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Abwertungswettlauf via Lohnstückkosten

 

Mit folgendem Beitrag möchte ich Herrn Lindner etwas ausführlicher auf seine Frage antworten, ob die Löhne in Deutschland nicht wieder steigen müssen. Ja, das müssen sie unbedingt. Hält die Lohnzurückhaltung an, die ja in vielen Fällen eine reale, wenn nicht sogar nominale Senkung ist, dann destabilisieren wir nicht nur unsere Volkswirtschaft, sondern die europäische gleich mit.

Warum? In einer Währungsunion übernehmen die Lohnstückkosten die Rolle des Wechselkurses. Wenn Deutschland wie in den vergangenen Jahren seine Position durch Lohnzurückhaltung verbessert, entspricht das einer Abwertung innerhalb der Währungsunion. Deutsche Produkte werden günstiger, französische oder italienische teuerer. Über diese forcierte Abwertung ist es Deutschland gelungen, Exportweltmeister zu werden. Selbst die Bibel der Kapitalisten, der britischen Economist hat unlängst das „Lohnkostenwunder“ gelobt. Dieses Wunder ist schön für die Unternehmen und für den Standort. Es hat dem Ruf Deutschlands in der Welt gut getan, kein Zusammentreffen mit internationalen Kapitalisten, auf dem nicht darüber gesprochen wird.

Aber: Wir dürfen es nicht übertreiben. Sonst zwingen wir die Arbeiter und Angestellten in Frankreich, Italien und Spanien, es den hier Arbeitenden gleich zu tun und ebenfalls Lohnzurückhaltung zu üben. Denn welcher Unternehmer wird dann nicht mit dem Finger auf Deutschland zeigen und sagen: „Seht her, wie günstig die deutschen Löhne sind. Entweder wie verlagern unsere Produktion nach Deutschland, oder ihr akzeptiert Lohnsenkungen“? Kommt es soweit, hat niemand in Euroland mehr Geld, dann kauft auch niemand mehr unsere Produkte, dann schlittert die Währungsunion in die Konsumrezession – ausgelöst durch einen Abwertungswettlauf bei den Löhnen. Das ist das Horrorszenario.

Das Argument, die deutsche Arbeitstunde in der westdeutschen Industrie sei mit 27,60 Euro die teuerste der Welt zieht nicht. Es kommt immer auf den Lohn im Verhältnis zur Produktivität an – und da ergibt sich ein anderes Bild. Selbst die furchteinflößenden osteuropäischen Staaten sehen wie zahme Tiger aus, wenn man auf die Lohnstückkosten schaut. Tschechische Löhne werden dann auf einmal teurer als deutsche! Die folgende Grafik bekommen die ökonomisch gebildeten Finanzinvestoren gezeigt. Rolf Elgeti, Aktienstratege im Dienst der holländischen Großbank ABN Amro zieht mit dieser Grafik durch die Lande. Er erklärt damit den professionellen Verwaltern von Milliarden Euro schweren Fonds, wie es um die Wettbewerbsfähigkeit in der Industrie wirklich bestellt ist und warum deutsche Aktien keine schlechte Wette sind.

Lohnstückkosten

Quelle: ABN Amro

In der deutschen Öffentlichkeit wird dagegen lieber mit der nächsten Grafik argumentiert. Nur aus ihr lässt sich der ökonomisch unsinnige Appell ablesen: Löhne runter!

Arbeitskosten

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Deshalb mein Appell an die neue Regierung: Geht mit gutem Beispiel voran und erhöht die Löhne der Staatsbediensteten. Lasst die Finger vom Weihnachtsgeld! Niemand kann die Unternehmen zwingen höhere Löhne zu zahlen, solange die Gewerkschaften so zahm sind. Das einzige was verantwortliche Ökonomen und Politiker tun können, ist auf diese Zusammenhänge hinzuweisen und argumentativ den Boden für höhere Löhne bereiten. Es muss gelingen, den Trend der Lohnzurückhaltung zu brechen. Denn eins ist klar: Der Abwertungswettlauf in Europa kennt am Ende nur Verlierer.