Exklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Der ersten Bericht an den Club of Rome 1972 hat eine breite öffentliche Diskussion zur Frage nach den ökologischen Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums und damit nach möglichen Alternativen zum vorherrschenden Wirtschaftsmodell angestoßen, die bis heute andauert. Mit der Post-Wachstumsökonomie, der Gemeinwohlökonomie und dem grünen Wachstum diskutiert Thomas Döring von der Hochschule Darmstadt in der Juli-Ausgabe des Wirtschaftsdienst drei neuere wachstumskritische Ansätze, die aus unterschiedlicher Perspektive unterschiedliche Antworten auf den Zielkonflikt zwischen Wachstum und Erhalt der Umwelt finden.
Da die Produktion und der Konsum von Gütern und Dienstleistungen mit der Nutzung natürlicher Ressourcen verbunden sind, wird es in einem Wirtschaftssystem, wie dem unsern, das auf ein kontinuierliches Wachstum angelegt ist, in der Regel zu Umweltschäden und zur Verknappung von Umweltgütern kommen. Die wachstumsbedingte Übernutzung von Umweltgütern, die ein Kennzeichen unzureichender Internalisierung externer Effekte ist, verschärft die Nutzungskonkurrenz und den Konflikt zwischen dem zunehmend umweltschädlichen Wirtschaftswachstum und dem Wunsch nach vermehrten Umweltschutz, der das Wachstum potenziell beeinträchtigt. „Die Brisanz des Konflikts zeigt die mittlerweile erreichte Eingriffsintensität ökonomischen Handelns in die natürlichen Regelkreisläufe, die bestehende planetare Belastungsgrenzen (Planetary Boundaries) überschreitet und den Fortbestand der menschlichen Zivilisation selbst gefährden könnte“, stellt Döring fest.
Die Antwort der Post-Wachstumsökonomie auf diesen Zielkonflikt ist der Verzicht auf wirtschaftliches Wachstum. Die Vertreter dieses Ansatzes stellen die Möglichkeit eines umweltverträglichen Wachstums grundsätzlich in Frage, da die mit dem traditionellen Wachstumsparadigma verbundene steigende Nachfrage es verhindere, den Ressourcenverbrauch auf ein nachhaltiges Maß zu verringern, selbst wenn die vorhandenen Potenziale für eine effiziente Produktion ausgeschöpft würden. Um eine radikale Abkehr von der wirtschaftlichen Expansion zu vollziehen, bedürfe es eines grundlegenden Umsteuerns hinsichtlich des praktizierten Lebensstils mit dem Ziel, „vorhandene Konsumansprüche auf die Möglichkeiten einer nachhaltigen Befriedigung zu begrenzen (Suffizienz-Strategie).“ Die Versorgung sollte daher vermehrt über regionale Märkte, verkürzte Wertschöpfungsketten und Eigenproduktion erfolgen. Dabei bleibe allerdings unklar, wie die privaten Akteure dazu motiviert werden sollen, kritisiert Döring das Konzept. Es müsse bezweifelt werden, ob eine vorrangig auf Aufklärung setzende Strategie zur Lösung des Konflikts zwischen Wachstum und Umwelt tragfähig sein könne. Ebenfalls zu kritisieren sei die Vorstellung, dass ein gelenktes Wirtschaften die wesentlichen Innovationen schon hervorbringen werde, um eine Transformation hin zu einer durch Emissionsreduktion und Nachhaltigkeit gekennzeichneten Ökonomie zu bewerkstelligen.
Anders als in der Post-Wachstumsökonomie deutet die Gemeinwohlökonomie Wachstum und Umwelt nicht als unlösbaren Konflikt. Beide Zielgrößen könnten „durch eine ethische Transformation der Marktwirtschaft im Sinne einer gemeinwohlverträglichen Wachstumspolitik integriert werden.“ Ähnlich wie von den Vertretern der Post-Wachstumsökonomie wird auch von der Gemeinwohlökonomie eine zunehmende Regionalisierung von Wertschöpfungsketten und die Versorgung über lokale Märkte gefordert.
Das zentrale Anliegen des wohl bekanntesten Vertreters der Gemeinwohlökonomie, Christian Felber, ist es, den rechtlichen und finanziellen Anreizrahmen so zu verändern, dass nicht mehr Gewinnstreben und Konkurrenz das Verhalten bestimmen, sondern Gemeinwohlstreben und Kooperation. Dazu stellt Döring fest: „Auch beim Konzept eines gemeinwohlorientierten Wirtschaftens soll das Problem der Nutzungskonkurrenz um knappe Umweltgüter und der damit einhergehenden unerwünschten Umweltexternalitäten durch den verstärkten Einsatz von kooperativen Planungs- und Lenkungsinstrumenten und nur begrenzt unter Zuhilfenahme der dezentralen Anreizfunktion des Markt- und Wettbewerbsmechanismus gelöst werden.“ Und er merkt kritisch an: „Investitionen durch kollektiv bestimmte Vorschriften zu lenken sowie Gewinn- und Einkommenserzielung als Anreiz für neue Produkte und Produktionsverfahren zu beschränken, dürfte jedoch das Innovationspotenzial einer Volkswirtschaft auch hinsichtlich der Lösung von Umweltproblemen erheblich beschneiden.“ Ebenso wie bei der Post-Wachstumsökonomie kritisiert Döring auch am Konzept der Gemeinwohlökonomie, dass der Markt nur noch eingeschränkt seine Funktion als „wettbewerbliches Entdeckungsverfahren“ wahrnehmen könne.
Die Verfechter des grünen Wachstums (Green Growth) eint die Leitidee, dass nachhaltiges Wachstum durchaus möglich ist, wenn die wirtschaftliche Entwicklung durch ökologische Leitplanken eingebettet wird. „Dabei wird der Förderung von Umweltinnovationen eine zentrale Bedeutung zugeschrieben,“ erläutert Thomas Döring und führt weiter aus: „Dem liegt die – schon früh als Entkopplungsthese bezeichnete – Auffassung zugrunde, dass durch technische und soziale Innovationen bewirkte Substitutionsprozesse und Einsparungen von natürlichen Ressourcen der Zielkonflikt zwischen Wachstum und Umwelt entweder vollständig (absolute Entkopplung) oder zumindest weitgehend (relative Entkopplung) aufgehoben werden kann.“ Verschiedene Studien zeigen in unterschiedlichen Szenarien, dass sowohl eine relative als auch eine absolute Entkopplung möglich sei, wobei die Ergebnisse davon abhängen, „wie künftig ‚marktliche und staatliche Anreize‘ gestaltet sind und ob ‚eine verbesserte staatliche Rahmengesetzgebung‘ ungesetzt werden kann.“
Von den beiden vorangegangen Ansätzen unterscheidet sich der Ansatz des grünen Wachstums vor allem durch die starke Betonung von Umweltinnovationen, die als Motor für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum dienen sollen, so Döring. Die Vertreter von Post-Wachstums- und Gemeinwohlökonomie neigten dazu, „den möglichen Beitrag des technologischen Fortschritts zu einem schonenden Umgang mit knappen Ressourcen zu unterschätzen.“ Eine Wirtschaftspolitik, die auf grünes Wachstum setzt, würde zudem verschieden negative Effekte einer Suffizienz-Strategie vermeiden und den aus ökologischer Sicht erforderlichen Strukturwandel erleichtern, wenn nicht überhaupt erst die Grundlage liefern, „um die notwendigen Transformationsprozesse erfolgreich bewältigen zu können.“
„Gegenwärtig ist allerdings noch offen, ob die laufenden und noch zu erwartenden Entkopplungsprozesse, auf die mit dem Ansatz des grünen Wachstums gesetzt wird, für ein ökologieverträgliches Wirtschaftssystem ausreichen werden“, gibt Döring zu bedenken. Aufgrund dieser Skepsis werde aktuell auch eine „doppelte Entkopplung“ gefordert. Neben technischen Umweltinnovationen sind demnach auch soziale Innovationen, die auf einen Wandel von Lebensstilen und Konsummustern abzielen, zur Auflösung des Zielkonflikts notwendig. „Dabei sollte […] vor allem auf den Marktmechanismus und damit unternehmerisches Handeln in Form nachhaltiger Geschäftsmodelle gesetzt werden, um den privaten Haushalten den Übergang zu umweltschonenderen Konsum- und Verhaltensweisen (z. B. beim Ernährungs- und Mobilitätsverhalten) zu erleichtern.“
Lesen Sie hier ausführlich den Beitrage von Thomas Döring aus der Juli-Ausgabe des Wirtschaftsdienst:
Alternativen zum umweltschädlichen Wachstum, in: Wirtschaftsdienst 7/2019, S. 497-504