Der Mindestlohn, der einheitliche und gesetzliche, ist das beste, was dem deutschen Arbeitsmarkt passieren kann. Dann klebt endlich auch in Deutschland ein Preisschild auf dem geringsten Lohn, den ein Arbeitgeber zahlen muss. Dann wissen Rumänen, Bulgaren und wer sich sonst zu Niedrigstlöhnen hierzulande verdingen muss, auf welchen Stundensatz sie mindestens Anspruch haben. Deshalb könnte man eigentlich frohen Mutes sein, dass es die SPD in die Koalitionsgespräche geschafft hat.
Eigentlich. Denn der Teufel steckt in dem nicht unwesentlichen Detail. Und das lautet 8,50 Euro.
Damit haben die Sozialdemokraten Wahlkampf gemacht, so lange tat das nicht weh. Doch jetzt wollen sie die Höhe allen Ernstes durchsetzen. Und wie ich unsere Kanzlerin kenne, wird sie den Irrsinn mitmachen. Für’n Horst Seehofer die Maut und für’n Sigmar Gabriel die 8,50 Euro.
Doch das wäre fatal, denn die Wahrscheinlichkeit, dass der Mindestlohn mit 8,50 Euro ein Erfolg wird, ist äußerst gering. Im Westen könnte das Experiment gelingen, im Osten wird es scheitern. Ich fürchte, dass der Mindestlohn, der in der deutschen Ökonomenzunft so gut wie keine Anhänger hat, schnell wieder verschwinden wird, wenn er sich als Jobkiller erweisen sollte, wie ich heute in der Berliner Zeitung schreibe.
Und mit 8,50 Euro dürfte er Jobs kosten. Ich verstehe die SPD nicht. Jetzt hat Deutschland mehr als ein Jahrzehnt Hartz IV ohne Mindestlohn erdulden müssen, warum muss es nun der politische Preis von 8,50 Euro sein? Weil das ein fairer Lohn ist? Dass ich nicht lache. Auch 8,50 Euro ist verdammt wenig und reicht nicht für ein gutes Leben.
Beim Mindestlohn geht es nicht um einen fairen Lohn. Er soll dort, wo es Ausbeutung geben kann, nämlich vor allem bei den Unqualifizierten, einen Schutz gewähren.
Was noch schlimmer ist als die Gefahr, dass der Mindestlohn sich als Flop erweisen könnte, ist das Desaster, das er in Ostdeutschland anrichten dürfte. Zwischen einem Drittel und einem Viertel aller ostdeutschen Arbeitsplätze werden zum Teil deutlich schlechter entlohnt. Das mag man als Skandal bezeichnen, ist aber leider Realität. Was passiert, wenn die Löhne über Nacht für ein Drittel der Beschäftigten signifikant steigen? Richtig: Es wird ein Schock für die Wirtschaft. Das Ergebnis wird schlecht ausfallen. Es wird zu noch höherer Arbeitslosigkeit und Rezession kommen.
Warum schreien die Ossis nicht auf? Haben sie den Unsinn mit dem Umtauschkurs Ost- zu Westmarkt schon vergessen? Er lag viel zu hoch und hat die Ostindustrie ruiniert. Genauso desaströs waren übrigens die ersten Lohnverhandlungen in Ostdeutschland, als auf beiden Seiten Wessis saßen, die sich Konkurrenz vom Leibe halten wollten – und deshalb viel zu hohe Löhne vereinbart hatten. Und jetzt soll die ostdeutsche Wirtschaft das dritte Mal unter der falschen Wirtschaftspolitik der Wessis leiden?
Deshalb, verehrte Ostabgeordnete, Ostminister und Ostministerpräsidenten wehrt Euch! Erhebt Eure Stimme und sagt Nein zu 8,50 Euro.
Verlangt eine Kommission aus Wissenschaftlern, Gewerkschaftern und Arbeitgebern, die die Höhe festlegen sollen. So wie in England, das einen in der Wissenschaft sehr gelobten Mindestlohn kennt. Jedes Jahr kann der Mindestlohn angehoben werden, solange bis seine positiven Effekte (höhere Kaufkraft) die negativen (höhere Arbeitslosigkeit) übersteigen. Das kann in ein paar Jahren viel mehr als 8,50 Euro sein. Dann, wenn sich die Wirtschaft an die steigenden Löhne im Niedriglohnsektor gewöhnt hat.
Die Zeit drängt, liebe Ossis!
Grüße vom Wossi