Der Oktober hat mit einem neuen Rekord beim Dow Jones begonnen. Gestern übertraf der älteste und berühmteste Aktienindex der Welt seine alte Bestmarke vom 14. Januar 2000. Ja, die Höchststände von damals, als sich die Anleger noch im New Economy Rausch befunden haben. War die anschließende Baisse gar nicht nötig, waren die Übertreibungen gar nicht so schlimm? Diese Fragen beantworte ich in meinem neuesten Artikel in der ZEIT.
Interessant finde ich vor allem, dass der neue Rekord im Oktober aufgestellt worden ist. Ist nicht Oktober traditionell der Schreckensmonat der Anleger? Ja, das ist er. Und deshalb rate ich auch zur Vorsicht. Ein kleines Beben im Oktober halte ich für äußerst wahrscheinlich. Und das aus drei Gründen:
1. Weil es immer so ist. Eine recht frische Studie von Goldman Sachs vom 18. September untersucht den Oktober am amerikanischen Aktienmarkt auf Schwankungsanfälligkeit. Und siehe da: zwischen 1950 und 2005 war die Volatilität, also die Schwankungsanfälligkeit, im Oktober im Schnitt größer als in jedem anderen Monat. Im Durchschnitt um fast 30 Prozent. Und auch bei einem Blick auf die 60 Sektoren im S&P 500 kommt Goldman zum Schluss, dass während der vergangenen 16 Jahre in 59 Sektoren im Oktober die Volatilität im Schnitt steigt.
2. Weil die Vola nach den Turbulenzen im Mai wieder ganz schön abgenommen hat. Zu stark, wie ich meine. Der amerikanische Vola-Index VIX, der im April mit etwas über 11 nahe seines Rekordtiefs lag, notiert aktuell bei knapp über 12. Als die Turbulenzen am 10. Mai begonnen haben, schoss er bis auf 23,8 Punkte Mitte Juni empor. Ganz ähnlich sieht das Bild für den VDax aus, der die Vola des Deutschen Aktienindex misst. Der VDax notierte im Mai, vor der Erschütterung unter 14, sprang dann bis auf 25,4 und notiert heute wieder bei 16. In einer zweiten Goldman-Studie „Low Volatility: Cyclical or Structural“ widersprechen die Makro-Analysten den Ökonomen der BIZ, die in einem neuen Papier vor allem strukturelle Gründe für die weltweit niedrigen Volas ausmachen. Die Goldmänner halten dagegen das jüngste Makro-Umfeld für den wichtigsten Grund der geringen Vola an fast allen Finanzmärkten. Die „Volatility across Assets“, also zwischen und über die verscheidenen Anlagen hinweg, verorten sie auf einem 27 Jahrestief! Das ist zu tief.
3. Weil die Märkte irren. Das große Spiel heißt derzeit: Schwächeres Wachstum, geringere Inflation. Die niedrigen Renditen an den Rentenmärkten blasen die Bewertungen in allen riskanten Anlageklassen wieder auf. Ich glaube, an den Märkten wird eine zu starke Abschwächung des Wachstums erwartet. Ich bin voll im Camp der Rebalancing- und Decoupling-Fans. Amerika schwächt sich ab, reißt aber den Rest der Welt nicht mit nach unten. Warum? Weil der Tech-Sektor, der den letzten Abschwung aus Amerika heraus ausgelöst hat, global ist, der Housing-Sektor aber nicht (siehe meine Argumentation in der aktuellen ZEIT). Ich tippe drauf, dass der Rest der Welt weiter ansehnlich wächst und so Amerikas Wirtschaft stützt. Der fallende Ölpreis ist zwar schön für die Inflation, noch schöner allerdings für die Haushalte, die Konsumpower zurück bekommen. Über kurz oder lang wird der Rentenmarkt ein höheres Wachstum einpreisen müssen. Das wird kaum ohne Turbulenzen über die Bühne gehen.
Hier noch kurz meine Erwartungen für die einzelnen Märkte:
- Die Renten sind mir zu teuer. 3,70 Prozent für zehnjährige Bundesanleihen kaufe ich nicht. Das ist einer der ganz wenigen Punkte, wo ich die Analyse unseres neuen Hirten Dieter Wermuth nicht teile! Ich glaube trotz Abschwächung in Amerika nicht daran, dass die 4,70 für zehnjährige T-Bonds zum Einstieg reizen sollten. Im Gegenteil.
- Die europäischen Aktien scheinen mir fair bewertet zu sein. Allerdings ist Oktober und deshalb lieber Vorsicht walten lassen. Vielleicht zur Absicherung der Aktienposition Vola kaufen.
- Der Dollar muss weiter fallen. Er wird es, wenn sich die Meinung durchsetzt, dass nur Amerika schwächelt, der Rest der Welt aber ansehnlich wächst.
- Der Ölpreis hat noch immer eine Spekulationsprämie von mindestens zehn Dollar. Die sollte sich bis zum Frühjahr abbauen.
- Die Emerging Marktes, die Credits und was es sonst noch alles an riskanten Assets gibt, sollten unter dem von mir erwarteten Zinsanstieg am langen Ende der Bondmärkte leiden.