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Wie das Finanzministerium sich die Investitionsquote schön rechnet

 

Als deutscher Finanzminister hat man es nicht leicht. Es vergeht kaum eine internationale Wirtschaftskonferenz, bei der die Bundesregierung nicht aufgefordert würde, mehr zu tun, um die Investitionen in Deutschland zu stärken. Das kann so nicht weitergehen, hat man sich im Bundesfinanzministerium (BMF) ganz offensichtlich gedacht und einen Investitionsbericht erstellt, der den Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen soll.

Wie das geht? Ganz einfach: Indem man das Problem einfach wegdefiniert. Aber der Reihe nach.

In besagtem Bericht werden die Investitionsquoten verschiedener Länder miteinander verglichen. Dabei ergibt sich, dass der private Sektor in Deutschland derzeit vergleichsweise viel investiert (siehe Grafik), was in dem Bericht und in der Berichterstattung darüber herausgehoben wird.

Das Finanzministerium rechnet sich die Investitionsquote schön

Dass sich die privaten Investitionen etwas erholt haben, ist nun in der Tat erfreulich, aber wir leben in einer Marktwirtschaft und für die privaten Investitionen ist der Staat nur mittelbar zuständig. Die politische Debatte dreht sich doch nicht darum, ob BMW noch eine neue Maschine in Betrieb nimmt, sondern ob – Stichwort marode Schulen und Brücken – der Staat zum Erhalt der öffentlichen Infrastruktur noch ausreichend beiträgt.

Das sieht man im BMF offenbar anders. Denn als Fazit steht in dem Bericht:

Bildschirmfoto 2016-09-16 um 13.58.49

Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass die Bilanz bei den öffentlichen Investitionen in Deutschland trotz verschiedener Initiativen der Bundesregierung alles andere als gut ist, wie der Bericht auch einräumt.

Das Finanzministerium rechnet sich die Investitionsquote schön

Deutschland ist bei den öffentlichen Investitionen also Klassenletzter – und um diesen Befund zu relativieren, werden im wesentlichen drei Argument angebracht: In den USA seien Investitionen auch auf Militärausgaben zurückzuführen, im Rest des Währungsraums hätten die Strukturfonds der EU die Investitionsquote nach oben getrieben und in Ländern wie Frankreich sei die Investitionsquote höher, weil der Staat mehr Aufgaben übernehme als in Deutschland.

Das mag alles sein – aber ist es wirklich plausibel, dass immer irgendwelche Sonderfaktoren am Werk sind, wenn die Investitionsquote höher ist als in Deutschland? Das Bild wird ja nicht besser, wenn man den Kreis der Länder erweitert, wie folgende Grafik der OECD zeigt (die den Anteil der staatlichen Investitionen an den Gesamtinvestitionen abbildet).

Das Finanzministerium rechnet sich die Investitionsquote schön

Auch die Europäische Zentralbank kommt zu einem ähnlichen Ergebnis (diesmal mit Investitionsquoten als Anteil an der Wirtschaftsleistung).

Das Finanzministerium rechnet sich die Investitionsquote schön

Und das ist ja nicht alles, die öffentlichen Investitionen sind ja nicht nur im internationalen Vergleich, sondern auch historisch betrachtet sehr niedrig. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt ist heute nur noch halb so groß wie in den siebziger Jahren, wie sich aus dieser Grafik des Sachverständigenrats ergibt.

Bildschirmfoto 2016-09-16 um 13.46.50

Nun kann man wiederum argumentieren, dass dies auf Privatisierungen zurückzuführen sei, aber irgendwann ist diese Ausweichstrategie nicht mehr überzeugend. Festzuhalten ist doch: Der deutsche Staat investiert deutlich weniger als früher und weniger als beinahe jedes einigermaßen entwickelte Land dieser Erde.

Für mich sieht es ganz danach aus, als wolle man sich diesen Sachverhalt schön rechnen.