Exklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: In Zeiten wachsender Herausforderungen für die öffentlichen Haushalte, die sich aus den Zukunftsaufgaben, wie Alterssicherung, Modernisierung der Infrastruktur, ökologische Transformation oder Klimapolitik ergeben, stellt sich verstärkt die Frage nach deren Finanzierung. Mit Blick auf die Erfolgsgeschichte des norwegischen Staatsfonds wird auch in Deutschland über einen staatlichen Fonds als alternatives Finanzierungsinstrument nachgedacht, um die Bonität des deutschen Staats zu nutzen. Die Vorschläge, aus welchen Mitteln ein solcher Fonds gespeist werden soll, reichen von der öffentlichen Kreditaufnahme über Steuern bis zu privaten Beteiligungen. Im Zeitgespräch der August-Ausgabe des Wirtschaftsdienst diskutieren die Autoren die Möglichkeiten und die Zweckmäßigkeit eines Staatsfonds für Deutschland.
Timm Bönke weist im ersten Beitrag des Zeitgesprächs zunächst darauf hin, dass in der aktuellen Debatte um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands die Gründung von Staatsfonds von deren Befürwortern als geeignete Antwort auf die unterschiedlichsten Probleme gesehen wird. Sei es die Rentendebatte, inklusives Wachstum oder die Frage von Infrastrukturinvestitionen. Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Vorstellungen zum Teil von dem was im klassischen Sinne unter einem Sovereign Wealth Funds verstanden wird, der als spezieller Fonds in öffentlicher Hand definiert ist, „der mit einer makroökonomischen Zielsetzung gehalten, gemanagt oder verwaltet wird, um finanzielle Ziele zu erreichen“, so Bönke, wobei „zumindest ein Teil des Vermögens im Ausland angelegt ist“ und der Fonds keinen expliziten Verbindlichkeiten unterliegt. Die verschiedenen Vorschläge zu einem deutschen Staatsfonds grenzt Bönke nach deren Zielsetzung wie folgt von einander ab:
- Pensionsfonds, um „eine starke kapitalgedeckte Komponente neben dem umlagefinanzierten gesetzlichen Rentensystem zu etablieren“. Ein solcher Fonds könnte Vermögen anhäufen, um in Zukunft eine kapitalgedeckte Zusatzrente zu finanzieren.
- Rücklagen- und Sparfonds, um heutiges Vermögen zum Wohle kommender Generationen in die Zukunft zu transferieren. Ein solcher Fonds würde sein Vermögen nicht oder nur in geringem Umfang ausgeschüttet.
- Direkte Ausschüttungsfonds, um mit regelmäßigen monetären Transfers an die Bevölkerung einen Beitrag für ein inklusiveres Wachstum zu leisten. Der gesamten Gesellschaft soll die Teilhabe an hohen Kapitalmarktrenditen ermöglicht werden.
- Entwicklungs- Infrastruktur- und Investitionsfonds, um Kapital für Innovationen und eine funktionierende Infrastruktur zu mobilisieren. Es sollen unter anderem das Wachstum, ein sozialverträglicher Strukturwandel und die heimische Wirtschaft gefördert werden.
Orientiert man sich bei den Erfolgskriterien für einen Staatsfonds, nämlich seine Verwaltung und Anlagestrategie, am Beispiel des norwegischen Staatsfonds, der sich „durch eine regierungsunabhängige Organisation, ein international diversifiziertes Portfolio aus Minderheitsbeteiligungen, dem Verbot von Inlandsinvestitionen und ethische Investitionsrichtlinien“ auszeichnet, wäre im Hinblick auf die Förderung von Infrastrukturprojekten, aber auch der Alterssicherung ein Staatsfonds nicht die erste Wahl, argumentiert Bönke. Er resümiert: „Möchte man den Schatz der Bonität heben und für zukünftige Generationen sichern, wäre ein Spar- oder Rücklagenfonds die beste Staatsfondslösung, um gezielt einen Vermögensstock aufzubauen und sich politische Handlungsspielräume für die Zukunft zu erhalten.“
David Löw Beer, Claus Leggewie, Teresa Schlüter und Hans-Joachim Schellnhuber diskutieren die Möglichkeiten eines Staatsfonds vor dem Hintergrund der Kosten, die mit dem Erreichen der international vereinbarten Klimaziele verbunden sind. Dabei schlagen sie einen Zukunftsfonds als „sozial-marktwirtschaftlichen Weg zur erforderlichen Dekarbonisierung“ vor. Der Fonds solle drei Aspekte verbinden: eine „sozial und ökologisch nachhaltige“ Finanzierung, die Verwendung der Mittel anhand der „Prioritäten einer Nachhaltigkeitswende“ und den Einsatz „möglicher Renditen für einen sozialen Ausgleich im Übergangsprozess“. Finanziert wird der Fonds durch eine CO2-Steuer und den Emissionshandel, sowie durch eine Nachlasssteuer. Mit letzterer wird das Ziel verfolgt, auch historisch akkumulierte Emissionen zu bepreisen. Während die Mittel aus der CO2-Steuer für den Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur genutzt werden, sollen die Einnahmen aus der Nachlasssteuer in einen „transformativen Staatsfonds“ fließen, der seine Mittel langfristig auf der Grundlage von Nachhaltigkeitskriterien und-bewertungen anlegt. Der Zukunftsfonds ist als „öffentliches Finanzierungsinstrument außerhalb des Staatshaushaltes“ gedacht, der professionell gemanagt werden muss. Eine Ansiedlung bei der KfW erscheine daher sinnvoll. Mittelfristig sollte aber ein europäischer Zukunftsfonds angestrebt werden.
Auch Tom Krebs fordert einen staatlichen Zukunftsfonds, um die sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft erfolgreich zu gestalten. Krebs erwartet, dass ein staatlicher Zukunftsfonds Quantität und Qualität öffentlicher Investitionen und Dienstleistungen deutschlandweit steigern könnte. „Der hier vorgeschlagene Zukunftsfonds ist eine öffentliche Beteiligungsgesellschaft, die kommunale Unternehmen – z. B. öffentliche Wohnungs- und Verkehrsunternehmen – bei der Stärkung der Eigenkapitalbasis unterstützt. Zudem kann der Zukunftsfonds die Gründung neuer kommunaler Unternehmen finanziell und organisatorisch begleiten. Es handelt sich um eine öffentlich-öffentliche Partnerschaft zur Stärkung der kommunalen Unternehmen in Deutschland“, führt Tom Krebs aus und schlägt als Rechtsform eine Körperschaft des öffentlichen Rechts vor, dessen Aufsichtsrat von Bund, Ländern, Kommunen, Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Fachverbänden besetzt wird. Finanziert werden sollte dieser Zukunftsfonds aus Mitteln des Bundes und über die Ausgabe von „Bürgeraktien“. Für Krebs ist ein Staatsfonds aus makroökonomischer Sicht ein Mittel, um Steuereinnahmen des Bundes und private Ersparnisse für kommunale Investitionen zu mobilisieren. Entscheidende Vorteile eines solchen Fonds sieht er in einer effizienten Kapitalakkumulation, einem erhöhten Investitionsvolumen und der Signalwirkung, die von dem Fonds ausgehen könnte. „Der Klimawandel stellt die Welt vor große Herausforderungen und macht eine ökologische Transformation der Gesellschaft unausweichlich. Deutschland kann hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Doch die notwendige ökologische Transformation wird nur erfolgreich sein, wenn sie mehr soziale Gerechtigkeit schafft“, lautet das abschließende Plädoyer von Tom Krebs.
Clemens Fuest sieht den Grund für die Diskussion über die Schaffung eines Staatsfonds in Deutschland „in der Kombination aus dem seit mittlerweile Jahrzehnten anhaltenden Trend zu sinkenden Zinsen, der besonders hohen Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen und der sinkendenden Staatsschuldenquote Deutschlands“. Angesichts eines Zinses auf langfristige deutsche Staatsanleihen in Höhe von Null stelle sich die Frage, ob dieser Weg des fortgesetzten Schuldenabbaus unter den gegenwärtigen Bedingungen die optimale Politik darstelle. Die Idee eines deutschen Staatsfonds bestehe darin, die deutsche Staatsverschuldung auszudehnen und die zusätzlich aufgenommenen Mittel international diversifiziert in Aktien, Immobilien und Anleihen anzulegen. Mit den erzielten Erträgen ließe sich für alle Bürger eine zusätzliche Säule der Alterssicherung schaffen. Neben einer Reihe kritischer Punkte, die es dabei zu beachten gilt, nennt Fuest als wichtigsten Einwand gegen die Errichtung eines Staatsfonds, „dass die Mittel des Fonds Begehrlichkeiten auslösen könnten und politische Entscheidungen fallen, mit denen diese Mittel zweckentfremdet und für laufende Staatsausgaben eingesetzt werden“. Daher schlägt er einen „Bürgerfonds“ vor, der von der Bundesbank verwaltet wird und bei dem jeder Bürger ein individuelles Konto erhält. Es sei von zentraler Bedeutung, dass die institutionelle Architektur des Fonds hinreichenden Schutz vor einer Zweckentfremdung biete. „Wenn das gelingt, bietet das Konzept eines deutschen Bürgerfonds die Chance, die aktuelle Zinssituation im Interesse der gesamten Bevölkerung zu nutzen“, schreibt Fuest.
Jens Boysen-Hogrefe und Salomon Fiedler gehen in ihrem abschließenden Beitrag der Frage nach, inwieweit die geltenden Fiskalregeln der Schaffung eines kreditfinanzierten Staatsfonds entgegenstehen. Dabei stellen sie zunächst fest, dass die im Fiskalvertrag festgeschriebene Beschränkung des strukturellen Finanzierungssaldos, ebenso wie die Schuldenbremse, den Spielraum für den Aufbau eines Staatsfonds nicht wirklich einschränken. Lediglich die Verschuldungsgrenze des Maastrichtvertrags sei eine bindende Restriktion. Da aber in den kommenden Jahren mit einem deutlich sinkenden Bruttoschuldenstand zu rechnen sei, ist auch dieses Kriterium grundsätzlich kein Hindernis. Problematisch sehen die Autoren allerdings die Wirkungen von Finanzmarktschwankungen, die sich über volatile Einnahmen und Bewertungsveränderungen im öffentlichen Finanzierungssaldo niederschlagen können. „Eine verlässliche Ergänzung der Rente ist somit mit einem Staatsfonds nur bedingt zu erzielen“, schreiben die beiden Autoren, „[e]ntweder müssten also doch die Fiskalregeln dahingehend geändert werden, Einnahmen und Ausgaben eines solchen Fonds gesondert zu behandeln, oder die Schwankungen an den Aktien- und Anleihemärkten müssten an die Rentner weitergegeben werden.“ Schließlich sei noch zu bedenken, dass sich auch der Bruttoschuldenstand sprunghaft entwickeln könne, wie die Finanzkrise von 2008/2009 gezeigt hat. Sofern der Aufbau eines Staatsfonds entlang der 60 %-Marke geschehen solle, wäre die Frage zu beantworten, wie mit diesen Arten von Unsicherheit umzugehen sei.
Lesen Sie hier ausführlich die fünf Beiträge des aktuellen Zeitgesprächs der August-Ausgabe des Wirtschaftsdienst:
Ein Zukunftsfonds für Deutschland?, in: Wirtschaftsdienst 8/2019 (mit folgenden Beiträgen: „Staatsfonds: Systematisierung, internationale Beispiele und Lehren“ von für Deutschland von Timm Bönke; „Ein Zukunftsfonds für die Nachhaltigkeitswende“ von David Löw Beer, Claus Leggewie, Teresa Schlüter und Hans-Joachim Schellnhuber; „Staatlicher Zukunftsfonds für eine erfolgreiche sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft“ von Tom Krebs; „Staatsfonds als Chance“ von Clemens Fuest; „Fiskalregeln stehen einem Staatsfonds grundsätzlich nicht im Weg“ von Jens Boysen-Hogrefe und Salomon Fiedler)