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Zur Vertiefung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion

 

Logo: Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für WirtschaftspolitikExklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Im Mai 2017 hat die EU-Kommission ein Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion veröffentlicht: eine echte Finanzunion soll vollendet, eine demokratische Rechenschaftspflicht verankert und die Institutionen des Euroraums gestärkt werden. Wichtiger noch: bis 2025 ist eine stärker integrierte Wirtschafts- und Fiskalunion geplant. Willi Koll, lange Jahre Ministerialdirigent in der Grundsatzabteilung des Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministeriums, skizziert deren Konzept im aktuellen Wirtschaftsdienst und bewertet es aus makroökonomischer Sicht.

Die Gründe für die vorgeschlagenen Maßnahmen leitet die EU-Kommission insbesondere aus der Eurokrise ab. Als deren Ursache diagnostiziert sie eine Scheinkonvergenz, den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit sowie Ineffizienzen auf den Arbeits- und Produktmärkten in den Krisenländern. Das resultierende starke wirtschaftliche Gefälle sei vielfach strukturell bedingt. Hinzu kommen Steuerungsdefizite auf EU-Ebene und eine mangelnde Verzahnung zwischen nationaler und EU-Ebene. Um die Unionsziele in Zukunft zu erreichen fordert die Kommission einen Gesamtfahrplan mit einer besseren Koordinierung der Wirtschaftspolitik und ein wirksameres Regelwerk. Eine prozyklische Fiskalpolitik soll vermieden werden und zur makroökonomischen Stabilisierung wird unter anderem eine „europäische Arbeitslosenrückversicherungsregelung“ vorgeschlagen.

Zusammengefasst, so Willi Koll, gehe es der Kommission in dem Papier um zwei Dinge: „eine Verstärkung struktureller Reformen und eine makroökonomische Stabilisierung.“ Die Strukturreformen stehen dabei ganz oben auf der Agenda. Doch „strukturelle Reformen und ‚better regulation‘ sind eine Daueraufgabe“, die die „Voraussetzungen für eine Steigerung des Wachstums- und Innovationspotenzials“ verbessern, „allerdings muss ein derartiges Potenzial auch nachfrageseitig voll aktiviert und ausgeschöpft werden“. Hierfür sei ein „defensiver Ex-post-Ansatz“, wie die makroökonomische Stabilisierungsfunktion des Kommissionspapiers, aber nicht ausreichend. Es bedürfe mehr „als zeitlich begrenzte fiskalische Ad-hoc-Maßnahmen und forcierte strukturelle Reformen“. Koll vermisst daher einen auf Dauer angelegten „gesamtwirtschaftliche[n] Policy-Mix […], der das Wachstumspotenzial über Absatzerwartungen und Absatz stetig und nachhaltig ausschöpft und erhöht“.

Die Defizite des Reflexionspapiers hinsichtlich seiner makroökonomischen Dimension zeigten sich dann auch darin, dass die Frage der Lohnfindung ausgeblendet bleibt. Zwar hat sich die Kommission in einem anderen Papier für eine Stärkung der Sozialpartnerschaft ausgesprochen, doch hätte sich Koll hier eine Vertiefung gewünscht. Denn, so der Autor: „Eine zentral-exogene Lohnfindung durch die Sozialpartner und eine echte Sozialpartnerschaft können […] Übertreibungen vermeiden und für eine mittelfristig stabile Entwicklung sorgen.“ Von daher sei es erforderlich entsprechende Strukturen aufzubauen und Regelungen zu finden, die die Sozialpartner bei der Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung einbinden.

Wie ließe sich eine Vertiefung der Union in Hinblick auf einen gut koordinierten Policy-Mix institutionell gestalten? Der bereits bestehende Europäische Fiskalausschuss und die nationalen Ausschüsse für Produktivität könnten eine umfassende und regelmäßig zu aktualisierende wachstums- und stabilitätsorientierte makroökonomische Konzeption erarbeiten. Eine Institution zur „Kooperation aller makroökonomischer Akteure“ müsste noch geschaffen werden. In diesem Zusammenhang wäre es eine geeignete Maßnahme, den Makroökonomischen Dialog auf der Ebene der Eurozone neu einzurichten.

Lesen Sie hier exklusiv vorab ausführlich den Beitrag von Willi Koll zum Reflexionspapier der EU-Kommission aus der Oktober-Ausgabe des Wirtschaftsdienst:

Das Reflexionspapier der EU-Kommission zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion – Eine Bewertung aus makroökonomischer Sicht, in: Wirtschaftdienst 10/2017, S. 704-707