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Rechtsnihilismus

 

Nur ein kleiner Trick, so stellen wir Zentralbanker es dar. Es wurden nur die Wertpapierkennnummern ausgetauscht bei den griechischen Staatsanleihen. Sonst nichts, alles nicht der Rede wert. Allerdings, so fügen wir freundlich hinzu, gibt es Nebenabreden. Unsere neu nummerierten Anleihestücke werden bei einer eventuell beschlossenen Entwertung (Teilentwertung, Haircut, Umschuldung oder was auch immer) ausgenommen. Hübsch nicht?

Nett von der griechischen Regierung, uns Notenbankern neue Nümmerchen zu geben. Noch netter auch die Zusicherung, diese Nümmerchen dann von einer Umschuldung auszunehmen. Diese Nettigkeiten gewähren die Griechen uns Notenbankern natürlich völlig freiwillig. Sie mögen uns einfach. Schließlich wissen sie und unser Ex-Kollege Lucas Papademos, dass auch der IWF, wenn er die Genesung einer Volkswirtschaft durchzieht, sich als vorrangiger Kreditgeber behandeln lässt. Zugegeben, dieser Fall liegt hier etwas anders. Denn wir haben die Staatsbonds auf dem, wie man so sagt, „freien Markt“ gekauft, während der IWF sich seine Sonderstellung schon bei der Kreditvergabe einräumen lässt.

Aber wir Euro-Notenbanker haben gute Gründe für die kleine Rechtsbeugung. Wir dürfen nämlich keine Staatsfinanzierung betreiben. Da sind wir strikt. Und da haben die von uns angestellten Juristen herausgefunden, dass der Kauf von Staatsanleihen auf dem „freien Markt“, also von Händlerbanken, keine Staatsfinanzierung ist. Dagegen wird sie zur Staatsfinanzierung, wenn ein Haircut stattfindet und unsere Anleihe plötzlich auch nominal nur noch die Hälfte wert ist. Das ist dann der Moment, wo aus einer Schuld eine Schenkung wird. Und Schenkung, so haben unsere Juristen herausgefunden, ist was mit Staatsfinanzierung oder dem Verbot desselben gemeint ist. Und deshalb ist uns Notenbankern auch verboten, den Staaten direkt Kredit zu gewähren oder ihnen die Bonds schon bei der Emission anzukaufen. Logisch, nicht?

Wenn wir dagegen unsere Staatsanleihen, die wir kluge Notenbanker zu bloß 55 Prozent gekauft haben, am Ende wegen der neuen Nümmerchen von den braven Griechen (wer weiß, woher die das Geld dann haben?) zu 100 Prozent getilgt bekommen, dann streichen wir einen hübschen Gewinn ein. Und dann wollen wir mal nicht so sein. Wenn dann gegen alle möglichen Eventualverluste noch ein Gewinn übrig bleibt, dann sind wir gern bereit, das auch an unsere nationalstaatlichen Eigentümer auszuschütten. Das ist dann kein Kredit, auch keine Schenkung und natürlich auch keine Staatsfinanzierung, sondern das ist dann Ausschüttung.

So sind wir Notenbanker nun mal. Juristisch und staatsmännisch fit. Immer auf der Höhe der Zeit. Gut, dass die Politiker in Griechenland, Italien und anderswo nach unserer Pfeife tanzen, Renten und Löhne kürzen, dass es nur so kracht. Wichtig ist, dass das Recht in unserem Sinne gebeugt wird und die Entscheidung darüber, wer am Ende was bekommt, uns klugen, unabhängigen Notenbankern überlassen bleibt.