Es gibt Volkwirte, die Zahlenreihen quälen, und es gibt Volkswirte, die Geschichten erzählen. Norbert Walter, Chef von Deutsche Bank Research, gehört zu letzteren. Und ich muss sagen, ich habe für diese Art Volkwirte Sympathie, auch wenn sie mit ihren Vorhersagen nicht besser liegen als die Numbercruncher. Aber was heißt hier schon besser liegen? Der Kapitalismus ist ein Ungetüm und seine Entwicklung von so vielen Variablen abhängig, dass punktgenaue Prognosen verboten werden sollten. Sie suggerieren eine wissenschaftliche Exaktheit, die es in einem dynamischen System so nicht geben kann.
Deshalb ärgert mich auch die gerade laufende Debatte um das Defizitverfahren gegen Deutschland. Läuft die Konjunktur nächstes Jahr gut, dann schafft Deutschland die unsinnigen Maastrichtkriterien. Wenn nicht, dann verfehlt es sie halt zum fünften Mal in Folge. So what? Die deutsche Wirtschaft macht gerade eine Anpassungskrise durch, wie ich im letzten Beitrag (Eine Träne für den Rheinischen Kapitalismus) versucht habe zu beschreiben. Wenn sie rum ist, ist das Staatsdefizit kein Thema mehr!
Und mit Norbert Walter schlägt sich erstmals ein Schwergewicht der deutschen Szene auf die Seite meiner Wette: Walter erwartet nächstes Jahr 1,5 bis 2 Prozent mehr Wachstum, wie er mir heute Morgen verraten hat: Das ist die erste Prognose, die ich kenne, die bis zu zwei Prozent reicht. Die erste ZWEI! Wenn’s so kommt, dann erfüllt Deutschland die 3-Prozent-Hürde.
Norbert Walter argumentiert in seiner Analyse gänzlich anders als ich. Er setzt auf den Konsum als Wachstumsüberraschung. Hier seine Prognose, etwas detaillierter: Exporte „plus fünf Prozent“; Investitionen „plus fünf Prozent und privater Verbrauch „ein Prozent plus X“ Das ist seine Wildcard.
Für 2007 ist Walter wieder im Pessimistencamp: 0,5 bis 1 Prozent Wachstum, lautete seine aktuelle Schätzung. Warum? Die Mehrwertsteuererhöhung lässt den privaten Verbrauch abstürzen und der zeitgleich drohende Dollar-Absturz macht die Exporthoffnungen zu Nichte.