Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Zehn Wetten für 2011

 

Mein Haupt noch etwas aschig, saßen wir drei Hirten – Lucas, Dieter und ich – also zusammen und schritten zur Tat für das neue Jahr. Unser Top-Thema, das uns einige Biere Zeit kostete, war die Euro-Krise und deren Fortgang. Wir wunderten uns sehr über die deutsche Exportlobby, die sich beim Verkaufen der Vorteile des Euro richtig dämlich anstellt, oder gar nicht zu vernehmen ist. Wo ist der BDI, wo die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft? Konnten sie uns doch locker erklären, warum die Löhne in Deutschland sinken mussten. Jetzt, wo es den Deutschen zu erklären gilt, warum der Euro im besten Interesse dieses Landes ist (und natürlich im allerbesten der Exporteure), da schwächeln sie oder gießen mit ihren Haircut-Ideen sogar noch Öl ins Feuer. Dennoch glauben wir, dass der Euro Ende 2011 noch existieren wird, röchelnd!

Der Masterplan zur Rettung der Eurozone, zur Installierung einer funktionierenden Fiskalunion wird nicht erfunden. Es bleibt bei ad hoc-Maßnahmen, Krisengipfeln und dem ganzen Krampf von 2010. Wir glauben, es wird noch weitere Rettungsinstrumente geben, neben dem Schirm, der vielleicht aufgestockt wird. Es wird eine Art Euro-Anleihe kommen und andere indirekte fiskalische Subventionen für die wankenden Länder.

Richtig gestritten haben wir um die Notwendigkeit sowie die Ausgestaltung des Haircuts, also der Beteiligung der Gläubiger an der Rettung von Griechenland, Portugal und Co. Lucas bestand zunächst auf der direkten Beteiligung der Banken und Versicherer, Hedgefonds und anderen Investoren. Nur so lasse sich die dringend notwendige Schrumpfung des aufgeblähten Finanzsektors einleiten, meinte er. Ich widersprach. Zur Schrumpfung des Finanzsektors gebe es effizientere Mittel, etwa deutlich höhere Eigenkapitalanforderungen. Bei echten Haircuts, so mein Einwand, fliegt uns der Euro um die Ohren, ist die Währungsunion Geschichte. Denn gefühlte 80 Prozent der Staatsanleihen der Wackelkandidaten liegen in Anlagebüchern zu 100 Prozent. Dann sprach Dieter den Schlichterspruch: Es kommt zur Beteiligung der Gläubiger, aber zu einer sanften, nicht schrumpfenden: Die Laufzeit der Anleihen wird verlängert, der Zinsdienst reduziert. Das ist zwar auch ein Default, aber eben einer, der uns nicht anschließend die Banken wieder retten lässt. Das ist unsere erste Wette: Es kommt zu einer Beteiligung der Gläubiger an den Rettungskosten für Griechenland und Irland.

Da der Dollar mit seinem Quantitativen Lockerungsbemühungen keineswegs hübscher als der kriselnde Euro ausschaut, haben wir eine naive Wette, die zweite, für das Währungspärchen Euro/Dollar: 1,33 Dollar je Euro, so wie der Stand am letzten Tag des Jahres war. Der chinesische Yuan wird auch im neuen Jahr nicht frei schwanken. Wir tippen, dass er um weitere drei Prozent gegenüber dem Dollar aufwerten wird.

Die dritte Wette: Die Europäische Zentralbank wird auch 2011 ihren Leitzins bei einem Prozent belassen und das bisschen Exit wie im vergangenen Jahr durch das Hochziehen des Tagesgeldsatzes in Richtung ein Prozent bewerkstelligen.

Die vierte Wette: Das Wachstum in Deutschland wird sich auf 2,8 Prozent belaufen. Deutschland profitiert von den niedrigen Realzinsen, die für die Eurozone als Ganzes zwar angemessen sind, nicht aber für das stark wachsende Deutschland. Die Weltwirtschaft wächst und Deutschland exportiert. Zwar erlebt die Peripherie Eurolands 2011 eine Rezession, doch Griechenland, Irland, Portugal und Spanien bringen es zusammen nur auf 18 Prozent am BIP Eurolands, sodass Euroland insgesamt noch immer um zwei Prozent wachsen sollte. Für die Weltwirtschaft erwarten wir ein Plus von 4,2 Prozent (das sind 0,6 Prozentpunkte weniger als 2010). Dabei kommen die OECD-Länder um 2,2 Prozent voran, die Schwellenländer um 6,5 Prozent (Indien acht, China 9,5, Brasilien sechs und Russland fünf Prozent).

Die fünfte Wette: Es wird 2011 zu einer Korrektur bei den Rohstoffpreisen von Öl über Gold bis Kupfer kommen. Wir erwarten einen Rückgang im Schnitt um 25 Prozent! Aus unserer Sicht haben die Kurse mit der Angebotssituation nichts mehr zu tun. Es ist zwar richtig, dass die Nachfrage steigt, aber die Förderkapazitäten sind ausgebaut worden. Das sollten die Spekulanten eher früher als später merken.

Die sechste Wette: Und weil das so ist, dass die Rohstoffpreise runter kommen werden, wird sich auch die Inflation im Zaum halten lassen. Wir tippen auf 1,5 Prozent für Deutschland, wobei die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) leicht anziehen dürfte.

Für den Anleihemarkt erwarten wir ausnahmsweise mal ein Jahr mit Verlusten. Die Zehnjahresrendite der Bundesanleihen wird auf 3,5 Prozent anziehen (von gegenwärtig 2,97 Prozent). Das ist die siebte Wette. Warum? Weil es Staatsanleihen 2011 schwer haben werden, in Euroland, aber auch in den USA. Es wird das Jahr über zu einer Umschichtung von Staatsanleihen in Aktien kommen. Und da Bunds sich nie von den T-Bonds lösen können, werden auch Bunds unter den schwachen T-Bonds leiden.

Für den Dax dagegen erwarten wir ein neues Hoch bei 8350 Zähler im Verlauf des Jahres. Das ist unsere achte Wette. Der Optimismus ergibt sich schlüssig aus all unseren Annahmen bis hierher, das mussten auch Lucas und ich akzeptieren. Doch unser Bauch, unser Gefühl, revoltierte und legte Widerspruch ein. Das soll nur festgehalten werden, es ändert nichts an der Wette.

Wette Nummer neun: Der neue EZB-Präsident wird ein Deutscher, aber es wird nicht der Favorit der Bundesregierung Axel Weber. Der Bundesbankpräsident hat sich mit seiner Opposition zu Anleihekäufen in den übrigen europäischen Hauptstädten unbeliebt gemacht. Ihm wird fachlich viel zugetraut, nicht aber für Konsens unter 17 nationalen Notenbankpräsidenten und fünf Direktoriumsmitgliedern zu sorgen. Deshalb lautet unsere Wette auf Klaus Regling, den Chef des Europäischen Rettungsschirm.

Wette Nummer zehn: Die schwarz-gelbe Koalition übersteht das Jahr nicht. Die herben Verluste bei den Landtagswahlen für die FDP sowie ihre Fundamental-Opposition gegen weitere Schritte zur Rettung des Euros besiegeln das Aus. Angela Merkel ergreift das Angebot von Frank-Walter Steinmeier und Siegmar Gabriel und formt die nächste große Koalition. Es wird die Koalition der Vernunft, die dem Euro Nothilfe gewährt, damit er zum Jahresende noch röchelt, wie wir es oben einleitend angenommen haben.

Ihnen, verehrten Lesern und Kommentatorinnen des Blog HERDENTRIEB, wünschen wir ein glückliches und spannendes Jahr 2011 – ganz ohne Röcheln!

Ihr Hirte Robert von Heusinger