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Die Strauss-Kahn-Affäre – meine Verschwörungstheorie!

 

Dies ist kein journalistischer Bericht sondern Abwägung und Spekulation. Es geht darum, was wahrscheinlich der Fall ist. Es geht um die Affäre Strauss-Kahn und die Frage, ob und warum jemand Interesse daran gehabt haben könnte, ihn auszuschalten. Jetzt, da selbst die New Yorker Justiz die Anklage gegen den Mann für schwach fundiert hält und ihm deshalb die millionenschwere Kaution zurückgegeben hat, ist es Zeit, die Frage zu stellen, wer diese Affäre warum inszeniert hat.

Es lohnt sich normalerweise nicht, sich den Kopf über die Wahrheit in einem persönlichen Kriminalfall zu zerbrechen. Oder darüber, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert. Denn diese ist, wie man weiß, manipulierbar. Leider ist die Frage, was in diesem Fall die Wahrheit ist, etwas wichtiger als bei der üblichen Sex- oder auch Sex-and-Crime-Geschichte. Denn wenn wir die wahrscheinliche Variante als die Wahrheit nehmen, ergibt sich der Schluss, die Anklage gegen Strauss-Kahn muss getürkt gewesen sein. Wie das auch immer gemacht worden sein mag. Jedenfalls war die New Yorker Staatsanwaltschaft mit dabei bei einer Verschwörung, die den geschäftsführenden IWF-Direktor und prospektiven Kandidaten für die französische Präsidentschaft aus dem Spiel nehmen sollte und damit Erfolg hatte. Das Wort „Verschwörung“ klingt ein wenig albern. Wer reiht sich schon gern bei den Vertretern von Verschwörungstheorien ein? Aber genau darum geht es hier. Die Verschwörung erscheint nüchtern betrachtet als die einzig plausible Variante.

Es kommt hinzu, dass die US-Justiz und ihre Unabhängigkeit nicht sehr hohes Vertrauen verdienen angesichts der vielen gut dokumentierten Fehlurteile. Daran ändert auch die nun praktisch erfolgte Zurückweisung der Anklage durch den New Yorker Gerichtshof wenig. Der Exekutive dieses Staates und seinen zahlreichen, offen und weniger offen operierenden Organen ist dagegen recht viel zuzutrauen. Durch die bejubelte Ermordung des Staatsfeindes Nummer 1, Osama bin Laden, ist dieses Zutrauen in den Erfindungsreichtum und die Entschlossen-, besser Rücksichtslosigkeit dieser Institutionen jüngst sogar noch gewachsen.

Sonderbar war allerdings die Reaktion der Öffentlichkeit, speziell der französischen. Zunächst reagierten die meisten Politiker und Kommentatoren mit schierem Unglauben. Als die New Yorker Staatsanwälte hart blieben, Strauss-Kahn als Verbrecher vorführten und der Haftrichter die Freilassung auf Kaution verweigerte, kippte die Stimmung. Nun galt der Mann als erledigt, ihm wurde nahegelegt, als IWF-Chef zurückzutreten, und man konzentrierte sich auf die Nachfolgefrage. Wenn es sich um ein politisches Komplott zur Beeinflussung der internationalen Institution des Währungsfonds und der nationalen Politik Frankreichs handelte, so hatten die Verschwörer ihr Ziel damit bereits erreicht. Es fehlte nur noch, dass Strauss-Kahn tatsächlich zurücktrat, worauf die New Yorker Justiz größten Wert legte. Erst als der Rücktritt erfolgte, ließ sie ihn gegen Kaution auf freien Fuß.

Der Verdacht, es könne jemand beabsichtigen, die Politik Frankreichs mit trüben Methoden zu beeinflussen, hätte eigentlich den Präsidenten dieser Republik und seine Regierung auf den Plan rufen müssen. Sie hätten rückhaltlose Aufklärung verlangen müssen, wie dies in solchen Fällen genannt wird. Statt dessen wurde von der strikten Weisung Nicolas Sarkozys an seine weniger werdenden Parteigänger berichtet, die Freude über die Ausschaltung des politischen Gegners nicht zu zeigen. Dass er selbst hinter dem Komplott steckt, ist natürlich möglich. Schließlich profitiert er davon. Seine Aussichten, sich bei den Wahlen nächstes Jahr im Amt zu halten, sind deutlich gestiegen. Doch wahrscheinlich ist es nicht, dass eine ausländische Macht in den USA und mit Hilfe der dortigen lokalen Justiz etwas Derartiges durchziehen kann.

Dass man in Washington und New York nicht begeistert war über diesen IWF-Chef, dürfte klar sein. Strauss-Kahn war kein williger Vollstrecker der von der Treasury und vom Weißen Haus gewünschten Politik wie zu den seligen Zeiten des Vorvorgängers Michel Camdessus. Damals waren viele Milliarden Dollar umfassende Hilfen für Mexiko, die letztlich den großen Finanzinstitutionen an der Wall Street dienten, mal schnell auf dem kurzen Dienstweg zwischen dem IWF-Chef und dem US-Finanzminister vereinbart worden. Nicht erfreut war man in Washington auch über die konstruktive Rolle Strauss-Kahns in der europäischen Staatsschuldenkrise. Der IWF beteiligte sich auf deutschen Wunsch hin an den Kredithilfen für klamme Euro-Staaten und er zählte bei der Formulierung drakonischer Sparauflagen für Griechenland, Irland und Portugal nicht zu den Scharfmachern. Doch wird Strauss-Kahn nicht als leicht unbequemer IWF-Chef zum Opfer eines Komplotts geworden sein. Er war schließlich dabei, für die Sozialisten ins Rennen um die französische Präsidentenschaft zu gehen – mit nicht schlechten Erfolgsaussichten.

Wenn man sich das Interesse Washingtons an einer willfährigen französischen Präsidentschaft vor Augen hält, wird die Verschwörungsthese wirklich plausibel. Günstiger als Sarkozy kann es aus US-Sicht kaum kommen. Dieser Präsident bedeutete das Ende des Gaullismus als Staatsraison in Frankreich. Eine der frühen Amtshandlungen Sarkozys war die Rückintegration der französischen Militärmacht in die NATO. Zu seinem ersten Außenminister ernannte Sarkozy den bekennenden Interventionisten Bernard Kouchner, der in vom CIA gesponserten Nicht-Regierungsorganisationen eine gewisse Prominenz erlangt hatte. Im Machtgerangel mit den USA um die Vorherrschaft in West-, Zentral- und Nordafrika hat die französische Regierung aufgegeben und zuletzt in der Elfenbeinküste zugunsten des von Washington erwählten Günstlings interveniert. Zudem lässt sich der von Sarkozy praktisch im Alleingang vom Zaun gebrochene Krieg gegen Libyen am ehesten verstehen, wenn man annimmt, dass es für die USA am zuträglichsten ist, wenn man das Gaddafi-Regime los wird, die dreckige Arbeit und die politische Verantwortung für das mögliche Scheitern jedoch von eifrigen Verbündeten übernommen wird. (Vermutlich war das zaghafte Nein Deutschlands dazu Guido Westerwelles beste Tat.) Schließlich dürfte Sarkozys Versagen, in der Krise der Währungsunion der destruktiven Haltung der deutschen Regierung etwas entgegenzusetzen, der amerikanischen Politik zusagen.

Es geht bei alledem nicht darum, Strauss-Kahn als künftige Lichtgestalt französischer nationaler und sozialer Politik vorzustellen. Auch ein Strauss-Kahn hätte Frankreich nicht aus der Nato geführt. Auch ein Strauss-Kahn könnte die tiefe Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa nicht lösen. Aus Sicht der herrschenden Kreise in den USA ging dennoch von diesem Mann Gefahr aus. In der letzten tiefen Wirtschafts- und Währungskrise der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden der Dollar und seine Vorherrschaft innerhalb der westlichen, kapitalistischen Welt vom gaullistischen Frankreich herausgefordert. Wenn man sich in Washington bei immer schwieriger werdenden finanziellen Verhältnissen ähnlichen Ärger ersparen will, wirkt eine Verschwörung gegen für den französischen Präsidentschaftskandidaten, der ein nationales und europäisches Konzept verfolgt, fast wie rationales Verhalten.