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Währungsunion: Viel reformiert, aber noch nicht am Ziel

 

Logo: Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für WirtschaftspolitikExklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Seit Jahren befindet sich die Währungsunion im Krisenmodus und die Mitgliedsstaaten und die gemeinschaftlichen Institutionen werden nicht müde durch zahlreiche Reformmaßnahmen den fiskalischen, monetären, makroökonomischen und politischen Problemen, die zutage getreten sind, Herr zu werden. Der jüngste Fünf-Präsidenten-Bericht sieht den Reformprozess gar bis ins Jahr 2025 andauern, wobei am Ende die Union eine „felsenfeste und transparente Architektur“ haben soll. Welche Reformen wurden bislang umgesetzt, welche werden noch diskutiert und wie lassen sie sich im Hinblick auf ihre Effektivität beurteilen? In der kommenden Jubiläumsausgabe des Wirtschaftsdienst analysiert Sebastian Dullien, inwieweit die getroffenen und diskutierten Maßnahmen die Krisenursachen adressieren, und er gibt einen Ausblick, was noch zu tun bleibt.

Worum geht es, wenn von Krisenursachen die Rede ist? Nachdem anfänglich die Eurokrise in der öffentlichen Diskussion mit einer Staatsschuldenkrise gleichgesetzt wurde, hat sich schnell gezeigt, dass die Wirkungszusammenhänge, die zur Krise oder besser den Krisen führten, wesentlich komplexer sind (originär kritisch waren Probleme mit der Haushaltsdiszplin zum Beispiel nur in Griechenland und Portugal). Dullien identifiziert die folgenden sieben Krisenursachen, die nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern sich zum Teil wechselseitig verstärken:

  • Unsolide Staatsfinanzen
  • Boom-Bust-Zyklen in der Peripherie
  • Probleme im Bankensektor
  • Toxische Verbindung zwischen Bankproblemen und der Zahlungsfähigkeit einzelner Staaten
  • Selbsterfüllende Marktpanik
  • Strukturelles Auseinanderlaufen der Wettbewerbsfähigkeit
  • Vertrauensverlust der Bevölkerung durch die Wachstumskrise

Unmittelbar wurden Reformen in Angriff genommen, die über eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zur Disziplinierung der öffentlichen Haushalte beitragen sollen: Six Pack, Two Pact und Fiskalpakt. Die Einsicht, dass die Währungsunion zur Kriseneindämmung und Prävention einen Mechanismus zur Finanzierung von Hilfskrediten an notleidente Mitgliedsstaaten braucht, führte über EFSM und EFSF schließlich zum ESM. Zur Errichtung einer einheitlichen und effektiven Bankenregulierung wurde das Reformprojekt Bankenunion angestoßen und weitgehend umgesetzt. Woran noch gearbeitet wird, ist eine gemeinsame Einlagensicherung. Weiterhin werden eine Kapitalmarktunion, eine sogenannte Fiskalkapazität und eine Insolvenzregime für Staaten des Euroraums diskutiert.

Was auffällt, so Dullien, ist eine gewisse Fokussierung auf das Problem „unsolide Staatsfinanzen“, während die Problematik von „Boom-Bust-Zyklen“ nur indirekt angegangen wurde und die Wachstums- und Vertrauenskrise in der Eurozone bislang durch die Reformen nicht berührt wurde, sondern im Gegenteil einige Maßnahmen „das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren eher noch geschwächt“ hätten.

Kritisch zu betrachten sei auch, dass die Umsetzung einiger Regeln eine asymmetrische Behandlung von großen und kleinen Mitgliedsländern begünstigt und bei den Maßnahmen zur makroökonomischen Koordinierung, die Kriterien zur Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung in den Mitgliedsländern wenig geeignet sind, um Ungleichgewichte zu vermeiden.

So kommt Sebastian Dullien zum Schluss, dass trotz aller Reformanstrengungen wichtige Krisenfaktoren bisher nur unvollständig oder gar nicht angegangen wurden. Insbesondere besteht die Gefahr einer „anhaltende Wachstumskrise, die zunehmend in eine politische Krise der EU mündet […]“ Hier wäre eine „sinnvolle Fiskalkapazität zielführend“. Kurzfristig müssten das Instrumente sein, die die öffentliche und private Investitionstätigkeit erhöhen und so das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Mittelfristig geht es um einen wirtschaftspolitisch wirksamen Eurozonen-Haushalt, wobei die Frage der parlamentarische Mitbestimmung und Kontrolle vorher zu klären sei.

Lesen Sie hier ausführlich den Beitrag von Sebastian Dullien aus der Jubiläumsausgabe des Wirtschaftsdienst:

Sebastian Dullien: Die Europäische Währungsunion: Viel reformiert, aber noch nicht am Ziel, in: Wirtschaftsdienst 8/2016