Ausgesprochen guter Dinge bin ich an den letzten Tagen des Jahres. Grund dafür ist die unglaublich gute Verfassung der deutschen Wirtschaft. Grund dafür ist aber auch, dass im großen Euro-Streit mal wieder ein Punktsieg an die Franzosen ging. Und die deutschen Stabilitätsfanatiker eine Niederlage einstecken mussten.
Zunächst aber zur deutschen Wirtschaft. Sie brummt. Das ist schon hundertmal besungen worden, auch von mir hier im Blog als ich meine Wachstumswette abgab, oder Ende des Sommers im Cicero (Und jetzt die fetten Jahre?). Aber was so unglaublich ist, ist die Rasanz, mit der sich der Konsum zurück meldet. Schauen Sie auf das Chart.
Das ist der Sub-Index Einzelhandel des Ifo-Index, des Stimmungsbarometers der deutschen Wirtschaft schlechthin. Ja der Ifo rennt von Rekord zu Rekord und das obwohl sich die Frühindikatoren rundherum eher abschwächen. Der Grund: Die Binnennachfrage sorgt für Fantasie!
Es ist 20 Jahre her, dass die Manager von Kaufhof, Karstadt und Co. die Lage und die Aussichten hierzulande so günstig einschätzten wie heute. 20 Jahren! Das ist fast eine Generation, in der wir es uns abgewöhnt haben, auf den deutschen Verbrauch zu setzen. Alles war immer nur Export. Die Folgen der horrenden Ungleichgewichte – deutsche Leistungsbilanzüberschüsse und korrespondierenden Defizite der anderen Länder der Währungsunion – sind bekannt.
Doch jetzt schaut es tatsächlich so aus, als ob es ein Rebalancing geben könnte, ein Ausbalancieren. Das ist gut für Euroland, das ist aber noch besser für die deutschen Arbeitnehmer und alle Firmen, die von der Binnennachfrage abhängen. Und es schaut auch nicht so aus, als ob die neue Konsumlust so rasch gestoppt werden könnte. Dazu ist der Nachholbedarf einfach zu groß. Wichtig ist nur, dass die kommenden Lohnrunden tatsächlich auch Reallohnerhöhungen bringen. Von der Makropolitik dürfte es dagegen kein Störfeuer geben. Die Bundesbank, die früher stets eine viel zu restriktive Geldpolitik betrieben hat, gibt es glücklicherweise nicht mehr. Sie ist durch die Europäische Zentralbank ersetzt worden. Und die EZB betreibt zum einen eine Geldpolitik, die die Konjunktur stärker berücksichtigt, als es die Bundesbank je getan hat. Wichtiger aber noch: Sie schaut auf den gesamten Euro-Raum und wird Deutschland Zinsen bieten, die zu niedrig sind. Und was bedeuten Zinsen, die angesichts des Wachstums zu niedrig sind? Richtig: Das bedeutet eine Beschleunigung des Wachstums.
Und jetzt zum zweiten Grund meiner Hochstimmung. Ich zitiere aus der bei diesen Fragen völlig unverdächtigen FAZ vom Samstag, Seite eins: „Frau Merkel bezeichnete den dauerhaften Rettungsschirm als Ausdruck der Solidarität der Euro-Staaten. ‚Das geht wieder ein Stück in Richtung Wirtschaftsregierung.‘ Sie sprach sich dafür aus, nun auch die Integration des Euro-Raums voranzutreiben: ‚Wir brauchen mehr Gemeinsamkeiten in unseren Wirtschaftspolitiken.‘ Es gehe dabei nicht nur um stabile Haushalte.“
Die Hervorhebungen sind von mir. Als es Anfang der 90er Jahre um die richtige Konzeption des Euro-Raumes ging, glaubten die deutschen Ökonomen, der Stabilitätspakt, der die Haushalte der Regierungen zügele, reiche vollkommen aus, um mit der Gemeinschaftswährung erfolgreich zu leben. Die französischen Ökonomen und viele angelsächsische schüttelten darüber nur den Kopf. Die Franzosen plädierten für eine Wirtschaftsregierung und erreichten es schließlich, dass dem Stabilitätspakt das Wörtchen „Wachstum“ hinzugefügt worden ist, um zu verdeutlichen, dass Stabilität alleine nichts ist.
Seither steht der Begriff Wirtschaftsregierung in der deutschen Debatte für ein Europa, das Umverteilung und Solidarität kennt. Alles Worte, die den Neoklassikern Deutschlands nie über die Lippen kommen würden, es sei denn sie wollen polemisieren. Alles Worte, die in der hiesigen Debatte nie konstruktiv auftauchten, außer in den wenigen keynesianischen Zirkeln.
Dass nun die Kanzlerin all das ausspricht, ist wunderbar. Alles wird gut!