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Aktiencrash dämpft die Konjunktur

 

Seit seinem letzten Hoch am 2. Mai ist der DAX um etwas mehr als 25 Prozent eingebrochen. Das entspricht in etwa den Kursverlusten an anderen wichtigen Aktienmärkten. Der deutsche Aktienmarkt wird nicht etwa mehr gemieden als andere Märkte. Es handelt sich um einen globalen Crash. Wenn Aktienindices innerhalb kurzer Zeit um mehr als 20 Prozent sinken, gilt das bei Anlageprofis in der Regel als Auslöser eines Bärenmarktes, der sich zwischen einem halben Jahr und mehr als einem Jahrzehnt hinziehen kann. Keine guten Aussichten also.

Die Marktkapitalisierung des DAX ist um 145 Milliarden Euro und damit um einen Betrag gesunken, der knapp sechs Prozent des jährlichen Sozialprodukts ausmacht. Dieser Rückgang hat auf mindestens dreierlei Weise einen negativen Effekt auf die Konjunktur. Zum einen vermindert sich das Vermögen der Haushalte, die Menschen sind, mindestens auf dem Papier, ärmer geworden und der private Verbrauch sinkt ceteris paribus jährlich um schätzungsweise sieben Milliarden Euro und reduziert damit das deutsche Sozialprodukt um etwa 0,3 Prozent. Das läuft unter dem Stichwort „Vermögenseffekt“ (wealth effect).

Hinzu kommt, dass ein Aktiencrash die Erwartungen der Verbraucher beeinträchtigt – sie haben den Eindruck, dass es um die Wirtschaft schlecht bestellt ist und ihre Arbeitsplätze stärker gefährdet sind als sie dachten. Ihre natürliche Reaktion besteht darin, weniger auszugeben.

Unternehmen sind auch nicht gerade erfreut. Sinkende Aktienkurse bedeuten für sie steigende Kosten für das Eigenkapital, wodurch sich eine bestimmte Menge an Investitionsprojekten nicht mehr rechnet, was nichts anderes heißt, als dass auch sie ihre Ausgaben einschränken werden.

Das ist alles sehr negativ für die Konjunktur. Es gibt aber auch positive Aspekte.

Da sich die Konjunkturaussichten verschlechtern, dürften die Inflationserwartungen sinken, was zu einem Rückgang der Kosten für länger laufende Kredite führt. Gleichzeitig erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB die Zinsen für’s Erste nicht mehr weiter anhebt und sie bei bescheidenen 1,5 Prozent belässt. Aus beiden Gründen sinken die Kosten für Fremdkapital, was wiederum die Investitionen stimuliert. Nicht zu vergessen: Die Besitzer deutscher, holländischer, schwedischer, schweizerischer, britischer und sogar amerikanischer Staatsanleihen haben in den letzten Wochen große Kursgewinne erzielt. Bei ihnen gab es positive Vermögenseffekte. Das muss natürlich gegen die Verluste gerechnet werden, die bei den Anleihen von Schuldnern der europäischen Peripherie entstanden sind. Schwer zu sagen, was der Nettoeffekt ist. Ich vermute mal, er ist leicht positiv.

Die Entwicklung des Ölpreises hat ebenfalls positive Effekte auf die Konjunktur. Als Folge der neuen Nachfrageschwäche, die ich vor allem auf die global restriktive Finanzpolitik zurückführe, liegt der Preis für Öl der Nordseemarke Brent jetzt bei 107,4 Dollar pro Fass und damit um 15 Prozent unter dem jüngsten Hoch vom 8. März. Das sind allerdings immer noch 38 Prozent mehr als vor einem Jahr. Der Kaufkraftverlust, der durch die Übertragung von Einkommen an die Ölproduzenten entsteht, hat sich also zuletzt erheblich vermindert. Durch sinkende Benzin- und Heizölpreise haben die Verbraucher wieder mehr Geld für andere Ausgaben übrig. Im Euroland steuerten die Ölimporte bis vor kurzem auf einen Jahreswert von 300Mrd. Euro zu, das entspricht 3,2 Prozent des voraussichtlichen Sozialprodukts der Währungsunion in diesem Jahr; eine Preissenkung um 15 Prozent erhöht damit die Kaufkraft – im Vergleich zu der Situation, dass der Ölpreis bei 126,5 Dollar pro Fass geblieben wäre – um rund 50Mrd. Euro oder 0,5 Prozent des nominalen BIP.

Insgesamt werden sich aus deutscher Sicht die realwirtschaftlichen Folgen der schwächeren Konjunktur im Rest der Welt und des Ausverkaufs an den Aktienmärkten in Grenzen halten. Bis vor kurzem sah es danach aus, als könnte das reale BIP in diesem Jahr noch einmal um 3,5 Prozent zulegen, wie 2010. Jetzt sieht es eher nach 3 Prozent aus. Darüber wird sich aber auch niemand beschweren können.