, so Straubhaar, würde nämlich den freien Amerikanern ein europäisches Interventionsregime aufdrücken. Das könne kulturell gar nicht klappen. So sieht der Institutsdirektor in der höheren staatlichen Aktivität auch eine Gefahr für den Zusammenhalt der heterogenen amerikanischen Gesellschaft. Konflikte zwischen den verschiedenen Teilen der Einwanderungsgesellschaft könnten aufbrechen, die ja unterschwellig sowieso schon da seien, wenn der Geist der Freiheit erlösche.

In der Welt des Thomas Straubhaar bedrohen nicht die Wirtschaftskrise und die steigende Massenarbeitslosigkeit den Zusammenhalt der US-amerikanischen Gesellschaft, sondern der zusehends europäisierte Staat. Ganz so weit wie die rechts-konservativen Tea-Party-Bewegung will Straubhaar zwar nicht gehen, aber irgendwie fragt er sich auch, ob es sinnvoll sei, wenn sich der Staat um den „wirtschaftlichen (Miss-)Erfolg oder die Gesundheit einzelner“ kümmert.

Ob Obama Amerika nicht schade? Straubhaar wörtlich: „Getrieben von seiner eigenen Überzeugung und beraten durch staatsgläubige Ökonomen, hat Obama einen Weg eingeschlagen, der weit weg führt von dem, was Amerika im vergangenen Jahrhundert an die Spitze der Welt katapultiert hatte.“ Mit Obama und seinen „staatsgläubigen Ökonomen“ habe sich Amerika die Lieblingskrankheit deutscher Wirtschaftswissenschaftler eingefangen: Strukturelle Probleme. Der Ausweg könne nur ein Zurück zum American Way sein, ein Zurück in den Fahrstuhl, der den „Aufstieg von ganz unten nach ganz oben ermöglicht“.

Das alles ist natürlich hanebüchen. Straubhaar tut sich als Historiker des amerikanischen Freiheitsgedankens hervor, übersieht darüber aber völlig die makroökonomische Geschichte der USA nach dem zweiten Weltkrieg. Denn der Staat hat bei Rezessionen nie tatenlos zugeschaut, nur hat er anders gehandelt als die Europäer. Immer schon haben die Amerikaner eine expansive Wirtschaftspolitik betrieben – zu mal unter dem liberalen Ronald Reagan, der angeblich die Marktkräfte entfesselt hat. Das US-Staatsdefizit ist erst unter ihm so richtig gewachsen.

Gerade weil die USA nur ein beschränktes sozialstaatliches Sicherheitsnetz haben, hat die US-Regierung immer dafür gesorgt, per expansiver Fiskalpolitik oder niedrigen Zinsen die Beschäftigung hoch zu halten. Kennedy, Nixon, Reagan, Bush Sohn, Obama – sie alle haben die Wirtschaft durch staatliche Intervention gestützt. Die US-Zentralbank – die Fed – hat sogar von Gesetzes wegen die Aufgabe, nicht nur die Inflation, sondern gleichberechtigt auch die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. In Europa ist die EZB dagegen klar dem Primat der Inflationsbekämpfung verpflichtet und eine aktive antizyklische Fiskalpolitik ist geradezu verpönt. Wie lange haben vor allem deutsche Ökonomen davon gesprochen, dass eine expansive Fiskalpolitik nur zu Strohfeuern führe. Von einer Europäisierung der US-Wirtschaftspolitik kann also gar keine Rede sein. Die USA tun das, was sie immer tun.

Wie sieht es denn mit dem Fahrstuhl aus, der von Armut zu Reichtum führt? Der ist in den USA trotz des großen Tellerwäscher-Mythos mächtig ins stottert geraden. Denn gerade in Ländern mit großen Einkommensunterschieden wie den USA ist die Möglichkeit des Aufstiegs besonders schwer. Je gleicher die Einkommen in einem Land verteilt sind, desto größer ist die soziale Durchlässigkeit. Vom Tellerwäscher wird man in Schweden eher zum Millionär als in den USA.

Aber Straubhaar lässt die eigentlichen Probleme der USA einfach aus: Dass die Krise durch einen liberalisierten Finanzmarkt ausgelöst wurde – der eben im Namen der Freiheit liberalisiert wurde. Dass die politische Macht des „freien“ Finanzmarktes dazu führt, dass die Finanzmärkte nicht richtig reguliert werden. Oder dass die gestiegene Ungleichheit den amerikanischen Traum vollends ins Reich der Träume verbannt hat – und der Mittel- und Unterschicht zur Ernährung ihrer Familien nichts anderes mehr übrig blieb, als bei ihren stagnierenden Einkommen immer höhere Kredite aufzunehmen. Kredite, die ihnen die immer Reicheren gaben. Gerade das Fehlen des Sozialstaats hat in die Schuldenkrise geführt, aus der der Staat die US-Wirtschaft jetzt irgendwie herausboxen muss.

Die Probleme der USA sind wahrlich groß, die ökonomischen, die sozialen und die politischen. Wie ein Rückzug des Staates aus der Wirtschaft bei deren Lösung helfen soll, wie dann eine noch höhere Arbeitslosigkeit und noch mehr Ungleichheit und noch „freiere“ Finanzmärkte den Amerikanischen Traum verwirklichen sollen – das allein weiß nur Thomas Straubhaar.