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Vorstandschefs, hört auf die Investoren!

 

Liebe Vorstandschefs von BASF, Eon, DaimlerChrysler und Co.,

hört bitte ab sofort auf Eure Investoren, wenn Ihr es nicht schon längst tut. Es mag nervig sein, immer den Fondsmanagern lauschen zu müssen, die sich sowieso nach weniger als einem Jahr von Euren Aktien wieder verabschieden. Ich weiß. Und ich hab Euch auch schon oft dafür bedauert . Aber heute ändere ich meine Meinung. Die Fondsmanager sind ausnahmsweise voll gut drauf. Sie verlangen nämlich, dass Ihr endlich wieder investiert. Zum ersten Mal seit ganzen 15 Monaten verlangt die Mehrheit der globalen Fondsmanager nicht mehr, dass Ihr Eure freien Mittel für Aktienrückkäufe oder höhere Dividenden verwenden sollt. Damit löst sich eines der größten Probleme der jüngsten Zeit zwischen der Sphäre der Geld- und der Realwirtschaft. Also, seid folgsam!

Im Ernst: Das Ergebnis der weltweit bedeutenden Fondsmanagerumfrage im November könnte den Wendepunkt in der „Post-Bubble-Ära“ markieren. Es sieht ganz so aus, als ob der Kapitalismus wieder normal funktionieren könnte, die Phase der Unterinvestitionen sich dem Ende nähert – und damit auch die Phase der zu hohen Gewinne.

Die Umfrage wird im Auftrag von Merrill Lynch, einer der vier größten amerikanischen Investmentbanken, monatlich bei rund 300 Fondsmanagern auf der ganzen Welt erhoben. Gemeinsam verwalten diese 300 Befragten rund eine Billion Dollar, oder Tausend Milliarden. Das ist rund die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes der Bundesrepublik.

Seit September 2002 gibt es die Frage, was die Unternehmen mit ihren flüssigen Mitteln tun sollen. Und noch nie haben 49 Prozent der befragten Großanleger sich für Investitionen stark gemacht. Im Gegenteil: Der schleichende Crash an den Aktienmärkten, der 11. September 2001, der Irakkrieg, die Hausse des Ölpreises, die globalen Ungleichgewichte, all das hat die Finanzmarktprofis immer unsicherer werden lassen. Erst verlangten sie zu Recht, dass die Bilanzen in Ordnung gebracht werden müssen. Nur so konnten sie sicherstellen, dass ihre Aktiengesellschaften, die allesamt in der Hausse zu viele Schulden aufgenommen hatten, nicht pleite gingen. Seit knapp zwei Jahren ist diese Phase abgeschlossen. Da es aber in der Weltwirtschaft noch immer zu viele Risiken gab, wurde eine defensive Vorgehensweise verlangt. Seit August vergangenen Jahres stand die Option „Geld zurück“ ganz oben auf der Agenda, sprich Aktienrückkäufe und höhere Dividenden.

Im Oktober diesen Jahres sagten schon 43 Prozent der Befragten, sie wollten mehr Investitionen sehen. Dem standen immer noch 43 Prozent gegenüber, die für „Geld zurück“ votierten. Das hat sich im November geändert. Jetzt steht es 49:37.

Woher kommt der Wandel?

Zum einen schwimmen die Unternehmen nach wie vor im Geld. Rolf Elgeti, der Aktienstratege für Euroland der holländischen Großbank ABN Amro, hat vergangenen Woche folgende Rechnung aufgemacht: Die von den europäischen Aktiengesellschaften generierten freien Mittel, im Jargon „cash flow“ genannt, seien so hoch, dass sie ausreichten, um nach zwei Jahren sämtliche europäischen Kapitalgesellschaften vollkommen zu entschulden. Wahnsinn. Wenn das passierte, wäre eine Depression fast unausweichlich. Die Citigroup hat unlängst ausgerechnet, dass die Schulden der globalen Aktiengesellschaften nur noch 20 Prozent gemessen am Umsatz ausmachen. Das sei der niedrigste Stand seit 16 Jahren.

Zum anderen werden die Großinvestoren wieder optimistischer. Irgendwie bricht die Weltwirtschaft doch nicht so schnell zusammen wie erwartet. Weder hat der rasante Ölpreisanstieg das globale Wachstum abgewürgt, genauso wenig wie die stetigen Zinserhöhungen der amerikanischen Fed, die ausgehend von einem Prozent im Juni vergangenen Jahres auf inzwischen schon vier Prozent gestiegen sind, noch hat das immer weiter aufgeblähte Leistungsbilanzdefizit der USA der Weltwirtschaft großen Schaden zugefügt – im Gegenteil.

Deshalb schalten die Investoren gerade wieder auf „Normal“ um. Und normal im Kapitalismus ist es nun mal für Unternehmen zu wachsen und Schulden zu machen – jedes Jahr mehr.

Dieser Sinneswandel ist natürlich absolut positiv für die Realwirtschaft. Denn nur wenn investiert wird, entstehen wieder Jobs. Nur wenn investiert wird, bekommt auch die Arbeit wieder mehr vom Kuchen ab. Und nur, wenn die Unternehmen investieren gewinne ich meine Wachstumswette.

Ist der Sinneswandel auch positiv für die Aktionäre? Sie haben immerhin in den vergangenen Jahren erheblich von den Aktienrückkäufen und Dividendenerhöhungen profitiert. Ja, meint zumindest Rolf Elgeti. Das Gros der Firmen habe derzeit ungünstige Bilanzrelationen: Viel zu viel teures Eigenkapital und viel zu wenig billiges Fremdkapital. Deshalb könnten sinnvolle Investitionen auch kurzfristig dem Aktienkurs gut tun. Langfristig tun sie es allemal.