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Unternehmer – glücklich aber investitionsfaul

 

Den deutschen Unternehmen geht es prächtig, aber sie investieren erstaunlich wenig. Wenn ich mir die Indikatoren des ifo-Instituts, die Umfragen unter Einkaufsmanagern (PMI), den IW-Indikator für die Standortqualität des Landes oder die Weltmarktanteile der wichtigsten Branchen anschaue, komme ich zu dem Schluss, dass es den Unternehmern kaum besser gehen könnte. Die Gewinne steigen zudem mindestens seit der Einführung des Euro im Jahr 1999 deutlich rascher als die Löhne, die Einkommensverteilung verschiebt sich also zugunsten des Faktors Kapital, zulasten des Faktors Arbeit. Und die Analysten erwarten, dass die Gewinne der 30 Dax-Unternehmen in diesem Jahr um 21 Prozent höher sein werden als 2013; in 2015 sollen sie noch einmal um 14 Prozent zulegen*).

Seit Ende 2011 ist der deutsche Aktienindex trotz des jüngsten Rückschlags um knapp 60 Prozent gestiegen. Die Unternehmen bekommen ihr Eigenkapital im Vergleich zu dem, was sie in der Vergangenheit gewohnt waren, fast geschenkt. Das gilt ebenso für Fremdkapital, also für Kredite und Unternehmensanleihen. Ein weiteres Beispiel: Nach der jüngsten Analyse des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) verfügen die Unternehmen der Elekroindustrie, einer der Schlüsselbranchen des Landes, über hohe Barmittel, haben eine Eigenkapitalquote von 40 Prozent, und Kredite sind weder schwer zugänglich noch teuer, einschließlich der Exportkredite. Vor allem aus Sicht ausländischer Beobachter können die deutschen Unternehmen vor Kraft kaum laufen.

Grafik: Brutto- und Nettoanlageinvestitionen in Deutschland, 1970-2013

Aber warum investieren sie nicht? Sollen wir uns Sorgen machen? Die Investitionsquote ist im Unternehmenssektor sowohl brutto als auch nach Abzug der Abschreibungen seit Jahrzehnten rückläufig. Die Quote ist inzwischen zwei volle Prozentpunkte niedriger als in vergleichbaren Ländern.

Grafik: Investitionen im Internationaler Vergleich
Quelle: KfW, Dr. Klaus Borger

Es gibt zwei naheliegende Gründe für den Investitionsstreik der Unternehmen: Erstens sind die relativen Kosten für Arbeit gesunken, so dass arbeitssparende Anlagen und Prozesse nicht so dringend sind wie bei Lohninflation. Zweitens herrscht immer noch Auftragsmangel, das erwies sich auch in der genannten ZVEI-Analyse als das bei Weitem wichtigste Investitionshemmnis. Zwar ziehen die Auftragseingänge im gesamten Verarbeitenden Gewerbe auch real seit etwas mehr als einem Jahr kräftig an, das Niveau ist aber immer noch so niedrig, dass die Kapazitäten nicht ausgelastet werden können. Warum also investieren?

Im Übrigen ist es für die Verzinsung des Kapitals (die Gewinne) zumindest kurzfristig am besten, wenn erst einmal die vorhandenen Anlagen besser genutzt werden. Die Bezahlung der Manager großer börsennotierter Unternehmen hängt nicht zuletzt davon ab, wie sich der Marktwert ihrer Firmen entwickelt, ob also die Eigentümer reicher werden oder nicht. Die Gewinne sowie die Gewinnerwartungen müssen stimmen, dann steigen die Aktienkurse, der Marktwert und die Einkommen des Managements. Investitionen sind oft nicht gut für die Gewinne, vor allem wenn die Unternehmen sich am Markt auch so gut behaupten können. Mit anderen Worten: Die Analysten machen sich Sorgen um die Investitionsschwäche, die Unternehmen haben kein Problem damit. Wenn die Nachfrage nach ihren Produkten stärker wäre, würden sie sicher wieder mehr in neue Anlagen und Ausrüstungen stecken.

Direktinvestitionen im Ausland sind eine Alternative zu inländischen Investitionen, sie bewegten sich in den vergangenen Jahren gemäß Zahlungsbilanzstatistik zwischen 1,5 und 3 Prozent des BIP. Sie folgen tendenziell den Exporten, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung. Da vor allem in den ärmeren Ländern im Vergleich zu Deutschland Kapitalknappheit herrscht, sind die Renditen dort besser als im Inland. Das Nettoauslandsvermögen der Volkswirtschaft insgesamt dürfte 2013 etwa 45 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts erreicht haben – das entspricht den kumulierten Salden, also den Überschüssen in der Leistungsbilanz, korrigiert um die kumulierten Bewertungsänderungen. Leider müssen immer wieder erhebliche Abschreibungen vorgenommen werden, nicht nur wegen der Aufwertung des Euro, sondern auch wegen Fehlinvestitionen. Die Amerikaner haben in dieser Hinsicht ein glücklicheres Händchen: Zwar sinkt ihr Auslandsvermögen als Reflex der ständigen Defizite in der Leistungsbilanz, aber das wird in erheblichem Umfang wettgemacht durch Bewertungsgewinne.

Grafik: Nettoauslandsvermögen Deutschland und USA, 1991-2013

Trotzdem ist der Saldo der laufenden Vermögenseinkommen mit dem Ausland im vergangenen Jahrzehnt rapide gestiegen und macht zurzeit etwa 2,2 Prozent des Sozialprodukts aus.

Es kann auch sein, dass Sachinvestitionen nicht mehr einen so großen Stellenwert haben wie einst. In der Elektroindustrie etwa sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung mehr als doppelt so hoch wie die für Investitionen. Deutschland ist nicht zuletzt deswegen hinsichtlich der Anzahl der Patente nach wie vor führend, insbesondere wenn man sie auf die Größe der Bevölkerung bezieht.

Keine größeren Sorgen bereitet die langjährige Schwäche der Investitionen im Wohnungsbau. Da sowohl die Mieten als auch die Immobilienpreise seit vielen Jahren nur moderat gestiegen sind, gibt es offenbar keine Engpässe. Deutschland unterscheidet sich in dieser Hinsicht stark von einigen der Krisenländer, wo die Knappheiten einen Immobilienboom ausgelöst hatten, mit dessen Spätfolgen sie noch heute kämpfen. Im Übrigen haben wir es mit einer stagnierenden und rasch alternden Bevölkerung zu tun – da ist kaum zu erwarten, dass der Bau ein Wachstumsmotor ist.

Die mickrigen Investitionen der öffentlichen Hand sind dagegen ein echtes Problem. Der Kapitalstock von Bund, Ländern und Gemeinden, der als Katalysator für die Investitionen des privaten Sektors gilt, ist dabei zu schrumpfen, wenn nicht zu verrotten. Es ist an der Zeit, dass da etwas geschieht: Die langfristig beste Art zu sparen besteht darin, im Inland Sachwerte zu schaffen, neben Investitionen in Humankapital. Es spricht angesichts der gesunden Haushaltslage des Gesamtstaates und der nach wie vor niedrigen Kapazitätsauslastung nichts dagegen, das teilweise mit zusätzlichen Krediten zu finanzieren. Warum soll die heutige Generation die Lasten allein tragen? Der Staat darf nicht immer nur gebannt wie das Kaninchen vor der Schlange auf die Haushaltssalden schauen: Er sollte seine ausgezeichnete Bonität und die niedrigen Zinsen dafür nutzen, den Kapitalstock zu modernisieren, zu erweitern und dafür zu sorgen, dass die jetzigen und die künftigen Arbeitskräfte gut ausgebildet sind, die Wirtschaft also zukunftsfest zu machen.

Grafik: Brutto- u. Nettoanlageinvestitionen des Staat, 1991-2012

Insgesamt gibt es im privaten Sektor bei den Investitionen kaum Anlass zur Sorge. Die Nachfrage ist einfach nicht dynamisch genug im Vergleich zum bestehenden Kapitalstock. Wenn dieser besser ausgelastet wäre, kämen die Unternehmen bald an den Punkt, wo sie gezwungen wären, ihre Kapazitäten stärker zu erweitern. Danach sieht es immer noch nicht aus. Andererseits kann sich jedoch der Staat nicht länger aus der Verantwortung stehlen. Wenn ich mir den Koalitionsvertrag ansehe, hat er das allerdings vor. Da liegt der Hase begraben.

*) berechnet auf der Basis der Dax-Kurs-Gewinnverhältnisse