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Kapitalmarktunion – eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität?

 

Logo: Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für WirtschaftspolitikExklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Der von der Finanzkrise geschwächte Bankensektor erholt sich nur zögerlich und die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte kommt erst langsam wieder in Gang. Zudem hat die marktbasierte Unternehmensfinanzierung über Aktien, Risikokapital und anderes Beteiligungskapital in Europa traditionell ein geringeres Gewicht als zum Beispiel in den USA. Gleichzeitig stagniert die Investitionstätigkeit in der Europäischen Union. Um Sparern und Investoren neue Möglichkeiten zu eröffnen, hat die EU-Kommission einen Aktionsplan beschlossen, mit dem Ziel den Kapitalmarkt EU-weit besser zu integrieren. Hubert Gabrisch, ehemaliger Abteilungsleiter des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, warnt in der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsdienst vor einer Gefährdung der Finanzmarktstabilität durch die damit verbundene Absicht, die Vermischung von marktbasierten und bankbasierten Finanzierungsinstrumenten weiter zu vertiefen.

Vor der Finanzkrise hatte die Liberalisierung der Kapitalmärkte bereits die Aufhebung der traditionellen Trennung zwischen bank- und marktbasierter Finanzierung vorangetrieben. Dadurch waren hybride Kapitalmärkte entstanden, bei denen die Verflechtung zwischen den einzelnen Marktsegmenten und Institutionen die Risikoteilung verbessern sollte. Wenn aber versucht wird, eine perfekte Risikoteilung zu erreichen, werden die Kapitaltransaktionen aufgebläht: Beispielsweise hatte der Nennwert der bestehenden Derivativverträge 2014 mehr als das Achtfache des Welteinkommens erreicht.

Die EU-Kommission diagnostiziert die Ursachen der Finanzkrise und die danach stagnierende Investitionstätigkeit vor allem als vom Bankensektor ausgehend. Daher hat sie einen Aktionsplan mit dem Ziel beschlossen, die in Europa dominierende Stellung der bankbasierten Finanzierung zu korrigieren. Gabrisch interpretiert den Maßnahmenkatalog der EU-Kommission folgendermaßen: „Demgegenüber möchte sie die marktbasierte Finanzierung vornehmlich über das Verbriefungsgeschäft fördern. Diese Idee läuft auf eine weitergehende Aufhebung der Separierung von traditionellem Bankensektor und traditionellen Kapitalmärkten hinaus, bzw. auf die Schaffung von ‚hybriden Kapitalmärkten‘. Von ihnen wird angenommen, dass sie effizienter und widerstandsfähiger gegenüber Schocks sind.“

Wie soll das geschehen? Zum einen sollen die bisher noch zwischen den EU-Ländern bestehenden Unterschiede in der Regulierung der Finanzmärkte abgebaut werden. Beispielsweise hat Deutschland höhere Hürden bei der Sicherung von Verbriefungsrisiken aufgebaut als von der Capital Requirements Richtlinie gefordert. Zum anderen soll das Vertrauen der Kleinanleger in Investment-Instrumente und die privaten Altersvorsorgesysteme gestärkt werden.

Gabrisch befürchtet, dass „… das Konzept der Kapitalmarktunion vielleicht sogar die Gefahr erhöht, dass die Techniken unendlicher Risikoteilung gesamtwirtschaftlich destabilisierende Effekte – etwa in der Förderung von systemischen Risiken – besitzen.“ Zudem entstünden systemische Risiken durch eine verschlechterte Fristentransformation, ein unvollständiger Risikotransfer, eine erhöhte Kredithebelung, steigende Informationsasymmetrien und Arbitragegewinne. Letztlich stehe „[d]er Vorschlag für eine Kapitalmarktunion in Konkurrenz zu dem von der EU seit 2009 beschrittenen Weg der Regulierung und Kontrolle des Bankenmarktes sowie des Verbriefungsgeschäfts.“

Lesen Sie hier exklusiv vorab aus der Dezember-Ausgabe des Wirtschaftsdienst den Artikel von Hubert Gabrisch

Zur Kritik der Kapitalmarktunion, in: Wirtschaftsdienst 12/2016