Exklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Die Bedeutung der USA für die Weltwirtschaft nimmt schon seit längerem ab; die Bedeutung Chinas nimmt dagegen weiter zu. Dennoch erfüllt der US-Dollar noch immer die Rolle der Weltleitwährung, auch wenn dies angesichts des amerikanischen Protektionismus zunehmend kritisch hinterfragt wird. Die Zentralbanken halten ihre Währungsreserven vor allem in US-Dollar und der internationale Zahlungsverkehr und globale Finanztransaktionen werden zu großen Teilen in US-Dollar vorgenommen. Für die USA gibt es große Anreize, die Stellung des Dollar als Leitwährung zu halten und sich die damit verbundenen Vorteile zu sichern. Nicht zuletzt erleichtert die Leitwährung den USA auch die Überwachung und Durchsetzung von Sanktionen. Können andere Währungen, wie der Euro oder Chinas Renminbi, dem Dollar die Leitwährungsfunktion streitig machen? Die sechs Autoren des Zeitgesprächs der Oktober-Ausgabe des Wirtschaftsdienst gehen dieser Frage nach.
Bernd Kempa (Professor am Institut für Internationale Ökonomie in Münster) führt in seinem Beitrag aus, dass auch wenn es eine Frage der Zeit zu sein scheint, „wann die USA ihre wirtschaftliche und politische Vormachtstellung verlieren“, die USA nach wie vor am besten die Kriterien eines Leitwährungslandes erfüllen. Da sich eine Leitwährung dadurch auszeichnet, „dass sie als international wichtigste Transaktions-, Anlage- und Reservewährung fungiert“, „muss sie uneingeschränkt in andere Währungen konvertierbar und in ausreichendem Maße global verfügbar sein“. Das Leitwährungsland sollte daher „über offene, tiefe und gut entwickelte Finanzmärkte verfügen“, „die innere Wertstabilität der Währung […] sicherstellen, einen hohen Grad an makroökonomischer Stabilität besitzen und eine bedeutende wirtschaftliche und politische Rolle in der Weltwirtschaft spielen.“
Die herausragende Stellung des Dollar zeigt sich daran, dass er „an 88% aller weltweiten Devisentransaktionen beteiligt [ist], während der Euro als zweitwichtigste Währung nur für 31% aller Währungstausche eingesetzt wird. Der chinesische Renminbi rangiert mit einem Anteil von derzeit 4% weit abgeschlagen auf dem achten Platz der am häufigsten gehandelten Währungen. Auch als internationales Reservemedium ist der USDollar mit 62% der weltweit gehaltenen Devisenreserven weiterhin dominant, während der Euro einen Anteil von lediglich 20% aufweist.“
Der Leitwährungsstatus des Dollar bringt den USA erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Neben beträchtlichen Geldschöpfungsgewinnen und relativ günstigen Refinanzierungsbedingungen des Staats haben US-amerikanische Unternehmen Transaktionskostenvorteile gegenüber der ausländischen Konkurrenz. Bernd Kempa verweist darauf, dass die USA so jährlich volkswirtschaftliche Gewinne in Höhe von etwa 3 % des BIP erzielen. (Zur Einordnung: Das sind rund 580 Mrd. US-Dollar, was ziemlich genau dem BIP der Republik Taiwan mit seinen 23,5 Mio. Einwohnern entspricht).
Herausgefordert werden die USA seit einigen Jahren von China, dass aktiv die Verwendung des Renminbi als internationale Transaktionswährung fördert und erst vor kurzem einen Terminhandel mit Rohöl in eigener Währung an der Shanghaier Börse eingeführt hat. Auch Russland strebe eine Schwächung des US-Dollar als Weltwährung an, so Kempa, das seine Gaslieferungen inzwischen überwiegend in Euro fakturiere. „Die amerikanische Handelspolitik sowie die Sanktionsmaßnahmen der Trump-Administration werden die Bemühungen dieser Länder auf eine Ablösung des US-Dollar als Leitwährung mit großer Wahrscheinlichkeit weiter verstärken.“ Allerdings sei die Führungsposition des Dollar auf absehbare Zeit nicht gefährdet.
Für Helmut Reisen (Shifting-Wealth Consulting) steht fest, dass die Weltwirtschaft mit der Verlagerung ihres Schwerpunktes nach Asien gerade neu vermessen wird und die BRICS-Staaten das Ziel verfolgen den US-Dollar als Leitwährung durch den Renminbi abzulösen. Wobei die isolationistische Handelspolitik Donald Trumps den Aufstieg des Renminbi befeuern könnte. Aber, so Reisen: „Noch ist viel Klempnerarbeit zu erledigen, bevor die Dominanz des US-Dollars abgebaut werden kann. Diese Arbeit ist in vollem Gang; mit dem Aufbau neuer Institutionen abseits des durch den Westen dominierten Finanzsystems, dem Aufbau neuer Transport, Energie und Digitalverbindungen im Zuge der chinesischen SeidenstraßenInitiative und dem Zerfall des globalen Welthandels in regionale Handelsblöcke.“
Warum versuchen die größten Schwellenländer die Dominanz des US-Dollar zu brechen?
- Währungskrisen, wie aktuell in Argentinien und der Türkei: „[Diese beiden Länder] müssen 2018 einen rapiden Verfall des Außenwertes ihrer Währungen hinnehmen. […]. Da viele Schwellenländer recht illiquide sind und enge Finanzmärkte aufweisen, verführt die Verletzung der ungedeckten Zinsparität zur Aufnahme von Schulden in Fremdwährung. Wenn die Kreditaufnahme in US-Dollar von Firmen oder Banken erfolgt, die nicht über entsprechende Einnahmen verfügen, entstehen Währungsinkongruenzen in den Unternehmensbilanzen. Diese Bilanzinkongruenzen sind eine Zeitbombe für private Akteure und öffentliche Haushalte durch Eventualverbindlichkeiten für öffentliche Rettungsaktionen.“
- Sanktionsfähigkeit der USA: „Jede Transaktion, die in US-Dollar oder über eine US-Bank abgewickelt wird, führt automatisch dazu, dass die Handelspartner der amerikanischen Rechtsprechung unterliegen. Die USA führen derzeit Wirtschaftskriege gegen ein Zehntel der Länder der Welt mit einer kumulierten Bevölkerung von fast 2 Mrd. Menschen du euibem BIP von mehr als 15 Billionen US-$.“
- Gefahr einer Abwertung des US-Dollar: „China und die zwölf größten Schwellenländer hielten zuletzt offizielle Devisenreserven in Höhe von 6,7 Billionen US-$, immerhin fast 60 % der globalen offiziellen Reserven. […] Wichtige Schwellenländer[…] befürchten eine bewusste Abwertungsstrategie der USA, die ihre gewaltigen Währungsreserven um hunderte Milliarden US-Dollar entwerten würden.“
- politische Schwerpunktverschiebung: „Die Weltneuvermessung ist unvollständig und womöglich auf Dauer gefährdet, wenn deren wirtschaftliche Säule nicht durch militärisches Abschreckungspotenzial und Abbau der Dominanz des US-Dollar abgesichert wird. Historisch stammte die Leitwährung aus der führenden Volkswirtschaft der jeweiligen Zeit. Kaufkraftbereinigt ist China laut IWF-Daten die größte Volkswirtschaft der Welt; sein Anteil am Weltprodukt liegt heute (2018) bei 18,7 %, während der US-Anteil auf 15,1 % geschätzt wird.“
Hansjörg Herr (Professor für Supranationale Wirtschaftsintegration in Berlin) unterstreicht wie wichtig die Vermögenssicherungsqualität einer Währung für deren internationale Rolle ist. Entscheidende Kriterien, die eine Leitwährung erfüllen muss, sind demnach:
- eine geringe aktuelle und erwartete Inflationsrate,
- die Rolle als Wertstandard von grenzüberschreitenden Krediten,
- ein stabiler Wechselkurs,
- vollständige Konvertibilität,
- die Größe und Diversität des Vermögensmarktes,
- die politische Rolle und nicht zuletzt die militärische Stärke eines Landes und
- schließlich Netzwerkeffekte, „welche die Nutzung eines verbreitet genutzten Geldes verstärken und stabilisieren“.
Für Hansjörg Herr ist klar, dass der US-Dollar diese Kriterien besser als alle anderen Währungen erfüllt. Auch der Euro kann dem Dollar derzeit nicht das Wasser abgraben, weil der EWU mit vielen Unsicherheiten behaftet ist. Ohne eine weitere Integration der Eurostaaten, kann der Euro unmöglich zum Dollar aufschließen. Was den Renminbi betrifft, sei nicht davon auszugehen, dass er mittelfristig eine umfassende internationale Rolle spielen wird. Ihm fehlt eine wichtige institutionelle Voraussetzung: er ist nicht konvertibel. Mit Blick auf die Zukunft des US-Dollar als Leitwährung hält Herr fest: „Das zukünftige Währungssystem dürfte noch lange vom USDollar dominiert werden, allerdings mit abnehmender Stärke. Der Euro wird aufgrund der internen Probleme der EWU und dem Fehlen der politischen und militärischen Dimensionen einer Weltwährung den USDollar schwerlich verdrängen können.“
Hansjörg Herr sieht jedoch auch Risiken für die zukünftige Stabilität des Währungssystems und stellt perspektivisch eine Idee John Maynard Keynes in den Raum, deren Umsetzung jedoch schwierig ist: „Keynes hat die Idee einer supranationalen Währung, dem Bancor, zumindest für die Reservehaltung der Banken und Mechanismen der Währungsstabilisierung und Beschränkung von Leistungsbilanzungleichgewichten ins Spiel gebracht. Für einen solchen Schritt bedarf es jedoch einer intensiven internationalen Kooperation und starker internationaler Institutionen.“
Lukas Menkhoff (Leiter die Abteilung Weltwirtschaft am DIW in Berlin) betrachtet die internationale Rolle des US-Dollar vor dem Hintergrund der Entwicklung des internationalen Währungssystems seit 1944 und stellt fest: „[Alle] Gründe, die für den US-Dollar als Leitwährung sprechen, treffen heute noch zu, aber deutlich schwächer als zum Ende des Zweiten Weltkriegs.“ Mit dem wachsenden Gewicht Japans, Europas und zuletzt Chinas in der Weltwirtschaft wurde deshalb immer wieder über eine Ablösung des US-Dollar durch andere Währungen spekuliert.
Ende der achtziger Jahre galt der japanische Yen kurzeitig als Rivale des US-Dollar. Der Yen konnte diesen Erwartungen jedoch nicht gerecht werden, da die japanische Wirtschaft sich seither weit weniger dynamisch entwickelte als damals vermutet wurde. Seit der Gründung der EWU gilt der Euro galt als mögliche Alternative zum US-Dollar; allerdings hat die Eurokrise auch diese Erwartungen bis auf weiteres zunichte gemacht. „Im Grunde bleibt dann – als einzelne Währung – nur noch der chinesische Yuan als Alternative übrig, der allerdings die erwarteten klassischen Funktionen schon wegen fehlender freier Verfügbarkeit nicht erfüllt.“, konstatiert Menkhoff.
Auch die Idee einer Globalwährung, die regelmäßig diskutiert wird, würdigt Lukas Menkhoff. Neben einer Vielzahl politischer Probleme seien aber auch die ökonomischen Bedingungen für eine Globalwährung noch nicht gegeben: „[…] in der gegenwärtigen Verfassung der Weltwirtschaft [käme] eine Globalwährung – bei allem Charme den solch ein Schritt hätte – jedenfalls zu früh.“
Insgesamt schätzt Menkhoff die Chancen auf eine baldige Ablösung des US-Dollar als Leitwährung als gering ein: „Der USDollar mag als Leitwährung wanken und heftig kritisiert werden, doch es scheint schwer vorstellbar, dass private Entscheider eine andere existierende Währung oder für ihre Finanztransaktionen eine politisch fragile Konstruktion freiwillig vorziehen. Der USDollar bietet derzeit immer noch das beste Paket an erwünschten Eigenschaften für eine Leitwährung und in dieser Lage kommen dann die beharrend wirkenden Netzwerkeffekte als Verstärker hinzu.“
Friedrich Thießen und Tommy Jehmlich (TU Chemnitz, Bereich: Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre) setzten sich in ihrem Beitrag damit auseinander, wie sich der europäische Zahlungsverkehr vom US-Dollar lösen kann. Hintergrund sind die neuerlichen Iran-Sanktionen, denn „[e]s zeigt sich, dass das Ziel der US-Sanktionen zwar reale Wirtschaftsgüter sind, sie aber an finanzielle Zahlungen ansetzen. Dabei wird insbesondere das internationale Korrespondenzbankensystem genutzt, weil aufgrund der starken Stellung New Yorker Banken im internationalen Zahlungsverkehr viele Transaktionen über Konten in den USA laufen, an denen Strafmaßnahmen anknüpfen können.“
Thießen und Jehmlich analysieren aus betriebswirtschaftlicher Sicht den Status quo des internationalen Zahlungsverkehrs und diskutieren anschließend „alternative Zahlungssysteme, die ohne Korrespondenzbankkonten in den USA auskommen und sich vom Knoten New York abkoppeln“. Als grundsätzlich geeignete Alternativen kämen dabei Tauschsysteme, Clearinghaus-Lösungen, die Verwendung der Blockchain-Technologie und ein Zentralbank-gestützter Zahlungsverkehr in Frage.
Wolle man eine langfristige, sichere Abkoppelung Europas von US-amerikanischen Zahlungsverkehrsbanken, seien Umgehungssystem, wie der Tauschhandel, kein nachhaltiger Weg. Eine Lösung in diese Richtung bestünde allerdings in zentralen Clearingstellen mit oder ohne Blockchain. „An solchen Systemen wird an mehreren Stellen intensiv gearbeitet. Swift in Belgien, Clearstream in Luxemburg und das London Clearing House (LCH) stehen bereit, sich zu Clearingstellen in einem zentralisierten modernen Zahlungssystem zu präparieren. Dies ist die Chance der Europäer, sich von der Dominanz des Finanzplatzes New York zu lösen, ja mehr noch, es ist die Chance, die Bedeutung New Yorks generell zu verringern, indem zentrale Geschäftsfelder von dort abgezogen werden,“ schließen die beiden Autoren.
Lesen Sie hier exklusiv ausführlich die fünf Beiträge des aktuellen Zeitgesprächs zur internationalen Rolle des Dollar und möglichen Alternativen aus der Oktober-Ausgabe des Wirtschaftsdienst:
Der US-Dollar als Leitwährung – alternativlos?, in: Wirtschaftsdienst 10/2018 (mit folgenden Beiträgen: „Leitwährungsstatus des US-Dollar: Quo vadis?“ von Bernd Kempa; „Leitwährung und Weltneuvermessung“ von Helmut Reisen; „Die Zukunft des US-Dollar“ von Hansjörg Herr; „Internationales Währungssystem: US-Dollar, Globalwährung oder ein ‚chinesisches System‘?“ von Lukas Menkhoff; „Wie sich der europäische Zahlungsverkehr vom US-Dollar lösen kann – die betriebswirtschaftliche Sicht“ von Friedrich Thießen und Tommy Jehmlich)