Wolfgang Schäuble und Guido Westerwelle erleben beide ihren dritten, nein vermutlich siebten Frühling. Die beiden wichtigsten Minister der vergangenen Regierung lassen keine Sekunde lang den Eindruck aufkommen, die Regierungen anderer europäischer Staaten könnten, während in Berlin eine neue Regierung erst noch vom Parlament formal beauftragt werden muss, selber entscheiden, was zu tun ist. Westerwelle hält sich in Kiew auf, ermuntert die Opposition auf dem Maidan-Platz und warnt die ukrainische Regierung davor, die Demonstranten so zu behandeln wie die hessische Regierung jene in Frankfurt. Er droht dem ukrainischen Präsidenten und schilt den russischen. Dass speziell er beim deutschen Wählerpublikum durchgefallen ist, scheint seine Rede- und Tatendrang noch zu beflügeln.
Auch Schäuble bestätigt uns und der Welt, dass es keinerlei Unterbrechung im deutschen Herrschaftsapparat gibt. Er stürzt sich ins Getümmel der politischen Auseinandersetzung. Er tadelt Jürgen Fitschen, weil dieser weniger strenge Bankenregulierung gewünscht hatte. Diese Art Tadel ist von ganz anderer Art als die des ausgemusterten Westerwelle. Erfahrungsgemäß geht ein verbaler Krach mit den Banken einem Geschenk an sie voraus. Was könnte es dieses Mal sein? Herr Schäuble hat, so ist dem Handelsblatt zu entnehmen, die Herren Dijsselbloem (Euro-Gruppen-Chef, niederländischer Finanzminister und Freund deutscher Regierungspolitik), Moscovici (Finanzminister in Frankreich), Asmussen (früher Interessenvertreter der Finanzbranche in der Bundesregierung, heute Außenminister der EZB) und Barnier (Finanz- und Binnenmarkt-Kommissar in Brüssel) am gestrigen Freitag nach Berlin geladen, um das Thema Bankenunion vorzuentscheiden.
Ein paar Tage später – am Dienstag – findet das reguläre Finanzministertreffen zum selben Thema in Brüssel statt. Die Banker haben Herrn Schäuble (sowie seine unmittelbare Vorgesetzte und das gesamte Finanzministerium) längst davon überzeugt, dass das Bankensystem der EU nicht überleben wird ohne einen signifikanten Beitrag vom deutschen, dem fettesten Staatshaushalt in Europa. Das war nicht schwer, weil es wahr ist. Frau Merkel hat bekanntlich der Bankenunion im Prinzip im Sommer vorigen Jahres bereits zugestimmt. Aus der Sicht deutscher Banken gilt es nun eine Lösung zu finden, die nicht nur die Existenz der europäischen Banken sichert sondern auch den deutschen Banken den Sondervorteil niedriger Kapitalmarktzinsen, den sie seit Ausbruch der Eurokrise genießen. Aus ihrer und Schäubles eigener Sicht gilt es außerdem, das Renommee zu erhalten, das der ältere Herr beim Steuer zahlenden Wahlvolk rätselhafterweise noch immer genießt. Drei Ziele, die schwer unter einen Hut zu bringen sind.
Hier mein genialer Vorschlag: Die bei der Bankenunion umstrittene Frage, wer entscheidet, ob und mit wie viel Geld eine Bank in Euroland gerettet werden soll, wird dem oben genannten, von Schäuble nach Berlin zitierten Kreis übertragen. Der Vorteil: zwei Fünftel des Gremiums sind Deutsche, drei Fünftel sind Freunde deutscher Politik, zwei Fünftel sind Franzosen, und die EU-Kommission ist auch vertreten.
(Dieser Blog-Beitrag ist ebenfalls in der Samstags-Ausgabe der Jungen Welt erschienen.)